Im ZDF-Drama „Allein zwischen den Fronten“ spielt Brigitte Hobmeier eine interne Polizei-Ermittlerin, die herausfinden soll, was bei einer entgleisten Demonstration schiefgelaufen ist. Sind Polizisten wegen ihres Jobs gefährdet, radikal zu denken und zu handeln?
Brigitte Hobmeier im Interview„Wie schnell sagt man heute ein falsches Wort ...“
Der ZDF-Film „Allein zwischen den Fronten“ (Montag, 18. November, 20.15 Uhr) wird zwar als Krimi ausgewiesen, doch eigentlich geht es um eine heiß diskutierte gesellschaftliche Frage: Wer ist schuld, wenn bei einer Demo und anderen Massenveranstaltungen die Gewalt entgleist? War die Menge zu aggressiv und aufgeheizt? Oder hat die Polizei überreagiert oder gar provoziert? Brigitte Hobmeier spielt eine interne Polizei-Ermittlerin, die herausfinden soll, was bei einer Groß-Demonstration in Köln schiefgelaufen ist. Im Interview spricht die 48-jährige Schauspielerin (“Schnee“) über eigene kritische Erfahrungen in Menschenmengen und das Problem, dass man mit diesem Film ziemlich falsch verstanden werden kann. Was kann man hier über Gewalt und wie sie ausbricht lernen?
teleschau: Im Mittelpunkt des Film steht ein kritisches Ereignis während einer Demonstration. Wie sind Ihre Erfahrungen mit Demos oder großen Menschenmengen?
Brigitte Hobmeier: Ich kenne das Gefühl, mich in einer großen Menschenmenge nicht sicher zu fühlen. Ich war mit meinen Kindern ein paarmal auf einer Demo und hatte in manchen Momenten das Gefühl, dass ich den Schutz unseres Raumes nicht sicherstellen kann. Ich dachte dann spontan: Wir müssen raus hier!
teleschau: Haben Sie diese Angst erst als Mutter bekommen, oder fühlten Sie sich schon früher in solchen Menschenmengen nicht allzu wohl?
Brigitte Hobmeier: Früher war ich keine große Demo-Gängerin, deshalb kann ich da wenig Erfahrung teilen. Würde ich so etwas behaupten, täte ich jenen Menschen Unrecht, die sich auf der Straße seit langem engagieren. Zuletzt gab es bei mir allerdings einen klaren inneren Impuls, für Demokratie auf die Straße zu gehen. Deshalb sind wir bei Demos mitgelaufen.
„Ich reagiere sehr empfindlich auf Gerüche“
teleschau: Sind Sie jemand, der sich unter vielen Menschen leicht unwohl fühlen kann?
Brigitte Hobmeier: Nein, eigentlich habe ich damit keine Probleme. Auch wenn es mir natürlich eiskalt den Rücken runterläuft, wenn ich an so etwas wie die Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg auch nur denke. Ich kann mich daran erinnern, vor vielen Jahren war ich mal bei einem Madonna-Konzert in München. Da hatte ich den Plan, mich bis ganz nach vorne durchzuarbeiten. Irgendwann merkte ich: Ich habe keine Chance. Es ist einfach nicht möglich, sich als Einzelne gegen die physische Kraft einer Masse durchzusetzen. Ich habe dann entschieden, einfach hinten zu bleiben und mit ein bisschen Platz um mich rum zu tanzen (lacht).
teleschau: Es gibt auch subtilen Frust oder Ärger in Mengen. Sind Sie jemand, der sich aufregt, wenn sich bei einer Veranstaltung eine sehr große Person vor sie stellt oder setzt?
Brigitte Hobmeier: Nein, da bin ich liberal. Was kann ein Mensch dafür, dass er sehr groß ist? Oder was kann ich dafür, dass ich eher klein bin? Nein, so etwas löst bei mir weder Aggressionen noch Frust aus. Ich kann ja rechts oder links an diesem großen Oberkörper vorbeischauen. Was mich aber im Theater wahnsinnig machen kann, sind Parfüms. Ich reagiere sehr empfindlich auf Gerüche. Vor allem von schweren Parfüms bekomme ich Kopfweh und auch ein bisschen Panik. Vor allem, wenn ich ja dann nicht raus kann. In München hieße es ja sonst hinterher: Frau Hobmeier hat den Theatersaal verlassen (lacht).
„Man macht dabei auch Fehler, die mit Vorurteilen zu tun haben“
teleschau: Ihr Film erzählt von einer Polizeieinheit, die bei Demonstrationen eingesetzt wird. Sind solche Beamte für radikale Ansichten empfänglicher, weil sie viel Hass von den Demonstranten abbekommen?
Brigitte Hobmeier: Ich denke, genau um diese Frage geht es. Der Film stellt einige dieser jungen Männer in der Polizeieinheit vor, und man sieht: Sie reagieren unterschiedlich auf die Belastungen in ihrem Job. Das hat mir gefallen. Ich wollte keinen Film machen, der „meinungsbildend“ ist, sondern einen, der mehrere Möglichkeiten nebeneinander stellt. Natürlich kann es sein, dass man durch die Erfahrungen in diesem Beruf radikaler denkt oder handelt. Radikaler, als wenn man diesen Beruf eben nicht hat. Es kann aber auch sein, dass dein Job nichts an deiner Einstellung ändert.
teleschau: Polizisten, die kontroverse Veranstaltungen schützen, fühlen sich manchmal als Fußabtreter der Gesellschaft. Können Sie das nachvollziehen?
Brigitte Hobmeier: Ja, ähnliche Aussagen habe ich auch schon gehört. Dann, wenn ich mich Beamtinnen und Beamten unterhalten habe. Ich finde, man kann das nachvollziehen. Gerade, wenn man auf Demos zum Hassobjekt auserkoren wird, obwohl man persönlich nichts dafür kann und nur vor Ort ist, weil man dort seinen Job macht.
teleschau: Haben sich für den Film mit Menschen unterhalten, die bei der Polizei solche Jobs machen? Wie haben Sie die erlebt?
Brigitte Hobmeier: Bei diesem Film gab es Fachberater, die schon dem Drehbuchautor, aber auch später der Regie und Produktion erklärt haben, wie solche Einsätze ablaufen und worauf zu achten ist. Was ich gelernt habe: Es gibt unklare Lagen, in denen man sich nicht sicher sein kann, welche nun die richtige Reaktionsweise der Einsatzkräfte wäre. In diesen Momenten entscheidet man nach Gefühl und Erfahrung. Eine bessere Strategie gibt es nicht. Und natürlich macht man dabei auch Fehler, die mit Vorurteilen zu tun haben.
„Wir Menschen sortieren das Leben nach solchen Gefahrenreizen“
teleschau: Was meinen Sie mit Vorurteilen?
Brigitte Hobmeier: Dass wir und natürlich auch Polizisten nur Menschen sind, auf Reize reagieren. Nehmen wir meinen 19-jährigen Sohn. Wenn wir ihm unser altes Auto leihen und er damit irgendwo hinfährt, beschwert er sich öfter, dass er immer wieder in Verkehrskontrollen gerät und sich ausweisen muss. Dann sage ich ihm: „Das musst du verstehen, denn ein junger Mann stellt erfahrungsgemäß eine größere Gefahrenquelle dar, als sagen wir eine Frau mittleren Alters.“ Natürlich ist das erst mal ungerecht, aber auch nicht ganz falsch. Wir Menschen sortieren das Leben nach solchen Gefahrenreizen, und das tun natürlich auch Polizisten.
teleschau: Für was genau sollten die Fachberater bei diesem Film sorgen?
Brigitte Hobmeier: Der Drehbuchautor hat mit jemandem gearbeitet, der sich mit Demo-Einsätzen auskennt. Wir haben uns aber auch mit der Kriminalpolizei und mit Kriminalpsychologen ausgetauscht. Ganz wichtig war, dass die Polizisten im Einsatz von einem Stunt-Team gespielt wurden. Wir hatten aber auch echte Polizisten als Komparsen dabei, die zum Beispiel Demonstrationsteilnehmer verkörperten.
teleschau: Warum spielten die Stuntleute Polizisten?
Brigitte Hobmeier: Wenn Polizisten in einem Film in Richtung Mensch austeilen, und sei es laut Plot nur zur Abwehr von Angriffen, dürfen das nur Stuntleute tun. Sonst würde die Versicherung nicht zahlen, falls sich doch jemand verletzt. Dennoch haben auch die Schauspieler, die unsere Polizisten spielen, viel trainiert - damit ihre Einsätze echt aussehen. Es gibt ja auch Szenen, da sind sie zu sehen, bevor es brenzlig wird. Ich habe mitbekommen, dass viele der jungen Kollegen nach solchen Drehtagen ziemlichen Muskelkater hatten, so körperlich fordernd war das (lacht).
„Besonnenheit ist die wichtigste Eigenschaft, die man braucht“
teleschau: Im Film wird an einer Stelle die Frage gestellt: „Was ist ein guter Polizist?“. Können Sie die Frage beantworten?
Brigitte Hobmeier: In dem Einsatzbereich, über den wir reden, würde ich sagen: Besonnenheit ist die wichtigste Eigenschaft, die man braucht. Die Fähigkeit, dass man jene Aggression, die einem begegnet, der Sache zuschreibt und sie nicht als persönlichen Angriff wertet. Das ist sicher nicht einfach, wenn man Gewalt, Bedrohung und Provokation ausgesetzt ist. Dennoch wäre es die Eigenschaft, die es neben der rein fachlichen Kompetenz am meisten braucht, denke ich.
teleschau: Dass der Film die Beamten in den Mittelpunkt des Erzählens stellt, ist nicht ungefährlich. Man setzt sich schnell dem Vorwurf aus, die Polizei zu gut oder auch zu schlecht darzustellen. Waren Sie sich dieses Dilemmas bewusst?
Brigitte Hobmeier: Ja, davor hatten wir alle große Sorge. Deshalb war es auch immer wieder Thema bei Drehbuchbesprechungen. Jedes Wort in diesem Film wurde fünfmal umgedreht, dass man es nicht eindeutig in eine Richtung deuten kann. Wie schnell sagt man heute ein falsches Wort - und schon setzt man sich dem Vorwurf des Rassismus oder sonstigen Fehlverhaltens aus. Dass der Film auf diesem Minenfeld spielt, war uns bewusst. Es war vor allem ein Problem, weil wir keine Wertung vornehmen, sondern etwas zur Diskussion stellen wollten.
teleschau: Was genau?
Brigitte Hobmeier: Dass wir uns alle fragen: Wo sind unsere blinden Flecken? Welche Vorurteile haben wir gegen welche Gruppen der Gesellschaft oder Personen? Und könnte es nicht auch anders sein, als wir denken? Darüber haben auch die jungen Schauspiel-Kollegen, die diese Polizisten spielten, viel diskutiert.
teleschau: Was bleibt vom Film hängen oder was sollte hängenbleiben?
Brigitte Hobmeier: Für mich ist es die Erkenntnis, dass Auseinandersetzungen in der Gesellschaft oft komplexe Ursachen haben. Und dass man beide Seiten verstehen kann, wenn man sich in ihre Positionen hineindenkt. Nicht im Sinne des Verständnisses für Gewalt, aber dafür, wie sie entstehen kann. (tsch)