Die Diskussionen über das Klaasohm-Fest auf Borkum zeigen, dass Gewalt gegen Frauen in Deutschland viel zu oft verharmlost wird.
Umstrittenes Klaasohm-Fest auf BorkumPrügeln ist keine Tradition
Kennen Sie die mächtigste aller Zauberformeln? Nein, es ist nicht „Abrakadabra“, auch nicht „Hex hex“ oder „Expelliarmus“. Viel mächtiger ist das Wörtchen „Tradition“, gerne gefolgt von „Das haben wir schon immer so gemacht“. Das war in dieser Woche wieder einmal eindrücklich zu bestaunen, als bekannt wurde, dass auf der Insel Borkum der Brauch des Klaasohm unter anderem dadurch gefeiert wird, dass junge, verkleidete Männer Frauen über die Insel jagen und mit Kuhhörnern schlagen.
Eine NDR-Recherche hatte die gewalttätige Praktik aufgedeckt, die Borkumer sahen sich teils heftiger Kritik ausgesetzt. Und doch wurden Stimmen laut, die mit einem reflexhaft hervorgebrachten „Aber es ist doch Tradition“ alle Argumente abwehren wollten. Übrigens schlossen sich auch einige Borkumerinnen diesen Reden an, was beweist, wie tief patriarchale Strukturen und die daraus resultierende Misogynie in den Köpfen verankert sind.
Traditionen sind wichtig und identitätsstiftend, im besten Fall erschaffen sie ein Gemeinschaftsgefühl. Aber Gewalt befördert nie Zusammenhalt. Und wer sagt, das seien doch nur mehr oder minder symbolische Schläge, sollte wissen, dass erstens Betroffene von großflächigen Hämatomen nach diesen Übergriffen berichteten und zweitens auch nur die Andeutung von Schlägen ein fatales Signal ist.
Gewalt gegen Frauen ist ein großes Problem in Deutschland. 2023 stiegen im Vergleich zum Vorjahr die registrierten Sexualstraftaten um 6,2 Prozent und Fälle häuslicher Gewalt um 5,6 Prozent. 360 Frauen und Mädchen in Deutschland wurden wegen ihres Geschlechts getötet, das ist fast ein Femizid am Tag. Und deshalb ist es wichtig, Gewalt gegen Frauen in jeder Ausprägung zu ächten.
Am Donnerstag wurde auf Borkum wieder Klaasohm gefeiert. Der Verein der sogenannten Borkumer Jungens, der es ausrichtet, hatte nach der breiten Kritik angekündigt, in Zukunft auf die Tradition des Schlagens zu verzichten: „Wir als Gemeinschaft haben uns klar dazu entschieden, diesen Aspekt der Tradition hinter uns zu lassen und den Fokus weiter auf das zu legen, was das Fest wirklich ausmacht: den Zusammenhalt der Insulanerinnen und Insulaner.“ Tatsächlich blieb offenbar alles friedlich, wie die Polizei bekanntgab. Und ein Fest, auf dem alle ihren Spaß haben, darf gern zur Tradition werden.