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Gefragt wie nieHeizungsinstallateure erleben den Boom in der Krise

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Das Zählwerk in einem Gaszähler dreht sich und zeigt den Verbrauch von Gas in einem Privathaushalt an.

  1. Heizungsinstallateure sind derzeit gefragt wie nie. Sie sollen in Millionen Haushalten Anlagen sparsamer machen oder gleich erneuern.
  2. Wie erleben sie den Boom in der Krise? Was erzählen ihnen Kunden?
  3. Im Heizungskeller mit einem Klempnerteam.

Die Männer in Blau tragen heute kurze Hosen. Draußen, auf den regennassen Straßen Kreuzbergs, ist es kühl. Unten, im Heizungskeller eines Berliner Gründerzeitbaus, ist es angenehm warm.

Es ist Freitag, kurz vor acht Uhr. Die Gas-Wasser-Installateure Stefan Bohn (56) und Marcel Ciechanowski (26) machen sich mit dem Auszubildenden Zadran Bakhtzaman (27) an einer Gasheizungsanlage zu schaffen. Sie versorgt drei Häuser, etwas mehr als 40 Wohnungen.

Der Heizkessel mit einer Brenner-Maximalleistung von 280 Kilowatt soll gewartet werden. Das heißt: Pumpen überprüfen, Filter wechseln, Wärmetauscher reinigen, Elektrode austauschen, den Kondensatsammler säubern, Geräteeinstellungen checken, Abgaswerte nach dem Anfahren messen.

Zadran, der vor sechs Jahren aus Afghanistan kam und im August seine IHK-Prüfung ablegt, entfernt die blaue Blechverkleidung. Die beiden Gesellen nehmen den Brenner und den Wärmetauscher in Augenschein. „Sieht tadellos aus“, meint Bohn. „Lasst uns loslegen.“

Boombranche mit Sorgen

Die drei sind die Männer der Stunde. Sie gehören zu einem Heer von Monteuren, das die deutsche Energiewelt besser machen soll. Die Klimarettung lastet vor allem auf seinen Schultern.

Es sind die knapp 400.000 Gas-Wasser-Installateure und die 37.000 Azubis, die uneffektive und schmutzige Heizungsanlagen lieber heute als morgen gegen saubere Technik wie etwa Wärmepumpen austauschen sollen. Die enorme Nachfrage macht das – fast – zur Mission impossible. Und nun kommt noch das Kräftemessen des Westens mit Wladimir Putin hinzu.

Der Kriegsherr aus dem Kreml kann Europa den Gashahn zudrehen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ruft die Bundesbürger deshalb seit Wochen zum Energiesparen und kürzerem Warmduschen auf, außerdem wäre die Optimierung ihrer Heizungsanlagen sinnvoll. Auch das sollen Bohn und seine Kollegen richten. „Langweilig wird es uns jedenfalls nicht“, fasst der Fachmann die Lage zusammen.

In Zahlen sieht die in etwa so aus: 2021 wurden laut Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie 653.000 private Gasheizungen neu installiert. Zum Vergleich: Die Zahl der neuen Pelletheizungen ist um 51 Prozent auf 53.000 Stück gestiegen. Die Zahl der Wärmepumpen wuchs um 28 Prozent auf 154.000. Ihr Anteil an den neuen Heizungen lag jedoch nur bei 8 (Biomasse) beziehungsweise 17 Prozent (Wärmepumpen).

Utopischen Vorstellungen der Politiker

Die Lage der Branche ist, vorsichtig ausgedrückt, angespannt. Sie erwirtschaftete im vergangenen Jahr zwar einen Umsatz von 52,8 Milliarden Euro. Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima meldete zuletzt aber bundesweit 68.000 offene Stellen. Bohns Chef in der Sanitär- und Heizungsfirma „Leuthäuser & Scharfe“ berichtet von gegenseitigem Abwerben guter Leute wegen des schon länger grassierenden Fachkräftemangels, das mitunter für schlechtes Klima sorgt.

„Und dann noch die utopischen Vorstellungen der Politiker“, sagt Ralf Leuthäuser im Firmenbüro und verdreht die Augen. „Selbst wenn unsere Firmen keine verstopften Klos mehr reparieren oder Bäder bauen würden – es reicht hinten und vorn nicht.“ Personell und materialseitig.

Drei Viertel der deutschen Haushalte heizen entweder mit Gas oder mit Öl. Statista ermittelte für 2020: rund 6,8 Millionen Gasheizungen waren in Betrieb. Und Berlin ist mit 250 000 Anlagen die Hauptstadt der Gasetagenheizung, sagt Andreas Koch-Martin, Geschäftsführer der Innung Sanitär, Heizung, Klempner, Klima Berlin. Er fordert: „Jetzt nicht träumen, sondern das Machbare umsetzen!“

Verbraucher müssen ihren Teil erfüllen

Wärmepumpen etwa sind derzeit kaum verfügbar, die Industrie kann nicht genug liefern. Koch-Martin empfiehlt deshalb, jetzt vorhandene Anlagen zu warten und zu optimieren. Er rechnet vor: „Wenn ein hydraulischer Abgleich möglich ist, kann man den Verbrauch von Heizungen um zehn bis 15 Prozent drosseln, jeder Grad weniger Raumtemperatur bringt zusätzliche 6 Prozent Einsparung. Sollten dann die Gasspeicher zu 75 Prozent gefüllt sein, kommen wir ohne zu frieren über den Winter.“

Das bedeutet jedoch auch, dass Verbraucher ihren Teil Verantwortung erfüllen müssten. Viele haben die Wartungen schleifen lassen, so Firmenchef Leuthäuser. Oder die Anlagen laufen im Sommer auf Wintermodus. „Wir können technisch eine Menge einstellen, um den Verbrauch zu optimieren. Die Nutzer müssen aber mitmachen. Sonst bringt das alles nichts.“

Über die zumeist von Politikern in die Welt gesetzten Ideen von begrenzten Warmwasserzeiten zum Duschen oder stundenweisem Gas-Stop können Leuthäusers Monteure nur den Kopf schütteln. Das eine ginge schon aus hygienischer Sicht nicht, weil die Gefahr sich ausbreitender Bakterien wächst. Und unregelmäßige Gaszufuhr würde massive Störungen der automatisierten Geräte auslösen.

Seelenklempner der Nation

Die Kunden reagieren verwirrt auf solche Vorschläge, berichtet Marcel Ciechanowski. Er befreit das Innenleben des Wärmetauschers gerade mit einer dünnen Drahtbürste vorsichtig von Kalk und anderen Rückständen „Vor allem ältere Menschen mit wenig Geld haben nackte Angst davor, dass ihnen die Heizkosten über den Kopf wachsen. Manche haben sogar Tränen in den Augen“, berichtet der 26-Jährige.

Und diejenigen, die sich die hohen Kosten noch leisten könnten, würden auf die Regierung schimpfen, die sie zu lange in Sicherheit gewiegt hätte und der man nichts mehr glauben könne. „Ich kann die Leute total verstehen.“

Die Monteure werden, wenn sie gerade nicht selbst angegriffen werden, weil sie angeblich in der Vergangenheit Wartungen zu lax durchgeführt hätten, zu Seelenklempnern einer aufgeheizten Nation. Monteur Bohn erzählt, warum er seinen Job, den er nun schon 40 Jahre macht, mag. „Wenn man im Winter Leuten helfen kann, die schon zwei Tage wegen defekter Heizung in ihrer Wohnung gebibbert haben, dann ist das ein Supergefühl. Die Menschen strahlen. Mich macht das happy.“

Er holt eine neue Elektrode aus der Verpackung, um sie gegen die alte am Brenner auszutauschen. Nachdenklich meint er, heute sei alles schneller geworden, man brauche mehr Equipment als Schraubenzieher und Wischlappen wie früher. „Aber das ist nichts gegen die massiven Sorgen der Kunden. Was man täglich hört, nimmt so ziemlich jeden von uns mit.“Er selbst sei ja auch verunsichert, gibt er zu. „Wenn die oben schon im Sommer sagen, wir sollten Gas sparen, das ist kein gutes Zeichen. In der Regel ist es doch so: Wenn's erst kommt, dann kommt's dicke.“ Murphys Gesetz, ruft Ciechanowski von hinten, „ich selbst frage mich auch, was ist, wenn das Gas nicht reicht?“

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Fachleute wie die drei hier unten im Keller sind, was viele vergessen, im Privatleben selbst Kunden, die hohe Energierechnungen erwarten. Manche Firmen suchen deshalb wie die von Bohn und Ciechanowski nach Wegen, wie sie ihren Leuten bei der Bewältigung der Inflation helfen können. Ralf Leuthäuser, dessen23-jähriger Sohn Timo die Firma einmal übernehmen soll, sagt: „Wir sitzen doch alle in einem Boot.“ Ist das so?

Die Politik steckt ehrgeizige Ziele. Ab 2025 sollen nur noch neue Heizungen mit 65 Prozent Ökoanteil zulässig sein. Rein technisch sind dann praktisch nur noch Wärmepumpen möglich, meinen Experten. „Unmöglich“, legt sich Leuthäuser fest. „Hier wird den Leuten heile Welt vorgegaukelt, viele werden die nötigen Investitionen nicht so einfach stemmen können.“

Außerdem seien Altbauten und eng bebaute Viertel wie in Berlin ein Problem – schon allein wegen der Anlagengeräusche. Dritte Schwierigkeit: Der Zentralverband hat ausgerechnet, dass für Habecks Ziel, bis 2030 sechs Millionen Wärmepumpen zu installieren, jährlich 60 000 Monteure fehlen.

Zwischen Baum und Borke

Derweil kann in Mehrfamilienhäusern die Solidarität der Nachbarn auch schnell bröckeln, wenn sich Wohnungseigentümer oder Mieter auf eine Außentemperatur einigen sollen, bei der der gemeinsame Heizkessel anspringen soll. Schattigere Wohnungen unten kühlen an Tagen mit Temperaturen unter 20 Grade Celsius schneller aus als weiter oben gelegene. Stefan Bohn kennt solche Beispiele inzwischen zur Genüge – der eine will jetzt sparen, die andere aber nicht frieren. „Da geraten wir zwischen Baum und Borke.“

Am Kessel im Kreuzberger Heizungskessel sitzt inzwischen wieder alles, wo es sein soll. Azubi Zadran Bakhtzaman packt Werkzeuge und Materialien zusammen. Bohn bringt die Anlage ans Netz – Strom für Steuerung und Zündelektrode, Gas für die Wärme. Die Abgasmessung ist in Ordnung.

Marcel Ciechanowski bringt die blaue Verkleidung an und wischt mit einem Lappen alles blitzsauber. Er klopft auf Blech: „Das Schätzchen hier ist für den Winter bereit. Ich hoffe, unsere Politiker auch.“

Ungefähr zur selben Zeit, es ist Freitag kurz vor Mittag, beschließt der Bundesrat mit dem sogenannten Osterpaket die größte energiepolitische Novelle seit Jahrzehnten in Deutschland. Robert Habeck ist nicht zum Feiern zumute. „Es geht darum“, sagt er, „alles zu tun, um auch im kommenden Winter die grundlegende Versorgung aufrechtzuerhalten und die Energiemärkte so lange es geht am Laufen zu halten, trotz hoher Preise und wachsender Risiken.“