Der Kölner Generalvikar Guido Assmann zeigt sich bemüht, dem symbolträchtigen Platztausch keine Bedeutung beizumessen.
Hohe Zahl an KirchenaustrittenKöln verliert Spitzenplatz als größtes Bistum

Der Kölner Kardinal Rainer Woelki (l-r) und der päpstliche Nuntius, Nikola Eterovic, im Gottesdienst zur Verabschiedung des Münsteraner Bischofs Felix Genn.
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Das Erzbistum Köln ist nicht mehr die größte deutsche Diözese. Aufgrund der überdurchschnittlich hohen Zahl an Kirchenaustritten und einer vergleichsweise geringen Zahl an Taufen verlor das von Kardinal Rainer Woelki geführte Erzbistum seinen angestammten Spitzenplatz an das Bistum Münster.
Wie aus der am Donnerstag von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichten Statistik für das Jahr 2024 hervorgeht, gehören jetzt noch 1.627.401 Katholikinnen und Katholiken zum Erzbistum (Stand: 27. März). Es verlor im Vergleich zum Vorjahr 51.353 Mitglieder, davon 28.979 durch Austritt und mindestens 16.276 durch Tod.
Dies ist die Zahl der erfassten kirchlichen Bestattungen. Die Sterbezahl insgesamt liegt höher, ist aber in der Statistik nicht angegeben. Der Schwund beträgt somit etwas mehr als drei Prozent. Dem standen 8829 Taufen und 593 Eintritte zumeist evangelischer Christen sowie Wiederaufnahmen gegenüber.
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Kölner Generalvikar Guido Assmann: „Es spielt für uns jetzt keine große Rolle “
Das Bistum Münster, dem jetzt 1.630.544 Katholikinnen und Katholiken angehören, hatte im selben Zeitraum 22.613 Austritte und 17.344 Bestattungen zu verzeichnen sowie 10.633 Taufen und 425 Neu- oder Wiedereintritte.
Der Kölner Generalvikar Guido Assmann zeigte sich bemüht, dem symbolträchtigen Platztausch keine Bedeutung beizumessen. Er hob dazu auf die globale Dimension der katholischen Kirche ab. „Als Christen leben wir in einer weltweiten Gemeinschaft und denken weit über Bistums- und andere Grenzen hinaus. Es spielt für uns daher jetzt keine große Rolle, dass uns das Bistum Münster zahlenmäßig überholt hat.“
Katholiken stellen noch 23,7 Prozent der Gesamtbevölkerung, Protestanten 17,98 Millionen
In ganz Deutschland gibt es gut eine Million Christen weniger als im Jahr zuvor. Die Katholikenzahl sank erstmals unter die 20-Millionen-Marke. Sie liegt mit jetzt 19,77 Millionen um knapp 580.000 niedriger als 2023. Der Rückgang ergibt sich vor allem aus 322.000 Austritten und dem Tod von Mitgliedern. Die Katholiken stellen nun noch 23,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Zusammen mit den Protestanten, deren Zahl ebenfalls um rund 580.000 sank, liegt die Quote jetzt bei 45,2 Prozent. Einen Anteil von weniger als der Hälfte hatten die Christen in Deutschland erstmals 2021.
Bei den Protestanten ging die Zahl der Mitglieder ebenfalls um gut drei Prozent auf 17,98 Millionen zurück. Die Zahl der Austritte lag bei 345.000. Fast gleich groß (335.000) war die Zahl der Sterbefälle. Getauft wurden rund 110.000 Menschen, weitere 15.000 kamen anderweitig durch Aufnahme hinzu. Die Evangelische Kirche in Deutschland gab ihre Zahlen (Stichtag ist hier der 31. Dezember 2024) zeitgleich mit der katholischen Kirche bekannt.
Erzbistum Köln: „Dass die Austrittszahlen niedriger werden, ist schon zum wiederholten Mal der Fall“
Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) als zweitgrößte der 20 Landeskirchen in Deutschland verzeichnete den Angaben zufolge einen Mitgliederstand von 2.122.717, was einem Rückgang von 70.039 entspricht. 42.200 Protestanten und Protestantinnen verließen ihre Kirche durch Austritt, 40.900 starben. Getauft wurden 12.900 Personen, 2100 Mitglieder kamen durch Neuaufnahme in die evangelische Kirche hinzu.
Beide Kirchen auf der Bundesebene wie auch regionale Vertreter hoben unisono hervor, dass die Austrittszahlen 2024 im Vergleich zu den Wellen der vorangegangenen Krisenjahre rückläufig sind. Auf katholischer Seite hatten sie 2023 noch bei insgesamt mehr als 400.000 gelegen, auf evangelischer Seite bei 380.000. „Dass sich der Rückgang abschwächt und auch die Austrittszahlen niedriger werden, ist erfreulicherweise schon zum wiederholten Mal der Fall“, heißt es in einer Mitteilung des Erzbistums Köln. „Ermutigend“ seien zudem die Eintritte und Wiederaufnahmen, die um genau neun beziehungsweise 101 über den Zahlen aus 2023 lagen. Nach der „Talsohle“ in den Jahren 2021/22 könne von einem positiven Trend gesprochen werden.
Demgegenüber machte der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister darauf aufmerksam, dass die Kennziffern des Erzbistums Köln schlechter seien als im Landes- und Bundesdurchschnitt. „Das stimmt doch nachdenklich. Nüchterne Analysen sind geboten“, sagte Sautermeister dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die katholische Basisinitiative „Wir sind Kirche“ sieht insgesamt die Fortsetzung eines „beunruhigenden Abwärtstrends“.
Die Regensburger Pastoraltheologin Ute Leimgruber sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, vermeintlich positive Nachrichten wie der Rückgang der Kirchenaustritte oder ein leichter Anstieg an Kircheneintritten änderten nichts daran, „dass die alte zahlenmäßige Stärke der Kirche unwiederbringlich vorbei ist“. In Deutschland sei mittlerweile nicht einmal mehr ein Viertel der Bevölkerung katholisch, unterstrich Leimgruber. Zudem sei mit der Zahl von nur noch 29 Priesterweihen (2023: 35) in den 27 deutschen Bistümern erneut ein Tiefstand zu verzeichnen.
Aus katholischer Sicht weise die Statistik auf die seit Jahren anhaltende dramatische institutionelle Vertrauenskrise hin. „Verlorenes Vertrauen hat nur sekundär mit enttäuschten Reformerwartungen zu tun“, sagte Leimgruber. „Auch die nach wie vor notwendige Aufarbeitung der Missbrauchs- und Vertuschungsverbrechen oder die enttäuschten Reformerwartungen sind nur ein Teil der Gründe. Hinzu kommt eine oft zu starke Binnenfixierung. Vertrauen gibt es nur, wenn den Kirchen eine sozial relevante Rolle für die Gesamtgesellschaft zugeschrieben wird. Kirche sollte baldmöglichst ihrer zivilgesellschaftlichen Aufgabe gerecht werden, zumal in global gefährdeten Zeiten wie diesen.“ Vertrauen ohne die Erfüllung von Reformerwartungen zurückzugewinnen, sei aber auch kaum möglich, betonte die Theologin. „Und der Reformstau ist in der katholischen Kirche ungleich größer.“
Die EKD-Ratsvorsitzende, Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehr, warnte vor den Folgen des Mitgliederschwunds für die Leistungsfähigkeit und das Angebot der Kirche. Eine Kirche, die sich immer weniger auf solidarische Unterstützung von Menschen verlassen könne, müsse „künftig verstärkt auswählen, wo sie mit ihren begrenzten Mitteln besonders wirksam sein kann, um Menschen in ihrer Religiosität zu unterstützen und ihrer zivilgesellschaftlichen Rolle gerecht zu werden“.
Zugleich zeigte sich Fehrs „zutiefst dankbar“ für alle evangelischen Christinnen und Christen, die uns unterstützen. „Unsere Gesellschaft ist mehr denn je darauf angewiesen, dass sich Menschen zivilgesellschaftlich engagieren – auch in Kirche und Diakonie.“ Sorge bereiten der EKD-Ratsvorsitzenden nach eigenen Worten „vor allem die rückläufigen Taufzahlen, die sich als Konsequenz der Mitgliederverluste in den nachfolgenden Generationen immer weiter fortschreiben“.