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Dax-Rekord 20.000 PunkteWarum deutsche Aktien trotz Rezession boomen

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Blick auf die Anzeigetafel im Handelssaal der Börse. Der Dax hat am Dienstag, 3. Dezember, die Marke von 20.000 Punkten erstmals kurzzeitig überschritten und damit ein neues Allzeithoch markiert.

Blick auf die Anzeigetafel im Handelssaal der Frankfurter Börse. Der Dax hat am Dienstag, 3. Dezember, die Marke von 20.000 Punkten erstmals kurzzeitig überschritten und damit ein neues Allzeithoch markiert.

Inmitten globaler Krisen erobert der Dax die Rekordmarke von 20.000 Punkten, auch Bitcoin und Gold sind begehrt. Wie passt die Euphorie mit schwacher Wirtschaft und trüber Stimmung in Deutschland zusammen?

Rekorde und kein Ende: Die Aussicht auf sinkende Zinsen und Rückenwind von den US-Börsen nach dem Wahlsieg von Donald Trump haben den Dax erstmals über die Marke von 20.000 Punkten getrieben. Während die deutsche Wirtschaft in der Krise steckt, jubeln Anleger. Auch der Goldpreis und die Kryptowährung Bitcoin notieren nah an ihren Höchstständen. Was sind die Gründe für die Börseneuphorie? Und wie sind die Aussichten?

Warum steigen die deutschen Aktien trotz Rezession?

Zwar steht die deutsche Wirtschaft am Rande der Rezession. Doch die 40 Dax-Konzerne machen weite Teile ihrer Geschäfte im Ausland, wo die Wirtschaft stärker wächst als im Heimatmarkt - zum Beispiel in den USA und in China, aber auch in Eurostaaten wie Frankreich und Spanien. Während die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung der Bundesregierung dieses Jahr leicht schrumpfen dürfte, ist die Konjunktur in den USA robust.

„Die Entwicklung bestätigt die alte Erfahrung, dass Aktienmärkte im Trend weiter ansteigen, solange die Weltwirtschaft wächst. Aktien bieten außerdem einen guten Inflationsschutz“, sagte Ulrich Kater, der Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Deka am Dienstag im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ein großer Teil der Aktienentwicklung entstamme dem Ausgleich der hohen Preis- und Kostensteigerungen aus den vergangenen Jahren. Für die Marktteilnehmer seien solche „runden Jubiläen“ weit weniger spektakulär als für viele Beobachter.

„Auf den ersten Blick ist es paradox, dass der Dax in immer weitere Höhen klettert, während die deutsche Wirtschaft am Boden liegt. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass der Dax von einem nicht kleinen Anteil sehr erfolgreicher deutscher Unternehmen getragen wird“, so Kater. Diese Unternehmen der Technologie-, Elektronik-, Konsum- und Finanzsparten hätten Teil am weltweit kräftigen Wirtschaftswachstum und sind kaum abhängig von der lahmenden deutschen Konjunktur.

„Dieses Wachstum der Weltwirtschaft wird sich trotz geopolitischer Spannungen fortsetzen. In vielen bevölkerungsreichen Schwellenländern entwickelt sich die Wirtschaft sehr dynamisch“, sagt Kater weiter. Weiterhin entstünden dadurch kaufkräftige Mittelschichten, die die weltweite Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen ankurbeln. „Die deutschen Problembranchen, insbesondere die Automobilindustrie, haben nur noch einen sehr geringen Prozentanteil am Dax“, sagt der Chefvolkswirt.

Für wen läuft es gut, für wen nicht?

Auch wenn es zuletzt reihenweise Hiobsbotschaften aus der Autoindustrie gab: Für einige Dax-Konzerne läuft es rund. Versicherer wie die Allianz und Munich Re fahren Rekordgewinne ein, ebenso der Industriekonzern Siemens. Banken profitieren von gestiegenen Zinsen und die Aktie des wertvollsten Dax-Konzerns SAP hat ein Rekordhoch erreicht. Ohnehin richten sich die Blicke von Aktienanlegern oft nicht auf die aktuelle Lage, sondern auf künftige Gewinne.

Wie läuft das Börsenjahr für die Konzerne der Region?

Bayer- und Post-Aktien legten leicht unter einem Prozent zu. Die größten Sprünge der NRW-Papiere machten am Dienstag der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall und Henkel mit einem Plus von 0,5 Prozent. Insgesamt hat aber die Nachricht vom Knacken der 20.000-Punkte-Marke keinen nennenswerten Einfluss auf Aktien aus NRW, die meisten Papiere bewegten sich bis zum späten Nachmittag seitwärts, darunter Qiagen, Telekom und Deutsche Post.

„Optisch mag das erreichte Kursniveau hoch anmuten. Gleichwohl ist der Dax auf dem aktuellen Niveau keineswegs hoch bewertet, geschweige denn teuer“, sagte Heiko Zülch, Kapitalmarktanalyst im Research der Kreissparkasse Köln.

Kommt es nun zur berühmten Jahresend-Rallye?

In den letzten Wochen eines Jahres hoffen Anleger an den Börsen stets auf einen versöhnlichen Jahresausklang in Form einer Jahresendrally. Für das Börsenjahr 2024 steht im Dax schon ein Gewinn von knapp 20 Prozent zu Buche. Innerhalb nur eines Jahres ist der Leitindex um rund 3.000 Zähler gestiegen - erst im September hatte er die Marke von 19.000 Punkten geknackt. Die starke Jahresbilanz dürfte weitere Käufer anlocken, meinen Börsianer. Denn es gelte, „den fahrenden Zug nicht gänzlich zu verpassen“. Steigende Kurse zum Jahresausklang sind typisch: An der Börse spricht man von der „Jahresendrally“.

Positive Impulse gab es zuletzt auch von soliden Konjunkturdaten aus China. Händler verwiesen zudem auf den Haushaltsstreit in Frankreich und politische Unsicherheit in Paris. Investoren könnten daher Anlagen nach Deutschland umschichten.

Welche Auswirkungen haben die Zinsen auf die Märkte?

Investoren setzen vor allem darauf, dass die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen weiter senken. In der Eurozone ebbt die Inflation ab, während die Sorgen um die schwache Wirtschaft wachsen. Unter Ökonomen gelten Zinssenkungen der EZB bei ihrem nächsten Entscheid am 12. Dezember als ausgemacht - und auch im nächsten Jahr.

Für Aktienanleger sind Aussichten auf sinkende Zinsen positiv: Aktien werden dann gegenüber festverzinslichen Papieren attraktiver. Kredite werden günstiger, Unternehmen können sich so leichter finanzieren, Investitionen werden erschwinglicher. (mit dpa)