NRW-Innenminister Herbert Reul trägt die politische Verantwortung für den Polizeieinsatz in Lützerath. Wie beurteilt der CDU-Politiker den Verlauf der Räumung? Das sagt der Minister im Interview.
Reul zu Lützerath„Wenn Tunnel einstürzen, kommt vielleicht jede Hilfe zu spät“
Herr Reul, wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Einsatzverlauf?
Eine Bilanz kann und will ich heute gar nicht ziehen. Aber bislang läuft der Einsatz wie vorgesehen. Am Mittwoch sind viele Demonstranten aus dem bürgerlichen Lager friedlich abgezogen. Das hängt sicher auch mit der Regierungsbeteiligung der Grünen zusammen, die im Vorfeld gewalttätige Proteste verurteilt hatten. Der positive Einfluss, den die Grünen auf die Szene der Klimaschützer haben, macht den Einsatz sicherlich leichter. Wenn Gewalttäter nicht in der Schutzkulisse friedlicher Demonstranten abtauchen können, sind sie einfacher zu isolieren.
Muss die Polizei noch mit bösen Überraschungen rechnen?
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Überraschungen kann es immer geben. Die große Herausforderung ist die Räumung der besetzten Gebäude, in der sich radikale Klimaaktivisten und gewaltbereite Linksextremisten verschanzt hatten. Da mussten wir mit allem rechnen. Wichtig ist, dass die Einsatzkräfte bei der Räumung weiter mit größter Vorsicht vorgehen um jedes Risiko für Leib und Leben zu vermeiden.
Ist der Einsatz in Lützerath gefährlicher als der in Hambach?
In Hambach war die Räumung der Baumhäuser in großer Höhe eine besondere Herausforderung. Die Bergung der Besetzer aus den zum Teil äußerst wackeligen Konstruktionen bringt auch die Beamtinnen und Beamten in erhebliche Gefahr, zumal Wind und Regen die Lage zusätzlich erschweren. Es wurden auch Tunnel gegraben, in denen sich Personen aufhalten. Wenn solche Konstruktionen einstürzen sollten, kommt vielleicht jede Hilfe zu spät. Deswegen werden wir keine Aktion überstürzen und uns alle Zeit nehmen, die erforderlich ist, um diese Menschen dort sicher herauszuholen.
Die Deeskalationsstrategie des Polizeipräsidenten Weinspach, der ein Grüner ist, scheint aufzugehen. Hätte man nicht besser auch im Hambacher Forst so vorgehen sollen?
Moment mal. Beim Einsatz im Hambacher Forst stand doch schon derselbe Polizeipräsident an der Spitze der Behörde. Unsere Polizeieinsätze verlaufen jederzeit nach dem Prinzip, Eskalationen zu vermeiden, nicht nur in Lützerath. Gewalttaten müssen aber konsequent geahndet werden. In Hambach war die linksextreme Szene größer und trat massiver auf. Zudem war das Gelände viel unübersichtlicher und bot mehr Raum für Angriffe auf Polizeibeamte.
Beim Abtransport von Demonstranten nutzt die Polizei auch Fahrzeuge von RWE. Sind die eigenen Transporter nicht einsatztauglich?
Der Großeinsatz in Lützerath mit all seinen Besonderheiten ist für die Polizei kein Alltagsgeschäft, vor allem was die Umgebung und die Bodenstrukturen angeht. Deshalb unterstützen uns auch andere Länder und der Bund mit bestimmten Fähigkeiten. Die geländegängigen Transporter wurden bei RWE für den Einsatz gemietet – und das wird auch entsprechend berechnet und bezahlt!
Die Proteste richten sich auch gegen die Grünen. Sind die Grünen der Blitzableiter des schwarz-grünen Regierungsbündnisses?
Es ist für die Grünen sicher nicht leicht, die Räumung als Regierungspartei in NRW mitzuverantworten. Aber die ducken sich nicht weg. Stattdessen kommen Spitzengrüne aus Düsseldorf nach Lützerath und stellen sich der Diskussion mit den Demonstranten. Davor habe ich hohen Respekt.
Informieren Sie sich auch vor Ort über den Einsatzverlauf?
Ich werde laufend über die wichtigsten Ereignisse unterrichtet. Die Organisation eines Ministerbesuchs würde unnötig Kräfte binden, die an anderer Stelle fehlen würden. Der Einsatz würde nur unnötig gestört. Deswegen plane ich aktuell jedenfalls keinen Besuch vor Ort.
Geht das Kapitel der großen Klimaproteste im Revier mit der Räumung von Lützerath zu Ende?
Es gibt in NRW wohl keinen Ort mehr, von dem zumindest für die Klimabewegung eine ähnliche Symbolkraft ausgeht, wie von Lützerath. Dort konnten sich einige Extremisten sogar über Monate verschanzen und sich auf den Widerstand gegen die Polizei vorbereiten. Angriffe auf die Infrastruktur im Tagebau wie Bagger oder Transportbänder sind aber weiterhin nicht auszuschließen.