Die Partei fühlt sich unfair behandelt und will künftig weder das Kölner Fairnessabkommen noch Aktionen des Bündnisses Köln stellt sich quer unterstützen.
Nach bundesweiter EmpörungKölner CDU will keine Abkommen vor Wahlen mehr unterzeichnen

In der früheren Oberfinanzdirektion im Agnesviertel soll eine Flüchtlingsunterkunft entstehen.
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Die Kölner CDU wird bei künftigen Wahlen keine Abkommen mehr mit anderen Parteien zum Umgang mit Extremisten unterzeichnen. Stattdessen will die Partei sogenannte Selbstbekenntnisse veröffentlichen, um sich von allen extremistischen politischen Akteuren zu distanzieren. Das hat Parteichefin Serap Güler am Donnerstag angekündigt.
Auch Elon Musk meldete sich
Als Grund für diesen Schritt nannte Güler das Kölner Fairnessabkommen, das die Unterzeichner seit 1998 verpflichtet, keinen Wahlkampf auf „Kosten von Menschen mit Migrationshintergrund“ zu führen und „inhaltlich fair zu bleiben“. CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke und Volt hatten die Erklärung teils seit Ende der 90er Jahre vor jeder Wahl unterzeichnet.
Vor der Kommunalwahl am 14. September hatte das Abkommen bundesweite Aufregung verursacht, auch weil es teilweise arg zugespitzt oder in verkürztem Zusammenhang wiedergegeben worden war. In der Vereinbarung heißt es, dass Migranten im Wahlkampf „nicht für Gefährdungen der Inneren Sicherheit, für Terrorismus und Belastung der sozialen Sicherungssysteme verantwortlich gemacht werden“ dürften.
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Damals schrieb unter anderem die „Bild“-Zeitung von einer „bizarren Maulkorb-Vereinbarung“. Sogar Tech-Milliardär Elon Musk äußerte sich dazu und schrieb: „Kölner Wahl: Nur die AfD darf frei über Migration sprechen.“

Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer vom Kölner Flüchtlingsrats.
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Auch an Aktionen und Vereinbarungen des Bündnisses „Köln stellt sich quer“ (KSSQ) will sich die CDU nicht mehr beteiligen. Es existiert seit 2008. Zuletzt einigte sich das Bündnis für die Kommunalwahl darauf, nicht an Podiumsdiskussionen teilzunehmen, an denen rechtsextreme Gruppen oder deren Unterstützer beteiligt sind. KSSQ hatte auf einer Pressekonferenz Ende Januar scharf kritisiert, dass der damalige CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz in Kauf genommen hatte, dass über einen Antrag für eine Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag mit Stimmen der AfD entschieden werden könnte.
Grünen-Ratsmitglied Brigitta von Bülow als KSSQ-Sprecherin sagte am Rande der Ratssitzung am Mittwoch: „Mich schockiert die Ankündigung der CDU gerade angesichts der aktuellen politischen Situation mit einer erstarkten AfD auch in Köln sehr.“ Sie bezeichnete die Entscheidung der Partei als „sehr enttäuschend“.
CDU-Parteivize Florian Braun betonte, dass die Abkehr von KSSQ und dem Fairnessabkommen nichts an der Haltung der CDU ändere: „Wir werden uns weiter sehr klar von allen extremistischen politischen Akteuren distanzieren. Und wir wollen einen fairen Wahlkampf führen, das ist allerdings weder beim Bündnis ‚Köln stellt sich quer‘ noch beim Runden Tisch der Fall gewesen.“
Überrascht über Schritt der CDU
„Der Inhalt unseres Selbstbekenntnisses wird nicht viel anderes sein als die bisherigen Abkommen. Wir wollen es nur nicht mit anderen Partnern unterschreiben, die sich dann im Wahlkampf selbst nicht daran halten“, sagte Güler.
Wolfgang Uellenberg-van Dawen zeigte sich am Donnerstagnachmittag überrascht von der Entscheidung der CDU. „Mit uns hat Frau Güler darüber nicht gesprochen. Ich halte den Schritt, das Fairnessabkommen nicht mehr unterzeichnen zu wollen, für überzogen, die CDU würde sich damit auch selbst schaden“, sagte der Sprecher des Kölner Runden Tischs für Integration.
Wahlkampf-Flyer als Auslöser
Auslöser des Streits war ein Wahlkampf-Flyer des früheren Kölner CDU-Ratsmitglieds Florian Weber, der sich kritisch mit der geplanten Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Gebäude der alten Oberfinanzdirektion im Agnesviertel auseinandersetzt. „Nein zur Großunterkunft. Für ein sicheres, lebenswertes Agnesviertel“ steht auf dem Flugblatt.
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte darüber berichtet, dass Vertreter des Runden Tischs für Integration, des Kölner Flüchtlingsrats, und der Grünen dieses Fairnessabkommen durch die CDU gebrochen sahen. Das taten sie, bevor die zuständigen Schiedsleute den Flyer geprüft hatten. Das Vorpreschen hat die CDU massiv verärgert – zumal die Schiedsleute tatsächlich später keinen Verstoß der Union sahen.

Serap Güler, Chefin der CDU Köln.
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Güler sagte am Donnerstag: „Das geht so nicht und das habe ich den Beteiligten auch gesagt. Zumal die Prüfung ergab, dass der Flyer nicht gegen das Abkommen verstößt. Die Pressemitteilung hat mit dafür gesorgt, dass wir bundesweit im Fokus standen. Das gilt auch für die Grünen, die uns in der Sache kritisiert haben. Dann können wir als CDU uns das auch sparen, wenn die Mitunterzeichner meinen, uns ins Visier zu nehmen.“
Zum Vorwurf der CDU, der Runde Tisch habe das Abkommen mit Füßen getreten, indem er in die Öffentlichkeit gegangen sei, bevor die Schiedsleute über den Wahlkampfflyer befunden hatten, sagte Uellenberg-van Dawen: „Ich habe lediglich öffentlich davor gewarnt, dass das Thema Flüchtlingsunterkunft aus meiner Sicht aus dem Wahlkampf herausgehalten werden soll – dass diese Äußerung zulässig sei, hatten mir zuvor auch die Schiedsleute des Runden Tischs bestätigt.“
Wortlaut soll verändert werden
Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrates, sagte zu einer Presseerklärung, in der der CDU-Flyer kritisiert worden war: „Das war meine persönliche Meinung, die nichts mit dem Verfahren der Schiedsleute zu tun hatte.“
Nach der öffentlichen Debatte über die Fairnessvereinbarung hatte der Runde Tisch gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ angekündigt, den Wortlaut des Abkommens abändern zu wollen.
Ehemalige Bundesjustizministerin macht Vorschlag
Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte gegenüber dieser Zeitung angeregt, den Satz keine Gruppe der Gesellschaft dürfe für Gefährdungen der Inneren Sicherheit, für Terrorismus und die Belastung der sozialen Sicherungssysteme verantwortlich gemacht werden, um das Adjektiv „pauschal“ zu ergänzen – benannt werden dürften und müssten die Gefahren nämlich sehr wohl. Gleichwohl sei es wichtig, dass nicht eine Bevölkerungsgruppe pauschal verantwortlich gemacht werde.
„In diesem Sinne wollen wir den Wortlaut abändern, wir waren für diesen Hinweis sehr dankbar“, sagte Prölß. „Ich hoffe, dass die CDU ihren Schritt überdenkt. Es wäre schade, wenn sich eine wichtige demokratische Partei, die ausdrücklich nicht zu den Brandstiftern zählt, nicht mehr einer Vereinbarung zugehörig fühlt, mit der die Brandmauer zur AfD gestärkt wird.“ Uellenberg-van Dawen kündigte an, für Gespräche mit der CDU offen zu sein.
Enttäuschung bei „Köln stellt sich quer“
Witich Rossmann, Chef des Kölner Ablegers des Deutschen Gewerkschaftsbundes, und Sprecher des Bündnisses KSSQ, sagt zur Abkehr der CDU vom Fairnessabkommen und KSSQ: „Es ist eine große politische Dummheit, wenn die CDU, die in größter Konkurrenz mit der AfD steht, ein demokratisches Bündnis verlässt, das als Brandmauer dient. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass davon am Ende nur die AfD profitiert.“

