Streit unter RappernWie sich Drake und Kendrick Lamar gerade gegenseitig demontieren

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Rapper Kendrick Lamar erscheint bei den MTV Video Music Awards, am 27. August 2017, in Inglewood, Kalifornien, links, und der kanadische Rapper Drake erscheint bei der Premiere der Serie „Euphoria“, in Los Angeles am 4. Juni 2019.

Rapper Kendrick Lamar (l.) und Drake

Es begann mit einer harmlosen Zeile in einem Hip-Hop-Stück, inzwischen überziehen sich Kendrick Lamar und Drake mit ungeheuerlichen Vorwürfen.

Wo soll das noch hinführen? Die Rap-Welt erlebt gerade ihre größte Schlacht, seit Mitte der 1990er Ost- und Westküste aufeinander losgingen und am Ende mit The Notorious B.I.G. und Tupac Shakur die beiden größten Talente ihres jeweiligen Lagers gefallen waren.

Aber kann man das überhaupt vergleichen? Diesmal stehen sich mit Drake (37) und Kendrick Lamar (36) keine jungen Heißsporne, sondern etablierte Elder Statesmen des Hip-Hops gegenüber. Drake hat seit seinem Debütalbum im Jahr 2010 das Genre geprägt wie kein Zweiter, er ist der weltweit meistgestreamte Künstler der vergangenen Dekade und der erfolgreichste Rapper aller Zeiten. Damit kann Lamar nicht ganz mithalten, doch er gilt in der Szene als   Bester der Besten, die Kritik feiert den Wortmächtigen als den Bob Dylan des Hip-Hops und er ist auch der erste Rapper, der mit einem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde.

Als Drake einen KI-generierten Tupac einsetzt, eskaliert Kendrick Lamar

Vor 13 Jahren gastierte Lamar sogar auf Drakes zweitem Album „Take Care“ und trat im Vorprogramm seiner Tour auf. Doch von da an ging's mit der Freundschaft bergab. Der Konflikt schwelte lange mit gelegentlichen Sticheleien, auch der aktuelle Streit begann harmlos: Da bezeichnete der ebenfalls sehr erfolgreiche J.Cole auf einem gemeinsamen Track mit Drake, sich selbst, Drake und Lamar als die „großen Drei“ des Hip-Hops, woraufhin Lamar zurückschoss: Von wegen „big three?“, es gäbe nur „big me“.

Andere Rap-Stars wie Future oder Rick Ross nutzten die Gelegenheit ebenfalls noch einige Gemeinheiten in Richtung Drake loszuwerden, J.Cole zog sich genervt zurück, der Streit schien zu verpuffen. Doch dann veröffentlichte Drake gleich zwei Disstracks hintereinander – gereimte Beleidigungen und Enthüllungen. Vor allem im zweiten schoss er mithilfe der KI-generierten Stimmen von Tupac und Snoop Dogg auf seinen einstigen Support Act. Seitdem haben Drake und Lamar so viele Disstracks ausgetauscht, dass man damit ein ganzes Album bestücken könnte.

Nun muss man verstehen, dass der Konkurrenzkampf, die Übertreibungen und Beleidigungen, die Suche nach den Schwachstellen des Gegners, zum Wesen des Hip-Hops gehören. Viele Größen des Genres – von LL Cool J bis Eminem – haben ihre Karrieren als Battle-Rapper begonnen. Wenn sich Rapper gegenseitig mit Worten attackieren, dann stets mit der Hoffnung, dabei die eine, tödliche Zeile zu landen, über die man noch Jahre später bewundernd sprechen wird, man denke an den legendären Schlagabtausch zwischen Jay-Z und Nas.

Doch Drake und Lamar haben den Bereich des etwas härteren Poesiewettbewerbs weit hinter sich gelassen. Drake wirft Lamar häusliche Gewalt vor, Lamar Drake pädophile Neigungen. Zwei verbitterte Multimillionäre, die sich, angefeuert von sensationslüsternen Internet-Trollen, gegenseitig mit übelsten Verleumdungen überziehen und den Tod an den Hals wünschen. Wohin soll diese Eskalation führen? Wenn nicht zum offenen Gewaltausbruch, dann doch nur zu der ernüchternden Erkenntnis, dass sich die beiden prägenden Künstler des Hip-Hops gerade irreparabel beschädigt haben.

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