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GehsteigbelästigungStaatsrechtler Augsberg kritisiert „Aktionismus“

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Das Foto zeigt einen sieben Wochen alten Fötus in einer Fruchtblase.

Das Foto zeigt einen sieben Wochen alten Fötus in einer Fruchtblase.

Mit einer Bannmeile um Frauenarztpraxen und Beratungsstellen sollen Schwangere besser vor aggressiven Abtreibungsgegnern geschützt werden.

Mit einer Art Bannmeile um Frauenarztpraxen und Beratungsstellen sollen Schwangere besser vor sogenannten Gehsteigbelästigungen durch Abtreibungsgegner geschützt werden. Eine entsprechende Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hat der Bundestag mit der Mehrheit von SPD, Grünen und FDP am Freitag beschlossen.

Das Gesetz sieht vor, dass aggressive Protestaktionen von „Lebensschützern“ innerhalb einer Schutzzone von 100 Metern künftig als Ordnungswidrigkeit mit bis zu 5000 Euro Bußgeld geahndet werden können. Untersagt ist es, den Zugang zu Praxen oder Beratungsstellen absichtlich zu erschweren, einer Schwangeren die eigene Meinung aufzudrängen, sie erheblich unter Druck zu setzen oder sie mit verstörenden Inhalten zu konfrontieren. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) nannte solche Belästigungen unzumutbar. In einer ohnehin schwierigen Situation dürften Schwangere nicht auch noch eingeschüchtert werden.

Caritas-Präsidentin: Schwangere brauchen keinen Spießrutenlauf

Die Caritas und die katholischen Frauenverbände KDFB und SkF begrüßten das Gesetz. „Eine ungewollt schwangere Frau, die weder ein noch aus weiß, braucht ein offenes Ohr und eine ausgestreckte Hand, keinen Spießrutenlauf“, sagte Caritas-Präsidentin Eva M. Welskop-Deffaa. KDFB-Vizepräsidentin Monika Arzberger verurteilte die Aktionen von Abtreibungsgegnern, die zusätzlichen Druck auf Frauen, Beraterinnen und Ärzte ausübten. Frauen sollten eine selbstbestimmte Entscheidung treffen können, „die für sie richtig und verantwortbar ist.“

Dagegen sprach der Gießener Staatsrechtler Steffen Augsberg von „Aktionismus“. Belästigungen von Schwangeren seien inakzeptabel, hätten aber mit bereits vorhandenen Mitteln geahndet werden können. „Wir haben hier allenfalls ein Vollzugsdefizit“, sagte Augsberg dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Staatsrechtler Augsberg kritisiert Beschränkung der Meinungsfreiheit

Der Jurist macht eine „überschießende Tendenz“ der Gesetzesnovelle aus. Der Bundestag habe sich mit einem Problem befasst, das sich in der täglichen Praxis nur selten stelle. „Die Ampel wollte offenbar zeigen, dass sie noch handlungsfähig ist und sich auch mal auf etwas einigen kann.“ Das Ansinnen sei „menschlich verständlich, es wird hier jedoch zu sehr auf ein subjektives Empfinden abgestellt. Es mag sein, dass die sogenannten Lebensschützer das Interesse verfolgen, schwangeren Frauen ein schlechtes Gewissen zu machen und auf dem Weg in eine Abtreibungspraxis Schuldgefühle oder Scham auszulösen. Aber soll das wirklich verboten sein?“

Auch Abtreibungsgegner hätten das Recht, ihre Meinung kundzutun, unterstrich Augsberg, der bis April Mitglied des Deutschen Ethikrats war. „Der Sinn der Meinungsfreiheit ist, dass sie sogar weithin unverständliche Ansichten schützt. Wenn wir die Grenzen so eng ziehen, dass alles unzulässig ist, was andere als Zumutung und subjektiv unangenehm empfinden, bleibt davon nicht mehr allzu viel übrig.“ Überdies sei die Neuregelung im Schwangerschaftskonfliktgesetz falsch angesiedelt. „Das Polizei- sowie das Straßen- und Wegerecht sind Ländersache“, betonte Augsberg.

Auch die Union kritisierte das Gesetz. Die CDU-Abgeordnete Bettina Wiesmann bezeichnete eine Bannmeile als unverhältnismäßig.