Der Kölner Maler und Fotograf Walter Dahn ist im Alter von 70 Jahren gestorben. Seine Bilder waren das Beste an der Mülheimer Freiheit.
Mitglied der Mülheimer FreiheitWalter Dahn stirbt im Alter von 70 Jahren
Als die wilden 80er der deutschen Malerei vor einigen Jahren im Frankfurter Städel gefeiert wurden, fehlte einer ihrer wichtigsten Vertreter. Walter Dahn blieb lieber in Köln, wo er ab 1980 Teil einer kurzlebigen Künstlergruppe mit dem klingenden Namen Mülheimer Freiheit war. „Was soll ich da?“, sagte er dieser Zeitung. „Ich kenne meine Bilder doch.“
Walter Dahn sah die Zeit, die seinen Ruhm begründete, mit gemischten Gefühlen: als etwas, das einerseits unvermeidlich war, einem aber durchaus peinlich sein durfte. Für einige Jahre war die wilde Malerei aus der Mülheimer Freiheit der neuste Schrei – und kam beinahe so schnell auch wieder aus der Mode. Dahn war dies ganz recht. Allerdings waren seine ungeliebten Flegeljahre die besten seines künstlerischen Lebens. Wie die Galerie Sprüth Magers dieser Zeitung bestätigte, ist Walter Dahn gestorben. Er wurde 70 Jahre alt. Zur Todesursache wurden keine Angaben gemacht.
„Für mich war die Mülheimer Freiheit ein Nadelöhr, durch das ich durch musste“, sagte Dahn vor einigen Jahren. So etwas wie eine zweite Pubertät, mit allem, was dazugehört: Alkohol, Flegeleien und als Höhepunkt der symbolische Vatermord. Allerdings befreite sich Dahn, der begabteste unter den sechs Künstlern, die sich ein Kölner Atelier in der Mülheimer Straße 110 teilten, nicht aus den Fängen seines Elternhauses. Sondern vom Einfluss seines Kunstlehrers Joseph Beuys.
Das Prinzip dieser Befreiung war so schlicht, wie erfolgreich: nichts als Dinge tun, die normalerweise nicht akzeptabel sind. Für Dahn bedeutete dies, möglichst banale Bilder zu malen, und zwar so, dass sie nicht wie gemalt aussahen, sondern wie hingeschmiert. Gemeinsam mit Jiri Georg Dokupil schuf er etwa zwei fratzenhafte „Kotzer“, die einander einen grünlichen Schwall in die aufgerissenen Münder speien. Und weil es so schön war, malten sie eine Fortsetzung, dieses Mal mit den Kotzern Hinterkopf an Hinterkopf.
Man kommt auch heute nicht umhin, in beiden Bildern programmatische Doppelselbstporträts zweier durchaus ehrgeiziger Künstler zu sehen. Dass hier keine Dilettanten am Werk waren, erkennt man schon daran, wie gelungen sich das grün-gelbe Erbrochene vom knallroten Hintergrund abhebt; auch Geschmiere lässt sich so komponieren, dass es malerisch, wenn nicht meisterhaft erscheint.
Aus heutiger Sicht gehörte die wilde Mülheimer Malerei zu einer großen Vatermord-Bewegung – gelegentlich wird sie Postmoderne genannt. Geistesverwandte Kunstströmungen gab es in den 80ern zuhauf: die italienische Transavanguardia, die Maler des US-amerikanischen „Bad Paintings“, die diversen „Neo-Expressionisten“ und sogar die Konzeptkunst, die rein äußerlich nicht weiter von den Mülheimer Schmierfinken entfernt sein könnte. Aber auch hinter den Kotzanfällen Dahns und Dokupils steckte ein Konzept.
Der Mythisierung der Mülheimer Freiheit konnte Dahn wenig abgewinnen. „Wir waren nicht die Sex Pistols der Malerei“, sagte er dieser Zeitung. „Wir waren einfach Leute, wo der eine diesen kannte, und der andere kannte jenen. Und jeder suchte ein Atelier und einen neuen Ansatz für sich.“ Selbst der eingängige Name ging auf das Konto des Kölner Galeristen Paul Maenz. Bei ihm gab es im November 1980 auch die erste Ausstellung der Gruppe: „Mülheimer Freiheit und interessante Bilder aus Deutschland“. Sie war ein rauschender Erfolg, genau das, was der Kunstmarkt bestellt hatte. Und Walter Dahn der beste Teil davon.