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Kommentar

Trumps Austritt aus WHO
Deutschland muss gegenüber den USA Stärke zeigen

Ein Kommentar von
Lesezeit 5 Minuten
Christian Drosten, Professor für Virologie an der Berliner Charité und dort Co-Direktor des Zentrums für Global Health

Christian Drosten, Professor für Virologie an der Berliner Charité und dort Co-Direktor des Zentrums für Global Health

Der Virologe Christian Drosten warnt nach dem Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation vor Lockangeboten.

Jede Krise ist eine Chance – so argumentierte Hendrik Streeck, Professor für Virologie an der Universität Bonn, kürzlich in einem Beitrag zum angekündigten Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation WHO. Sein zentraler Punkt: Die WHO müsse reformiert und für die USA attraktiver gemacht werden – durch „gezielte Anreize“ und eine stärkere Einbindung Amerikas. Doch liegt das Problem wirklich darin, dass die USA sich aus der WHO zurückgezogen haben, weil ihnen ihre Mitsprache dort nicht ausreicht? Oder, wie Streeck suggeriert, weil es ungerecht sei, dass China mitreden darf, obwohl es nur Beiträge als Entwicklungsland zahlt?

Streecks Vorschlag lautet: Die USA mit Beitragsgerechtigkeit gegenüber China locken und die ineffiziente Verwaltung der WHO reformieren. Mir fällt es schwer, dieser Argumentation zu folgen. Wahrscheinlich ist doch ein anderes Szenario: Die „America First“-Politik der neuen US-Regierung setzt auf bilaterale Verbindlichkeiten anstelle von multilateralen Institutionen.

Noch mehr Einfluss für die USA in der WHO würde das multilaterale Gleichgewicht destabilisieren.
Professor Christian Drosten

Die WHO hat eine lange amerikanische Tradition. Die USA waren ihr Architekt und sind ihr größter politischer Akteur. Amerika stellt die meisten Mitarbeiter. Wohl jeder, der beruflich mit der WHO zu tun hat, kennt die große Zahl entsandter Mitarbeitender aus US-Behörden und die starke Besetzung von Gremien durch Amerikaner. Noch mehr Einfluss für die USA in der WHO würde das multilaterale Gleichgewicht destabilisieren.

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Christian Drosten

Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité und leitet dort gemeinsam mit seiner Kollegin Beate Kampmann auch das Zentrum für Global Health....

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Gesundheits- und Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern des Globalen Südens liegt immer auch im wirtschaftlichen Interesse des Globalen Nordens. Um die Gefahr bilateraler Abhängigkeiten zu minimieren, gibt es überstaatliche UN-Organisationen wie die WHO. Multilateralismus ist eine große Errungenschaft zur Emanzipation der Länder des Globalen Südens. Er greift in Gesundheits- und Entwicklungsprogrammen mit Finanzierung durch die Weltbank, beispielsweise bei der Umsetzung des weltweiten Pandemie-Fonds, dessen Einrichtung maßgeblich auf die jetzige Bundesregierung und ihr Engagement in der G20 zurückgeht.

Chinas globales Engagement folgt längst einer eigenen Strategie.
Professor Christian Drosten

Die WHO und andere internationale Organisationen fungieren hier als „Umsetzungsorganisationen“, die die Hilfszahlungen der Weltbank verwalten und kontrollieren. Sie entscheiden aber nicht über deren Vergabe und stellen insbesondere keine Bedingungen im Namen der Geberländer. So schützen die Umsetzungsorganisationen das internationale Investment vor Fehlverwendung und zugleich die Staaten des Globalen Südens vor möglichen Partialinteressen der Geldgeber.

Streeck greift in seinem Text Chinas niedrigen WHO-Beitrag auf – eine Konsequenz der einst geringeren Wirtschaftskraft des Landes. Doch der Vorschlag, Peking zur Erhöhung seiner Beiträge zu drängen, um die USA damit wieder zurück zur WHO zu bringen, wird kaum den erwünschten Erfolg bringen. Chinas globales Engagement folgt längst einer eigenen Strategie: Die Regierung investiert direkt in Infrastruktur, Bildung und Gesundheitsversorgung in Ländern des Globalen Südens – und zwar unabhängig von internationalen Organisationen. Diese Politik ist so offensichtlich, dass sie bereits im Stadtbild vieler afrikanischer Hauptstädte erkennbar ist. Das Codewort dafür ist „paralleler Multilateralismus“: eine Form der Einflussnahme, die sich außerhalb von UN-Strukturen bewegt.

Wird China gezwungen, seinen WHO-Beitrag zu erhöhen, riskiert man, dass es sich zurückzieht.
Professor Christian Drosten

Die WHO war und ist eine amerikanisch dominierte Institution. Der WHO-Beitrag Chinas könnte zwar angepasst werden – er ist aber wohl auch ein diplomatischer Kompromiss: Er ermöglicht es der internationalen Gemeinschaft, einen Kommunikationskanal mit China aufrechtzuerhalten, eine Art Appeasement, um zumindest gewisse chinesische Eigeninteressen abzumildern. Wird China gezwungen, seinen WHO-Beitrag zu erhöhen, riskiert man, dass es sich gerade aus dem multilateralen System zurückzieht. Die WHO-Beiträge haben ohnehin lediglich einen Symbolwert gegenüber der tatsächlichen Größenordnung der Gelder in der Entwicklungszusammenarbeit, die in den Gesundheitsbereich fließen.

Und selbstverständlich haben auch die USA Wirtschaftsinteressen in Afrika. Glaubt irgendjemand, dass sich die US-Regierung mit ihrem Rückzug aus der WHO zugleich auch aus der globalen Gesundheitspolitik verabschiedet? Falls die USA dies wirklich geschehen ließen, hätten wir wohl andere amerikanische Engagements im Globalen Süden zu erwarten. Vielleicht bekämen wir neue Umsetzungsorganisationen unter direkter US-Kontrolle. Selbst wenn China seine Beiträge erhöhte; selbst wenn es einen amerikanischen WHO-Chef gäbe – ihre Wirtschaftsinteressen im Globalen Süden gäben die USA auch dann nicht auf.

Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren stärker in der globalen Gesundheitspolitik engagiert - und das zu Recht.
Professor Christian Drosten

US-Aid, die direkte Entwicklungshilfeorganisation der USA, unterwirft sich wie auch andere Organisationen einem Bekenntnis zu Mitsprache, Fairness und Empowerment im Globalen Süden. Mit ihrer angekündigten Abwicklung will die neue US-Regierung offenbar einen ganz neuen Ton anschlagen. All dies lässt nichts Gutes ahnen.

Wenn Deutschland ein engagiertes Interesse im Globalen Süden verfolgen will (und das sollte es), dann erwächst durch die neuen Entwicklungen in den USA eine Konkurrenz, der man nicht noch zusätzlich durch eine Erweiterung des amerikanischen Einflusses in der WHO den Rücken stärken sollte. Jedenfalls dann nicht, wenn man als Gesundheitspolitiker in deutschem Interesse argumentieren will.

Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren stärker in der globalen Gesundheitspolitik engagiert – und das zu Recht. Als die USA während der ersten Trump-Regierung zu einem unsicheren Finanzierungspartner wurden, erhöhte Deutschland sein Engagement in der WHO und schärfte unter den Gesundheitsministern Hermann Gröhe und Jens Spahn (beide CDU) seine globale Gesundheitsstrategie. Die Entwicklung der WHO zu einer Plattform für Mitsprache und Empowerment des Globalen Südens liegt im Kern dieser Strategie.

Diese Entwicklung lässt sich nicht zurückdrehen, ohne in neokoloniale Muster zurückzufallen. Globale Gesundheitspolitik folgt wirtschaftlichen und politischen Interessen, kein Zweifel. Wollte man einer „Make America Great Again“-konformen WHO-Reform das Wort reden, müsste man sich aber zunächst einer Grundsatzdiskussion über die deutsche Rolle in der internationalen Gesundheitspolitik stellen.

Nur wer in Unkenntnis internationaler Gesundheitspolitik argumentiert, kann sich eine noch größere amerikanische Rolle in der WHO wünschen. Die USA haben bis vor kurzem selbst den Multilateralismus gestützt, den die „Maga“-Bewegung heute als Hindernis betrachtet. Deutschland darf sich hier nicht in eine Politik drängen lassen, die es langfristig nur schwächen würde.