Sexuelle NötigungSecurity-Mann verging sich in Euskirchen an 14-Jähriger

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Das Symbolbild zeigt einen Saal des Euskirchener Amtsgerichts, im Vordergrund Bände mit Gesetzestexten.

Am Amtsgericht Euskirchen wurde ein 40 Jahre alter Angeklagter zu drei Jahren Haft verurteilt.

Das Jugendschöffengericht Euskirchen verurteilte einen 40-Jährigen zu drei Jahren Haft. Er hatte die Vorwürfe bestritten.

Sein Job bestand darin, im Veybach-Center in Euskirchen für Sicherheit zu sorgen. Doch das Gegenteil war der Fall: Am 6. März 2021 verging sich der Security-Mitarbeiter Karsten P. (Namen geändert) in dem Einkaufszentrum an einem 14 Jahre alten Mädchen. Zu dieser Überzeugung gelangte jetzt das Euskirchener Jugendschöffengericht. Es sprach den 40-Jährigen schuldig der sexuellen Nötigung unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage. Das Urteil lautete drei Jahre Freiheitsstrafe.       

Der Angeklagte habe seine Aufgabe ad absurdum geführt, sagte der Vorsitzende Richter Dr. Wolfgang Schmitz-Jansen am Ende des achten Verhandlungstages in der Urteilsbegründung: „Da stehen einem die Haare zu Berge.“ P., der wie sein Opfer im Euskirchener Stadtgebiet lebt, hatte die Vorwürfe von Beginn an bestritten.

Das Geschehen spielte sich im Euskirchener Veybach-Center ab

Er schilderte das Geschehen an jenem Samstagvormittag vor mehr als drei Jahren so: Er habe mit seiner Verlobten, für deren Sicherheitsfirma er arbeitete, und einer Bekannten vor dem Eingang gestanden, als ein Mädchen im Sprint aus dem Veybach-Center gelaufen sei. Seine Erfahrung habe ihm gesagt, dass dahinter ein Ladendiebstahl stecken könne, sodass er dem Mädchen den Weg versperrt habe.

„Ich habe sie gefragt, warum sie es so eilig hat, ob sie vielleicht etwas gestohlen hat“, erzählte er. Dies habe sie verneint. Er habe dann ihre Telefonnummer in seinem Handy abgespeichert und ihr gesagt, er werde sich melden, wenn sich herausstellen sollte, falls eines der Geschäfte im Veybach-Center einen Diebstahl melden sollte.  

Die 18-jährige Euskirchenerin erzählte eine andere Geschichte

Weil dies nicht der Fall gewesen sei, habe er mehrfach versucht, das Mädchen „zu kontaktieren, um mich zu entschuldigen“, es aber nicht erreicht. Während die beiden Frauen, die mit ihm am Eingang gestanden hatten, und ein Bekannter des Angeklagten, die als Zeugen aussagten, seine Version bestätigten, erzählte die heute 18-jährige Sophie L. eine ganz andere Geschichte.        

Der Security-Mann, so die junge Frau, habe sie mit dem Diebstahlsvorwurf konfrontiert und ihr erklärt, er sei verpflichtet, die Polizei zu rufen. Davon werde er aber absehen, wenn sie mit einer Kontrolle durch ihn einverstanden sei. Auf diesen Vorschlag sei sie eingegangen.       

Er habe behauptet, in ihrer Tasche gestohlene Kosmetik-Artikel gefunden zu haben. Sie sollten seiner Darstellung nach aus einem Laden stammen, den sie aber tatsächlich an diesem Tag gar nicht betreten habe. „Dann fragte er, ob es okay ist, wenn er mich abtastet.“

Die Schülerin erzählte, was in dem fensterlosen Raum geschah

In einem fensterlosen Raum im Erdgeschoss des Centers habe er sich hinter sie gestellt, ihre Arme abgetastet, sie aufgefordert, einen ihrer beiden Pullis auszuziehen, über ihre Oberschenkel gestrichen, in ihren BH gegriffen, ihre Brüste und ihr Gesäß geknetet und schließlich unter ihrem Slip an ihre Scheide gefasst, sagte die Schülerin phasenweise schluchzend und unter Tränen.     

Als es an der Tür klopfte, so die Euskirchenerin, habe P. von ihr abgelassen und den Raum verlassen. Diese Gelegenheit habe sie genutzt, um ihrem Freund per Whatsapp die Situation zu schildern („Ich kriege Panik“). Kurz darauf sei der Mann zurückgekehrt.

Der Euskirchener zeigte ein Video mit einem jungen Mädchen

Er habe, bevor er sie gehen ließ, ihren Personalausweis abfotografiert und ihre Telefonnummer in seinem Handy abgespeichert – „falls später was mit der Polizei sein sollte“, so seine Erklärung. P. habe ihr auf seinem Smartphone auch ein Video mit einem Mädchen gezeigt, das darin einen Ladendiebstahl gestehe.

Warum sie sich nicht gewehrt habe, wollte der Vorsitzende wissen. „Ich konnte in dem kleinen Raum doch nichts machen“, antwortete sie. Sie habe Angst vor gewaltsamen Übergriffen gehabt, „wenn er mich irgendwann wiedersieht“. Eine Argumentation, die Verteidigerin Isabelle Gronemeyer für nicht nachvollziehbar hielt.

Das Management des Euskirchener Centers schaltete sich ein

Über die Familie erfuhr das Management des Veybach-Centers von den Vorwürfen, die das Mädchen gegen Karsten P. erhob. Das Center trennte sich von der Security-Firma, bei P. rückte die Polizei zur Hausdurchsuchung an. Auf seinem Mobiltelefon –  den Entsperrcode verschwieg er den Ermittlern, was ihnen die Arbeit erschwerte – wurden Fotos von Ausweisen und anderen Dokumenten von insgesamt fünf jungen Mädchen entdeckt. Dies erklärte der Angeklagte damit, dass er für sich eine Kartei mit Bildern von Ladendieben angelegt habe, gegen die im Veybach-Center ein Hausverbot verhängt worden sei.     

Dies sei ein Fehler gewesen, sagte er in seinem Schlusswort. Er habe den  Datenschutz nicht ernst genommen. Darüber hinaus sei an den Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft aber „nichts dran“, schloss sich P. seiner Verteidigerin an, die der Staatsanwaltschaft einseitige Ermittlungen und dem Gericht eine „falsche Beweisführung“ vorgeworfen hatte. Für ihren wegen Körperverletzung, falscher Anschuldigung, Drogendelikten und Betrugs vorbestraften Mandanten, der schon in Haft gesessen hat, beantragte sie einen Freispruch. 

Das Euskirchener Gericht verurteilte den 40-Jährigen wegen sexueller Nötigung

Ganz anders der Staatsanwalt und Rechtsanwältin Ruth Balduin, die Sophie L. als Nebenklägerin vertrat. Für sie stand wie für das Gericht nach der ausführlichen Beweisaufnahme fest, dass sich P. der sexuellen Nötigung schuldig gemacht hatte.     

Das Gericht stützte sich zum einen auf das Gutachten einer Rechtspsychologin. Der Tenor darin lautete, dass die Aussagen der jungen Frau glaubwürdig seien. Zum anderen hatte das Gericht das Smartphone des Angeklagten unter die Lupe nehmen lassen. Einer Spezialistin der Polizei gelang es, Aufnahmen zu sichern, die zwar aus dem Bildspeicher gelöscht worden waren.

Sie befanden sich aber noch in einem Whatsapp-Chat-Verlauf und zeigten unter anderem den Personalausweis von Sophie L. und jenes von ihr beschriebene Video mit einem völlig verschüchterten Mädchen, das auf Aufforderung des Sicherheitsmanns einen Ladendiebstahl zugibt.     

Erst nach dem Bericht der Polizeimitarbeiterin gab P. zu, dass er auch den Ausweis von Sophie L. fotografiert hatte. Seine Aussage, dies sei nicht am 6. März 2021 geschehen, sondern im Zuge einer vorangegangenen Begegnung mit ihr im Veybach-Center, nahm ihm das Gericht nicht ab.

„Das Bild mit dem Personalausweis haben Sie gelöscht, um ein Beweismittel beiseitezuschaffen“, sagte Richter Schmitz-Jansen zu dem Angeklagten. Auch betonte er, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen ausschließlich Sache der Polizei seien. Während die Angaben von Sophie L. durch die Bank schlüssig gewesen seien, hätten die Einlassungen des Angeklagten nicht zu dem Gesamtbild gepasst, das die Beweisaufnahme ergeben habe.

Für das Gericht stehe fest, so der Richter, dass P. die Schülerin in einen Raum gelockt habe, in dem sie ihm schutzlos ausgeliefert gewesen sei.  Sie sei mit der Situation überfordert und verängstigt gewesen, deshalb habe sie sich nicht um Hilfe bemüht.   

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