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Ermittlungen zur Mocro-MafiaBonner Polizeikommissar unter Verdacht: Ist er in den Drogenkrieg verwickelt?

Lesezeit 5 Minuten
Polizeiautos begleiten eine Demo in Bonn.

Ein niederländisches Kriminellennetzwerk und Kölner Drogenhändler bekriegen sich. Nun steht auch ein Polizeibeamter aus Bonn im Verdacht, mitgemischt zu haben. (Symbolbild)

In der gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Kriminellen aus den Niederlanden und in der Region gibt es neue Ermittlungsergebnisse. Was bisher bekannt ist.

In dem brutalen Drogenkrieg zwischen einem niederländischen Netzwerk und Rauschgifthändlern aus Köln-Kalk ist auch ein Polizeibeamter aus Bonn unter Verdacht geraten. „Gegen den Tatverdächtigen wird wegen Strafvereitelung im Amt, der Bestechlichkeit und dem Verrat von Dienstgeheimnissen ermittelt“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage. Vor dem Hintergrund hat Bonns Polizeipräsident Frank Hoever den 25-jährigen Polizeikommissar am 8. August mit sofortiger Wirkung von allen Dienstgeschäften entbunden.

„Die Vorwürfe wiegen außerordentlich schwer“, sagte Polizeisprecher Frank Piontek. Diese schädigten die Integrität der Polizeiarbeit in besonderem Maße „und untergraben das Vertrauen in die Polizei. Dem ist konsequent entgegen zu treten. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich vollumfänglich auf ihre Polizei verlassen können“.

Ulrich Bremer, Oberstaatsanwalt in Köln spricht auf einer Pressekonferenz.

Bestechlichkeit und Verrat von Dienstgeheimnissen wird dem beschuldigten Beamten aus Bonn laut Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer vorgeworfen.

Auf die Spur des Kommissars gerieten die Strafverfolger durch abgehörte Telefonate. Den Gesprächen zufolge prahlte ein Drogenlogistiker damit, dass ein befreundeter Polizist mit ihm ein Video aufgenommen habe. In dem Clip soll der deutsch-algerische Dealer Aymen G. demnach enthüllt haben, welche Personen an dem Bandenkrieg beteiligt sind. Die Aufnahme diente dem Rauschgifthändler offenbar als Rückversicherung, sollte ihm oder seiner Familie etwas zustoßen. Von einem Kopfgeld soll die Rede gewesen sein. Sollte etwas in seine Richtung laufen, ließ G. wohl einen Gesprächspartner wissen, würde das Video direkt an die Polizei gehen. Wenn ihm oder seiner Familie etwas zustoßen sollte, habe er kein Problem, die wahren Täter anzuschwärzen.

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Abfragen zu Drogendealern im Polizeicomputer

Weiter soll G. bekundet haben, das Video stamme von seinem Bekannten bei der Polizei. Die abgehörten Telefonate sollen den Ermittlungen zufolge einen freundschaftlichen Umgang zwischen dem Polizisten und dem Drogenhändler nahelegen.

Der Verdacht steht im Raum, dass der beschuldigte Polizeikommissar über brisante Informationen zu den Hintergründen des Drogenkrieges verfügte, ohne die zuständigen Ermittler ins Bild zu setzen. Am 6. Juli durchsuchten Einsatzkräfte die Arbeitsstätte und Privaträume des Beamten. Wie zu erfahren war, wurde das Video bisher nicht gefunden, allerdings laufen die Ermittlungen weiter. Die Handydatenauswertung bei dem Beamten führte zu den weiteren Strafvorwürfen. Auch soll er Abfragen zu Drogendealern im Polizeicomputer getätigt haben, die in dem großen Mocro-Komplex eine Rolle spielen.

Zu sehen ist ein Doppelfenster mit zerborstenen Scheiben. Dahinter zeigt sich die weitere Wohnbebauung.

Am Montag (12.8.) kam es in Köln-Zündorf wieder zu einer Explosion. Von der Machart her ähnelte die Bombe den Modellen, die auch die so genannte Mocro-Drogenmafia in den Niederlanden benutzt.

In der Kölner Rauschgiftszene fürchtet man Repressalien. Seit Ende Juni machen Sprengstoffanschläge in der Kölner Keupstraße, im Stadtteil Buchheim, in Engelskirchen oder Duisburg Schlagzeilen. Erst am vergangenen Montag explodierte erneut ein selbst gebasteltes Laborat in Köln-Zündorf. Von der Machart her ähnelte die Bombe jenen Modellen, die auch die so genannte Mocro-Drogenmafia in den Niederlanden benutzt.

In Solingen sprengte sich ein 17-jähriger Attentäter versehentlich selbst in die Luft. Am 5. Juli wurden in Bochum ein Mann und eine Frau entführt und in einer Villa in Köln-Rodenkirchen gefoltert. Tags darauf befreite ein Spezialeinsatzkommando der Polizei die Gefangenen und nahm ihre Wächter fest.

Wie es zu dem Bandenkrieg kam

Ausgelöst wurde der Bandenkrieg durch den Diebstahl von 350 Kilogramm Marihuana aus einer Lagerhalle in Hürth. Dort sollten Mitglieder einer Kölner Gruppierung insgesamt 700 Kilo Gras übernehmen, die ein holländisches Netzwerk geliefert hatte. Der entwendete Stoff im Wert von rund 1,5 Millionen Euro verschwand spurlos.

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte sich Folgendes abgespielt: Am 25. Juni ging gegen 20.45 Uhr am Abend ein Notruf bei der Polizei ein. Aymen G. hatte einen Kurierfahrer zur Lagerhalle geschickt, weil die Bande dessen Transporter per GPS-Tracker dort geortet hatte. Als der Drogenbote an der Halle angekommen war, lugte er durch eine Spalte ins Lagerinnere. Dabei erkannte der Kurier seinen vermissten Wagen. Auch sah er mehrere gefesselte Männer, die bewacht wurden. Mutmaßlich handelte es sich um Kriminelle, die zur so genannten Mocro-Mafia („Mocro“ ist ein niederländisches Slangwort für Marokkaner) zählten. Das Drogennetzwerk hatte Vertreter ins Rheinland entsandt, die „das Gras“ wiederbeschaffen sollten. Der Zeuge floh in Todesangst, als er entdeckt worden war. Die Polizei verhinderte Schlimmeres. Vor Ort befreiten die Beamten fünf Männer von Kabelbindern und Klebebebändern. In der Nähe stellten die Polizisten drei Niederländer. Die Männer, angeführt von Delmar B. 29, sollen die Drogenwächter massiv gequält und bedroht haben.

Seither sinnen die Kriminellen auf Rache und legten eine Spur bisher nicht erlebter Gewalt in der Region. Sie zwangen wohl die Drogen-Bande aus dem Rheinland, den Verräter zu finden, der den Cannabis-Raub ermöglicht hatte. Mit Sprengstoffattacken erhöhte man den Druck, auch auf zwei der Personen, die in der Lagerhalle gefoltert wurden. In der Kölner Drogenszene ging die Angst um, wobei die Rollenverteilung sich im Laufe der Zeit wohl veränderte. Noch ist nicht ganz klar, ob einzig die Kriminellen der niederländischen Organisation hinter den Anschlägen und der Geiselnahme steckten. Eine andere Ermittlungsthese geht davon aus, dass die Niederländer nach Köln beordert wurden, um den Cannabis-Raub aufzuklären.

Viele Fragen bleiben offen – Welche Rolle spielten die Entführungsopfer in Rodenkirchen?

„Die ganze personelle Gemengelage“, so heißt es in Justizkreisen, „ist noch sehr verworren“. Weiter bleibt für die Ermittler fraglich, welche Rolle die beiden nach Rodenkirchen gekidnappten Verwandten in dem Fall spielen? Es handelte sich um Cousin und Cousine aus dem Ruhrgebiet. Angeblich sollen sie einem libanesischen Familienclan angehören. Ferner besteht der Verdacht, dass sie ebenfalls im Rauschgiftgeschäft mitmischen. Eine offizielle Bestätigung blieb bisher aus.

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ weiter erfuhr, wurden in dem Komplex inzwischen zwölf Beschuldigte verhaftet. Drei niederländische Tatverdächtige sind noch zur Fahndung ausgeschrieben. Trotz der großangelegten Polizeiaktionen explodierte am 11. Juli vor einem Geschäftshaus in der Düsseldorfer City erneut ein Sprengkörper. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Angriff ebenfalls im Zusammenhang mit dem Drogenkrieg steht. Beim Bombenanschlag am 30. Juli am Kölnberg ist noch unklar, ob dieses Attentat ebenfalls auf das Konto der Drogengangs geht.

Inzwischen wurde der mutmaßliche Rauschgifthändler und Bekannter des beschuldigten Polizisten aus Bonn Aymen G. wegen des bandenmäßigen Handels mit Cannabis in Untersuchungshaft genommen. Er beteuert, dass er nie ein kompromittierendes Video über den schwelenden Drogenkrieg mit seinem Freund von der Polizei angefertigt habe.