Mit nur 27 Euro ist der Wert des Doms im jährlichen Finanzbericht des Erzbistums ausgewiesen. Wie kommt es zu der Summe?
Verkauf verbotenWas ein Neubau des Kölner Doms kosten würde
Ein Kranz mit Kölsch, ordentlich Trinkgeld dazu, und der Dom gehört Ihnen. Könnte man denken, wenn man nachsieht, mit welchem Wert der Dom in den jährlichen Finanzbericht des Erzbistums Köln eingeht: 27 Euro. Dabei handelt es sich um den „Buchwert“, mit dem ein Wirtschaftsgut in der Bilanz etwa eines Unternehmens ausgewiesen ist. Im konkreten Fall ist das natürlich eine symbolische Größe: 26 Euro für jede Parzelle, auf der der Dom steht – und ein weiterer Euro für den Dom als gesamtes Gebäude.
Der Gedanke dahinter ist klar: Der Dom lässt sich schlechterdings nicht zu Geld machen und taucht daher in der Bilanz lediglich als Merkposten auf. Übrigens gilt die Unveräußerlichkeit nicht nur für den Dom, sondern auch für seine Kunstwerke. Der Verkauf von Kirchenschätzen ist generell verboten.
Aber einmal rein hypothetisch: Was wäre der Kölner Dom als Gebäude wert?
Die Experten strecken hier nach längerem Überlegen die Waffen. Man könnte sich versuchsweise an den mutmaßlichen Baukosten orientieren: Welche Summen müsste man aufwenden, wenn man den Dom heute komplett neu bauen wollte? Erstes Problem für die Berechnung: Bekäme man – in bester Kölner Citylage – überhaupt den erforderlichen Baugrund? Wenn ja, wie würden die Eigentümer sich ihn bezahlen lassen? Und wie stünde es im nächsten Schritt mit der Baugenehmigung?
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Fast 40 Jahre dauerte es im 19. Jahrhundert, den 1248 begonnenen, etwa zur Hälfte errichteten Bau zu vollenden. Auch unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts dürfte ein Projekt dieser Größenordnung nur unwesentlich schneller voranzutreiben sein, sagt Ex-Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner. Gesamtbauzeit also: vermutlich nicht viel weniger als 80 Jahre (hier können Sie einen Blick auf ein detailgetreues 3D-Modell des Kölner Doms werfen).
Aber dann wird es auch gleich wieder kompliziert: Würden bei einem Neubau alle Stücke traditionell angefertigt und gestaltet – wie im Mittelalter und im 19. Jahrhundert: jedes Kapitell, jede Fiale, jeder Strebebogen und jede Verzierung in Handarbeit? Oder kämen normierte Werkstücke zum Einsatz, die man in Serie fräsen lassen könnte? Matthias Deml, Sprecher der Dombauhütte, nennt ein extremes Beispiel: Per Hand könne die Erstellung eines einzigen Baldachins – und davon gibt es weit mehr als 1000 am Dom - oder einer Skulptur mehrere Monate, wenn nicht deutlich mehr als ein Jahr Arbeitszeit beanspruchen.
Kölner Dom wiegt schätzungsweise 300.000 Tonnen
500 Bauleute waren im 19. Jahrhundert am Dom tätig. Trotz fortgeschrittener Technik würde man auch heute wohl eine ähnlich große Zahl benötigen, dazu Gerüste, Kräne und einen umfangreichen weiteren Maschinenpark. Einen Star-Architekten oder eine Star-Architektin könnte man sich sparen: Die mittelalterlichen Bauzeichnungen geben eine sehr genaue Vorstellung davon, wie der Dom auszusehen hat. Aber Statik, Bauingenieursleistungen und viele, viele andere Gewerke müssten beauftragt und bezahlt werden.
300 000 Tonnen wiegt der Dom nach Schätzungen der Dombauhütte – inklusive Fundament. Dieses reicht unter den Türmen sagenhafte 16 Meter tief. Heute würde man es mutmaßlich nicht so übervorsichtig dimensionieren und aus anderem Material als aus Naturstein fertigen. Die Kosten für eine Tonne qualitätvollen Sandsteins, den wesentlichen Baustoff des Doms, liegen nach Demls Angaben bei etwa 2000 Euro.
Kölner Dom: Was kostet der Unterhalt des Bauwerks?
Die „Kulturstiftung Kölner Dom“ beziffert die jährlichen Kosten des Doms mit zwölf Millionen Euro. Das heißt: Jeden Tag braucht der Dom 33.000 Euro – für den laufenden Unterhalt, Personal- und Nebenkosten (ohne Priestergehälter), Bau- und Restaurierungsmaßnahmen.
Die Dombauhütte hat mit rund 100 Beschäftigten einen jährlichen Personalkostenbedarf von 5,8 Millionen Euro. Für die rund 70 Mitarbeitenden im Bereich der Domkirchenfabrik veranschlagt das Erzbistum 2,8 Millionen Euro. Dazu kämen Unmengen an Bauholz zur Abstützung der Fundamentgruben und für die Gerüste, weiterhin Blei, Eisen, Glas, Mörtel und vieles mehr, erklärt Deml.
„Ferner müsste man zum Beispiel auch die Transportkosten für die Baumaterialien sowie für den Abtransport und die die Entsorgung des Abraums einrechnen.“ Würden sodann alle für einen Neubau in unserer Zeit vorgeschriebenen Maßnahmen zur Sicherheit und zum Brandschutz berücksichtigt, oder würde man auch hier genauso bauen wollen wie im Mittelalter? In diesem Fall freilich, sagt Deml einschränkend, „würde die Baustelle wohl sehr bald stillgelegt“.
Wie viel würde der Bau eines zweiten Kölner Doms kosten?
Die nächste offene Frage: Errichtet man den zweiten Dom als reinen Rohbau oder inklusive Ausstattung? Schon die Kosten für eine Kopie des Dreikönigenschreins lassen sich kaum beziffern. „Außerdem müsste man dann noch die Honorare für die beauftragten Künstlerinnen und Künstler veranschlagen“, gibt Deml zu bedenken, wenn diese nicht wie Gerhard Richter beim Südquerhausfenster darauf verzichteten.
Überhaupt die Fenster: Verwendet man modernes Fabrikglas oder mundgeblasenes und gewalztes Kathedralglas? Wie immer man all diese Fragen beantwortet: Ein Dombau 2.0 wäre ein Milliardenprojekt. 16 Jahre dauerte die Errichtung der Hamburger Elbphilharmonie, des wohl größten und prestigeträchtigsten Kulturtempels unserer Tage. Die Kosten beliefen sich am Ende auf 866 Millionen Euro.
Für den Dom in Köln müsste man ganz sicher ein Vielfaches ansetzen. Bleibt am Ende alle Spekulation die sichere Erkenntnis, die auch schon aus den 27 Euro Buchwert spricht: Der Dom ist unbezahlbar.
Hat der Kölner Dom eine Anschrift?
Wie es sich für eine rechtschaffene deutsche Immobilie gehört, hat der Dom eine eigene Adresse: Domkloster 4. Für Briefträger und andere Interessierte ist das Schild mit der Hausnummer gut sichtbar an der rechten Seite der Westfassade montiert. Vor Jahren ging unter dieser illustren Anschrift, die auch den Namen für den offiziellen Souvenirshop des Doms auf dem Roncalliplatz abgibt, Post ein: Eine bekannte Wochenzeitschrift wollte einen gewissen Konrad von Hochstaden als neuen Abonnenten gewinnen.
Tatsächlich ist von Hochstaden im Dom ansässig, und das sogar überaus beständig: Nach seinem Tod 1261 wurde der Kölner Erzbischof, der 1248 den Grundstein für den Dom gelegt hatte, in seiner Kirche beigesetzt. Sein imposantes Hochgrab ist dort noch heute zu besichtigen.
Bestimmt würden Herrn von Hochstaden die Inhalte des Magazins sehr interessiert haben, das ihm die Postwurfsendung schmackhaft machen wollte, schrieb der damalige Dompropst Bernard Henrich an den Verlag. Doch leider sei es unmöglich, ihm die Zeitschrift allwöchentlich durch die Ritzen seines Sarkophags zu schieben.
Wem gehört eigentlich der Kölner Dom?
Erkennbar kommt Konrad von Hochstaden weder als Zeitschriften-Abonnent in Frage noch als Mieter oder Eigentümer des Doms. Aber wem gehört er dann? Vielleicht dem jeweiligen Erzbischof, dessen Kathedrale – die Bischofskirche mit seinem Bischofssitz, der Kathedra – der Dom ist? Oder dem Domkapitel, der für den Dom und die Domgottesdienste zuständigen Geistlichkeit?
Weder noch. Die so einfache wie scheinbar paradoxe Antwort auf die Frage nach den Eigentumsverhältnissen lautet: Der Dom gehört – sich selbst. Als Eigentümerin ist seit 1931 per Eintragung des Amtsgerichts Köln die „Hohe Domkirche“ verzeichnet. Zwischen den Zeilen zweier Aufsätze von 1931 und 1948 rühmt sich der Kölner Oberlandesgerichtsrat Gottfried Rey der geistigen Urheberschaft für dieses Konstrukt.
Es könne am Dom überhaupt kein privatrechtliches Eigentum geben, argumentiert Rey und verweist auf den fortgeltenden napoleonischen „Code civil“, wonach der Dom zur „Domaine public“ gehöre und daher „eine außerhalb des privaten Rechtsverkehrs stehende unveräußerliche und unersitzbare Sache“ sei.
Eigentumsrecht liegt bei der Hohen Domkirche
Etwaige Ansprüche des Staates oder auch der Kirche auf den Dom werden damit ein für alle Mal abgewehrt, wie der frühere Dompropst Norbert Feldhoff im „Domblatt“ von 2009 nicht ohne eine gewisse Genugtuung feststellt. Der Erzbischof sei zwar nicht bloß, wie gelegentlich gerne behauptet werde, Gast in seiner eigenen Kathedrale, sondern durchaus Hausherr in einem höheren Sinn. Doch das Eigentumsrecht liegt bei der Hohen Domkirche als eigenständiger Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Diese Vorstellung von einer Kirche als juristische Person geht zurück auf die Bulle „De salute animarum“, mit der Papst Pius VII. (1742 bis 1823) nach dem Ende der napoleonischen Ära das Erzbistum Köln wiedererrichtete. Rechtlich vertreten wird die Hohe Domkirche durch das Domkapitel, das hier so ähnlich agiert wie der Kirchenvorstand in einer Pfarrgemeinde.