Wer fährt nach Paris?Böhm oder Wagner: Zwei Kölner Judoka kämpfen um einen Olympiastartplatz

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Die Judoka Alina Böhm und Anna-Maria Wagner während eines Kampfes, ihre Köpfe stoßen aneinander. Böhm trägt einen blauen Judoanzug, Wagner einen weißen.

Kopf-an-Kopf-Duell: Die Kölnerinnen Anna-Maria Wagner und Alina Böhm kämpfen um das Olympiaticket.

Zwei Kölner Judoka kämpfen gegeneinander um das Olympiaticket im Halbschwergewicht. Beide sind Weltspitze, aber nur eine erhält den Zuschlag. 

Für die Kölner Judoka Alina Böhm und Anna-Maria Wagner startet mit den Weltmeisterschaften in Abu Dhabi (19. bis 24. Mai) der große Showdown im Kampf um die Olympiatickets in der Gewichtsklasse bis 78 Kilogramm. Die dramatische Ausgangslage: Beide Athletinnen trainieren gemeinsam am Bundesleitungszentrum in Köln-Müngersdorf. Eine ist frühere Weltmeisterin und die aktuelle Nummer Zwei der Welt. Die andere zweifache Europameisterin und Weltranglistenfünfte – aber nur eine von beiden kann das Ticket für Paris lösen.

Das sind Luxusprobleme für den Deutschen Judo-Bund, der in anderen Gewichtsklassen darum ringt, dass sich überhaupt jemand in die Quotenplätze vorkämpft. Denn neben dem Gastgeberland Frankreich qualifizieren sich nur die besten 17 Athletinnen und Athleten einer Gewichtsklasse auf direktem Weg für die Spiele. Pro Nation darf jedoch nur eine Sportlerin oder ein Sportler fahren. Im Halbschwergewicht der Frauen fällt daher auf nationaler Ebene die Entscheidung zwischen den zwei Wahl-Kölnerinnen. Die andere muss trotz Weltklasseniveau zuhause bleiben.

Letzter Wettkampf der zweijährigen Olympiaqualifikation: Die WM in Abu Dhabi

Wen von den beiden der Deutsche Olympische Sportbund für Olympia nominieren wird, zeigt sich erst kurz nach der WM. Am Mittwoch, 22. Mai, dem WM-Wettkampftag im 78-Kilo-Limit, geht es nach der zweijährigen Qualifikationsphase für Böhm und Wagner nicht nur um die nächsten Titel und Medaillen, sondern auch um die letzten zu vergebenen Weltranglistenpunkte, die final über das Olympia-Ranking entscheiden. Die Rechnung dabei sei simpel: „Wer weiter vorne ist, fährt nach Paris“, sagt Anna-Maria Wagner.

Die Judoka Alina Böhm und Anna-Maria Wagner während eines Kampfes beim Grand Slam in Baku. Böhm trägt einen blauen Judoanzug, Wagner einen weißen. Sie greifen sich gegenseitig an den Jacken.

Als Weltranglistenzweite steht Anna-Maria Wagner (weißer Judoanzug) derzeit noch drei Plätze vor Alina Böhm, das könnte sich bei den Weltmeisterschaften in Abu Dhabi ändern.

Sie ist es, die vor der Olympia-Generalprobe die Nase vorn hat. Bei den Europameisterschaften Ende April gewann sie Silber, während Böhm auf dem dritten Platz landete, eine Woche später entschied sie das Grand-Slam-Finale von Dushanbe im deutsch-deutschen Finale für sich. Auch für die WM habe sie ein gutes Gefühl. „Ich bin punktgenau fit und weiß, dass ich abliefern kann, wenn es drauf ankommt“, sagt sie.

Rein rechnerisch kann ihr die zwei Jahre jüngere Konkurrentin die Olympia-Teilnahme noch streitig machen. Dafür müsste Wagner patzen und Böhm weit vorne landen. Komplett unrealistisch ist das nicht. „Im Judo kann alles passieren“, sagt Wagner trotz ihres Vorsprungs.

Kölner Duell: Ehemalige Weltmeisterin gegen zweifache Europameisterin

Der Rolle der Gejagten kann sie trotzdem nicht wirklich etwas abgewinnen: „Wichtig für mich ist es, bei mir zu bleiben. Im Prinzip spielt es keine Rolle, ob ich Gejagte oder Jägerin bin. Wenn ich irgendwo hinfahre, will ich einfach mein bestmögliches Ergebnis liefern und es nicht abhängig von irgendwem anders machen.“

Auch Böhm hält von dem Bild von Verfolgter und Verfolgerin wenig: „Wenn man sich zu sehr in diese Rollenverteilung reindenkt, verrennt man sich“, sagt die Württembergerin, die 2021 aus dem Süden Deutschlands zum Stützpunkt im Rheinland wechselte – genauso wie Wagner übrigens, die den Schritt allerdings schon fünf Jahre früher ging.

Die Judoka Alina Böhm und Anna-Maria Wagner während eines Kampfes. Böhm trägt einen blauen Judoanzug und ist von vorne zu sehen, Wagner trägt einen weißen Judoka und steht mit dem Rücken zur Kamera.

2022 und 2023 wurde Alina Böhm (blauer Judoanzug) Europameisterin, jetzt will sie sich den Traum von den Olympischen Spielen in Paris erfüllen.

Trotz aller Professionalität – eine gewisse Anspannung ist zwischen den beiden Sportsoldatinnen deutlich zu spüren. „Wir trainieren zusammen, pushen uns, machen uns gegenseitig besser. Aber im Wettkampf fokussiert sich jeder auf sein eigenes Turnier, seine eigenen Kämpfe und seine Entwicklung“, sagt Böhm – gleiche Trainingsgruppe hin- oder her.

Denn schließlich geht es auch um etwas. Im Judo seien die Olympischen Spiele der absolute Karriere-Höhepunkt. „Seit ich ein kleines Mädchen bin, träume ich davon“, sagt Böhm. „Dass ich so nah dran bin, hätte ich damals nicht für möglich gehalten. Aber jetzt, wo die Qualifikation so dicht vor meiner Nase ist, würde es alles für mich bedeuten, dabei zu sein.“

Den Kindheitstraum hat sich Wagner hingegen schon einmal erfüllt – in Tokio gewann sie 2021 die Bronzemedaille. In diesem Zyklus sei es daher ein ganz anderes Gefühl, sich auf Olympia vorzubereiten. Sie habe noch eine Rechnung offen: „Ich will da unbedingt hin und Gold holen.“ Nicht weniger ambitioniert sind Böhms Ziele: „Wenn ich mich qualifiziere, will ich nicht nur dabei sein, sondern um die Medaillen mitkämpfen – im besten Fall um Gold.“

Zuzutrauen wären die Medaille und sogar der Olympiasieg zumindest beiden. Wer den Weg gehen darf und wer den olympischen Wettkampf vor dem Fernseher verfolgen muss, wird sich zeigen.

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