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„Nicht der Allergrößte“Private Doku-Szenen zeigen, wie Thomas Müller der wurde, der er ist

Lesezeit 4 Minuten
Daheim bei der Familie findet Thomas Müller Ausgleich vom Trubel des Profi-Fußballs. (Bild: Prime Video)

Daheim bei der Familie findet Thomas Müller Ausgleich vom Trubel des Profi-Fußballs. (Bild: Prime Video)

Mit Thomas Müller ist eine Fußballikone in der letzten Phase ihrer Karriere angekommen. Passend dazu widmet ihm Prime Video nun einen Dokumentarfilm. Dieser klammert überraschend die erfolgreichste Saison Müllers im Verein aus, verrät aber den „Erziehungsauftrag“ seiner Mutter Klaudia.

24 Sekunden. Mehr Zeit bekam Thomas Müller im Champions-League-Rückspiel gegen Celtic Glasgow nicht. Über eine „Demütigung“ polterte TV-Experte Lothar Matthäus danach. Es zeigt: Die Klublegende des FC Bayern München hat sich zunehmend zum Teilzeitarbeiter gewandelt.

Gibt gerne die Richtung vor, auch wenn er zuletzt beim FC Bayern München nicht mehr so oft zum Einsatz kam: Thomas Müller. (Bild: Prime Video)

Gibt gerne die Richtung vor, auch wenn er zuletzt beim FC Bayern München nicht mehr so oft zum Einsatz kam: Thomas Müller. (Bild: Prime Video)

Ob es für den 35-Jährigen auf dem Feld weitergeht, ist unklar. Sein Vertrag läuft aus, Präsident Herbert Hainer öffnete Müller zuletzt die Tür, „eine Art Außenminister“ für seinen Herzensverein zu werden. Zu seiner Zukunft sagt die Kickerlegende in der Prime-Video-Doku „Thomas Müller - Einer wie keiner“ (ab 4. März) zwar nichts, trotzdem wirkt der 90-Minüter wie ein filmischer Abschied zum Ende einer großen Karriere.

Und gewonnen hat Müller wirklich alles - nun ja, fast. Der EM-Titel blieb ihm versagt, zuletzt denkbar tragisch im Verlängerungs-K.o. gegen Spanien bei der Heim-EM 2024. Für Trainer Nagelsmann findet Müller nur lobende Worte (“Er hat uns gut eingestellt“), gesteht aber seine Schwierigkeiten damit an, nur als Einwechselspieler eingeplant gewesen zu sein. „Ein letztes Erlebnis der intensiven Art mit dem deutschen Fußball“ sei das bittere Aus gegen den späteren Europameister gewesen, bilanziert Müller. Die umstrittene Hand-Szene mit Marc Cucurella - sie ist kein Thema.

Hansi Flick und die Sextuple-Saison: In der Prime-Video-Doku fehlen sie völlig

Schon als kleiner Junge war Fußball für Thomas Müller das Allergrößte. (Bild: Prime Video)

Schon als kleiner Junge war Fußball für Thomas Müller das Allergrößte. (Bild: Prime Video)

Die Skandal-Szene ist nicht das einzig Überraschende, das in der Doku ausgespart wird. Bei allem chronologisch-nostalgischen Abfeiern von Müllers Karriere fehlt ausgerechnet seine erfolgreichste Saison komplett. Hansi Flicks legendäre Sextuple-Saison samt Thomas Müller im zweiten (oder dritten?) Fußball-Frühling - wie ausgewischt. Auch die Herausforderungen der Corona-Zeit - Fehlanzeige. Dazu verwundert es doch, dass angesichts des Reigens an prominenten Interviewpartnern mit Manuel Neuer nur ein Spieler des aktuellen Teams die Lobeshymne auf Müller anstimmt.

An Würdigung fehlt es freilich trotzdem nicht. „Er ist nicht sehr schnell. Seine Technik ist Durchschnitt, sein Dribbling ist Durchschnitt, Aber er ist Thomas Müller“, bringt Karl-Heinz Rummenigge das Phänomen Müller auf den Punkt. Trainer-Philosoph Pep Guardiola preist seinen einstigen Spielmacher als „freien Vogel“. Und Weltmeister-Trainer Jogi Löw räumt anerkennend ein: „Man kann ihn nicht ausrechnen. Nicht mal der eigene Trainer.“

„Finanzstark wären sie schon“: Müller bekam Angebote aus Saudi-Arabien

An der Seite von Bastian Schweinsteiger (rechts) feierte Thomas Müller 2014 einen der größten Erfolge seiner Karriere: den WM-Titel in Brasilien. (Bild: Prime Video)

An der Seite von Bastian Schweinsteiger (rechts) feierte Thomas Müller 2014 einen der größten Erfolge seiner Karriere: den WM-Titel in Brasilien. (Bild: Prime Video)

Spannend wird „Thomas Müller - Einer wie keiner“ vor allem dann, wenn Müller Phasen seiner Karriere einordnet, in denen es nicht nur nach oben ging. Gerade mit Ex-Trainer Thomas Tuchel war das Verhältnis eisig. So eisig, dass die Kameras Müller beim Gespräch mit Berater Ludwig Kögl begleiten. Angebote aus Saudi-Arabien seien eingetrudelt, denen er nachgehen könne, offeriert Kögl. „Finanzstark wären sie schon“, zaudert Müller, schließt einen Abschied in die Wüste aber aus, denn: „Die Euro ist dann definitiv weg.“

Quo vadis Thomas Müller? Ob der 35-Jährige seinen Vertrag beim FC Bayern noch einmal verlängert, ist unklar. (Bild: Prime Video)

Quo vadis Thomas Müller? Ob der 35-Jährige seinen Vertrag beim FC Bayern noch einmal verlängert, ist unklar. (Bild: Prime Video)

Dennoch ahnt man: Ein attraktives Angebot hätte die Ehe zwischen dem FCB und Müller in dieser Zeit wohl scheiden können. „In meinem Alter geht's nicht darum, auf Chancen zu lauern“, ärgert sich der Mittelfeldmann über die wenige Spielzeit unter Tuchel - nur, um mit Müller-typischen Humor nachzuschieben: „Wann ist die betreute Toilette wieder frei?“

Schwierige Zeiten mit wenigen Spielen machte Müller auch früher schon durch, unter Carlo Ancelotti und Niko Kovac. „Er war sicherlich verzweifelt in der Situation“, versetzt sich Manuel Neuer in seinen Mitspieler. Dann beendete Jogi Löw (“Muss mich für den Weg entschuldigen“) auch noch - vorübergehend - Müllers Zeit im DFB-Trikot. „Die Tür war zugesperrt und der Schlüssel weggeworfen“, beschreibt Müller die damalige Lage. Aber: „Die Beleidigt-sein-Phasen gibt es bei mir nicht.“ Er habe sich danach wieder aus dem Tief herausgekämpft, darin sei er „besser als die allermeisten im Geschäft“.

Thomas Müller daheim: Das versteht Mama Klaudia als ihren „Erziehungsauftrag“

Halt gibt Müller dabei auch seine Familie. Daheim in Pähl, im beschaulichen Oberbayern, wird Müller vom Weltstar zum Sohn. Tadelnd ermahnt in Mutter Klaudia beim Fleischpflanzerl-Essen am Familientisch, er solle nicht so gierig aus der Salatschüssel essen. Bei der Apfelernte schimpft sie, als Thomas einige der Früchte fallen lässt. Sie verstehe es als ihren „Erziehungsauftrag“, ihrem Sohn widerzuspiegeln, „dass er nicht der Allergrößte ist“.

Angesichts von Müllers großer Popularität fällt das nicht immer leicht. Ein normaler Alltag? Kaum denkbar. „Wegen meinem Gesicht“, könne er, der als Kind so gerne in den Bergen unterwegs gewesen sei, keine Wanderungen mehr machen. Zumindest nicht, ohne zügig von Fans umringt zu sein. „Lisa (Thomas Müllers Ehefrau, d.Red.) war letztes Mal im Basketball-Spiel ohne mich. Da hat sie leider feststellen müssen, dass es ihr richtig Spaß gemacht hat.“

Womöglich findet Müller demnächst mehr Muße für derlei Freizeitbeschäftigungen. Denn wie lange Thomas Müller noch die Stollenschuhe schnürt und Teil der aktiven Fußballwelt ist, lässt der Prime-Video-Film offen. Es gebe „keinen Ersatz für das Adrenalin im Stadion“, vermutet der Protagonist zwar in seiner Dokumentation. Sonst aber sei er durchaus in der Lage, sich seinen Tag zu strukturieren. Ein böses Wort über seinen FC Bayern verliert Müller in jedem Fall nicht - weder in der Doku, noch in der Öffentlichkeit. Wenig Spielzeit hin oder her. Eigentlich gute Voraussetzungen für das Amt des (Klub-)Außenministers. (tsch)