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DAZN-Chefin Alice MasciaDie einflussreichste Frau der Fußball-Bundesliga

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Mischt die Fußball-Bundesliga auf: DAZN-Chefin Alice Mascia. DAZN (Montage)

Mischt die Fußball-Bundesliga auf: DAZN-Chefin Alice Mascia. DAZN (Montage)

Sie ist keine Managerin bei einem Fußballklub, und doch spielt sie eine wichtige Rolle für die Bundesliga: Alice Mascia. Die Chefin von Sportstreamingdienst DAZN verantwortet den neuen TV-Rechte-Deal entscheidend mit.

Im Auge des Sturms fühlt sie sich ziemlich wohl. Es darf auch mal ungemütlich werden. Denn einfach waren die Aufgaben von Alice Mascia in den vergangenen zweieinhalb Jahren keineswegs. In ihre Amtszeit als Chefin von DAZN auf dem deutschsprachigen Markt fallen die Nachwirkungen der auch für die Sportmedienbranche ökonomisch herausfordernden Corona-Pandemie, spürbare Preiserhöhungen beim Streamingdienst und wichtige TV-Rechte-Ausschreibungen – allen voran die gerade zurückliegende der Fußball-Bundesliga.

Mascia übernahm im Mai 2022 die Geschicke von Thomas de Buhr. Der Manager führte das Medienunternehmen ab dessen Anfängen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, kurz: der DACH-Region. Profitabel war DAZN in de Buhrs Ära nie. Der ursprüngliche Preis für ein Abo von monatlich 9,99 Euro für ein da noch deutlich kleineres Portfolio als derzeit wurde auch schon unter de Buhr angepasst, betrug dann zunächst 14,99 Euro. Nur drei Monate nach dem Führungswechsel gab es die Verdopplung auf 29,99 Euro.

Die neue Managerin war direkt als Kommunikatorin gefragt. „Es ist ein hartes Geschäft“, sagte die Italienerin seinerzeit in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“. Auf die Frage, ob weitere Preiserhöhungen möglich seien, erwiderte sie: „Ausschließen kann man nichts.“ Grund dafür sei, dass es inzwischen „ein sehr viel größeres Programm“ zu sehen gebe, „sehr viel mehr Rechte, auch im Premium-Segment, und auch ein qualitativ deutlich besseres Produkt“. Mittlerweile kostet ein Abo bei monatlicher Zahlung schon 44,99 Euro. Wer sich gleich ein Jahr als Kunde zur Streamingplattform bekennt, zahlt 34,99 Euro pro Monat. Das gilt für das teuerste Paket, das die wichtigsten Produkte Bundesliga und Champions League beinhaltet.

Unter der DAZN-Chefin gab es die Einführung verschiedener Mitgliedschaften mit zwei weiteren, günstigeren Optionen, die etwa nur die deutschen Frauenfußball-Wettbewerbe und Fußball-Ligen aus dem Ausland oder andere Sportarten wie Darts und Handball einschließen. Die Verteidigungslinie der DAZN-Chefin lautete schon vor zwei Jahren: „Eigentlich hätten wir den Preis früher anheben müssen.“ Es ist eine indirekte Kritik an Vorgänger de Buhr, der als Verantwortlicher den wohl nötigen Schritt lieber meiden wollte.

Rückhalt von der DAZN-Spitze

Vor den unangenehmen Entscheidungen scheute sich Mascia hingegen nicht. Von der öffentlichen Kritik abgesehen musste sie aber auch die internen Erwartungen erfüllen – und zwar, die Plattform im knallharten Milliardenbusiness um die besten Fußball-Rechte profitabel zu machen. 2023 gelang das noch ebenso wenig wie im ersten Halbjahr 2024. Doch ihren Angaben zufolge wird DAZN in der noch laufenden Hälfte des laufenden Jahres schwarze Zahlen schreiben.

Volle Rückendeckung ist ihr stets sicher, allen voran von den beiden Mächtigsten in den eigenen Reihen im immer noch von Männern dominierten Geschäft: Von Shay Segev, CEO des Medienkonzerns, in dem Mascia auch weltweit eine wichtige Führungsrolle ausübt. Und von Mehrheitseigner Len Blavatnik – der Multi-Milliardär, der mit seiner Beteiligungsgesellschaft Access Industries die immensen Investitionen erst möglich macht. Er hält große Stücke auf seine Deutschland-Verantwortliche.

Umso höher also sind die Erwartungen, die Alice Mascia beim elementaren Deal um die Bundesliga-Rechte erfüllen musste. Gerade im April, als es zum Knall gekommen war: Die gerade begonnene Auktion der Deutschen Fußball Liga (DFL) wurde abgebrochen. Weil DAZN binnen 24 Stunden eine Bankbürgschaft abgeben sollte, um sein Angebot von 400 Millionen Euro abzusichern und das lukrativste Paket B mit 196 Spielen pro Saison, jenen am Samstagnachmittag (15.30 Uhr) und Freitag (20.30 Uhr), zu erhalten. Obwohl der Streamingdienst 80 Millionen Euro jährlich - also 320 Millionen Euro über den vierjährigen Zyklus ab der Saison 2025/26 - mehr geboten hatte als der Pay-TV-Sender Sky, bekam doch jener Rivale den Zuschlag.

„Ich bin selbst am produktivsten, wenn es enge Deadlines gibt“

Nach dem Abbruch gab es monatelangen Stillstand, ein Schiedsgericht musste entscheiden. Verbal hatten beide Seiten zuvor aufgerüstet: DAZN beschuldigte die DFL der Verleumdung, die Ligaorganisation entgegnete, vom Medienkonzern seien Tatsachen bewusst falsch dargestellt worden. Ein Abschied des einzigen echten Sky-Konkurrenten aus der Ausschreibung und damit der Bundesliga war die Drohkulisse. Mascia äußerte sich dazu im Wirtschaftsmagazin „Capital“ und betonte, dass „ein totaler Rückzug aus der Bundesliga eine Option“ darstelle. Dabei forderte sie explizit eine „Versachlichung“ im aufgeheizten Streit. Sie will die Wogen glätten.

Mascia hat eine feste Morgen-Routine

Wer die kleine, auf den ersten Blick zierliche Frau unterschätzen sollte, wird leicht vom Gegenteil überzeugt. Erlebt man die erfahrene Medienmanagerin im persönlichen Gespräch, erfährt man schnell, dass sie Forderungen und klare Vorstellungen mit einem freundlichen Lächeln garniert. Mascia weist etwa darauf hin, dass der Streamingdienst mit der Champions League, die abgesehen von einem Dienstagsspiel (bei Amazon Prime Video) komplett bei DAZN läuft, bereits ein wichtiges Übertragungsrecht auf dem deutschsprachigen Markt habe. Und das allein sei schon ein Grund, den Streamingdienst zu abonnieren. Sie will damit außerdem unterstreichen, dass DAZN die Bundesliga nicht unbedingt benötigt - während die DFL ihrerseits dringend einen Wettbewerber für den finanziell wankenden Platzhirschen Sky brauche.

Privat wie geschäftlich legt Mascia hohen Wert auf Disziplin und Routine. Der „Wirtschaftswoche“ offenbarte die Veganerin einmal, wochentags morgens stets um 6 Uhr aufzustehen, gesund zu frühstücken, dazu (als Italienerin, natürlich) Espresso zu trinken sowie ein Glas Wasser mit Ingwer und Zitrone, danach mindestens 60 Minuten Sport zu treiben. Darauf folge ein Videoanruf bei ihrem Mann, der in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur arbeitet. Einem klaren Ablauf, einer klaren Struktur folge sie gerade dann, wenn es zur Sache geht: „Ich bin selbst am produktivsten, wenn es enge Deadlines gibt.“ Die galt es reichlich einzuhalten während der umkämpften TV-Verhandlungen, bei denen die sie für DAZN als Gesicht nach außen stellvertretend stand.

Als das Schiedsgericht letztlich urteilte, dass die Ausschreibung von vorn beginnen muss, weil der Zuschlag für Sky bei Paket B den Auktionsbedingungen der DFL nicht entsprochen habe, machte Mascia das, was sie unter Zeitdruck auszeichnet: „Dann setze ich rücksichtslos Prioritäten und habe keine Angst, oft ‚Nein‘ zu sagen.“ Das gilt sicher auch im regen Austausch mit den Klubbossen der Bundesliga, etwa in München oder Dortmund. Es wurde schon geunkt, sie habe mit DFL-Präsidiumsboss Hans-Joachim Watzke und den Ligageschäftsführern Steffen Merkel und Marc Lenz in letzter Zeit häufiger gesprochen als mit ihrem Mann.

Den Rivalen kennt sie bestens

Den größten Konkurrenten und dort handelnde Personen kennt die 51-Jährige ebenso bestens. Und umgekehrt. Von 2002 an hatte sie sechs Jahre mit am Aufbau von Sky Italia gearbeitet, war danach zehn Jahre lang in verschiedenen Führungspositionen bei Sky Deutschland, ehe sie vor ihrem Wechsel zu DAZN vier Jahre lang in Australien beim Bezahlsender Foxtel tätig war. Gestartet hatte Mascia ihre Laufbahn rund 20 Jahre lang beim US-Medienkonzern News Corp. von Rupert Murdoch, nur kurz unterbrochen von der Anstellung bei einer Beratungsfirma. Schon im Murdoch-Imperium war neben ihrer Expertise ihr Durchsetzungsvermögen gefragt.

Am 30. November feierte Mascia ihren Geburtstag, als sie den TV-Deal quasi als eigenes Geschenk eintütete. Da lag gerade die neu gestartete Ausschreibung hinter ihr und DAZN. Mit Paket B wurde es nichts, die Einzelspiele am Samstag laufen weiter bei Sky. Doch die Konferenz, die Erfindung ihres ehemaligen Arbeitgebers, konnte die Managerin des Streamingdienstes dem Rivalen erstmals wegschnappen und zudem die Sonntagspartien halten. Mehr als 300 Millionen Euro führt sie der Bundesliga damit auch künftig zu.

Auf dem Weg dahin, im erbitterten TV-Rechte-Kampf, war es einige Zeit lang ungemütlich. Damit bewies Alice Mascia wie schon häufiger: Das gefällt ihr besonders gut.