Verzweiflung in Köln-SeebergDefekter Aufzug fesselt ältere Mieter an ihre Wohnungen

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Aufzug kaputt in Seeberger Mietshaus (1)

In diesem achtstöckigen Gebäude der LEG steht der Aufzug seit Wochen still. 

Seeberg – Dass der Aufzug ausfällt, dürfte jeder Bewohner eines Mietshauses schon erlebt haben. Für gewöhnlich bleibt das  jedoch eine vorübergehende Unannehmlichkeit – die Bewohner des achtstöckigen Hauses Nr. 76 in der Karl-Marx-Allee müssen jedoch schon seit sechs Wochen ohne ihren Aufzug auskommen. Und zwar exakt seitdem dieser am 6. Oktober nach einer Prüfung durch den TÜV stillgelegt wurde. Die Geduld von Moro Nazlier, der seit Jahrzehnten in dem Haus wohnt, ist aufgebraucht. „Ich bin seit 48 Jahren in Deutschland, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.“

Ältere Mieter in Köln können nicht Treppen steigen

Damit ist er nicht der einzige, denn für viele Mieter des Hauses ist der Aufzug essenziell, da das Treppensteigen für sie aufgrund von Alter, Behinderungen oder anderen Einschränkungen nicht mehr ohne weiteres möglich ist. Die 83-jährige Polina Cherkasova etwa lebt ganz oben in der achten Etage – durch das Treppensteigen habe sie schon Herzschmerzen, sagt sie. „Inzwischen kann ich gar nicht mehr raus, für Einkäufe bin ich auf andere angewiesen“, klagt sie. Ein Stockwerk tiefer wohnt Galina Volfson-Aronova mit ihrer Familie. „ Wir haben drei Leute mit Behinderungen, die können überhaupt nicht laufen“, sagt sie. „Dabei muss ich für meine Mutter dringend einen Termin beim Arzt machen – aber wann wird das gehen? Wir werden überhaupt nicht informiert, wie lange es noch dauern soll.“

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"Du hast hier nichts zu suchen - Finger weg" hat jemand auf den Schaltkasten gekritzelt, die andere Schranktür fehlt.

Kölner Rentner ist zu 70 Prozent gehbehindert

Auch Horst Dechert aus dem fünften Stock ist wegen seiner kaputten Hüfte zu 70 Prozent gehbehindert. „So schlimm ist es noch nie gewesen.“ Auch Viktoria Kotlyarenko aus dem fünften Stock ist eingeschränkt, da sie einen Oberschenkelhalsbruch auskurieren muss. Nazlier hat bereits mehrmals mit Briefen und Anrufen versucht, bei der Eigentümerin des Mietshauses, der LEG Wohnen NRW GmbH, auf das Problem aufmerksam zu machen. Am 6. November, gut einen Monat nach der Stilllegung des Aufzuges, erhielt er schließlich Antwort. In dem Schreiben wurde der Ausfall bedauert und die Reparatur angekündigt – das würde jedoch noch weitere 21 Tage in Anspruch nehmen. Auf Nachfrage gibt man sich bei der LEG zerknirscht. „Bei unseren Mietern möchten wir uns ausdrücklich entschuldigen“, so Mischa Lenz, ein Pressesprecher des Unternehmens. „Der Grund für den Ausfall ist ein Defekt am Außenlager, für das ein Ersatzteil beschafft werden muss.“

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Ersatzteil nicht mehr verfügbar

Lenz versichert, man sei sofort nach dem Ausfall tätig geworden, doch das fehlende Bauteil für das in die Jahre gekommene Aufzugmodell sei nicht mehr verfügbar und werde auch nicht mehr hergestellt. „2021 wollten wir die Aufzuganlage ohnehin modernisieren, da ist uns dieser Ausfall leider zuvor gekommen.“ Inzwischen sei ein Dienstleister gefunden, der die Reparatur übernimmt. Lenz gibt an, dass den Mietern bei medizinischem Bedarf ein Transport-Service vermittelt werde. „Das ist ja gut und schön“, meint Volfson-Aronova, „aber alles andere?“ Normalerweise werde den Mietern für die Übergangszeit auch ein kostenloser Trage- und Einkaufsservice zur Verfügung gestellt, so Lenz, dies sei jedoch zurzeit „corona-bedingt“ nicht möglich. Der Aufzug ist allerdings auch nicht der einzige Kritikpunkt, den die Mieter haben.

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Das Treppenhaus weist stellenweise Schimmel auf. 

Verwahrlostes Treppenhaus

„Bis vor drei Jahren hat hier noch ein Hausmeisterehepaar im Haus gewohnt, aber nachdem die beiden kurz hintereinander gestorben sind, ist kein neuer gekommen“, berichtet Nazlier. Seitdem zeige sich die Vernachlässigung immer deutlicher: An der Treppe zum Keller wellt sich der Putz und bröckelt dahin, an den Elektrokästen im Keller fehlt teilweise die Abdeckung, Kabel liegen bloß. „Trotzdem zahlen wir nach wie vor für den Posten eines Hauswarts“, sagt Nazlier. Tatsächlich habe die LEG vor drei Jahren einen zentralen „Kundenservice“ für ihre Objekte im Quartier um die Karl-Marx-Allee eingerichtet, um „lange Wartezeiten vor den Hausmeisterbüros zu vermeiden“, sagt Lenz. 

Zehn Objektbetreuer seien dabei im Einsatz – hauptsächlich im Sicherheits- und Ordnungsbereich. Für Anliegen der Mieter sei weiterhin eine Servicenummer, ein Rückrufservice und eine App eingerichtet worden. Doch auch damit scheinen die Mieter keine guten Erfahrungen gemacht zu haben. „Ich habe die LEG wegen des Aufzugs angerufen, dort haben sie mich an die Reparaturfirma verwiesen“, berichtet Viktoria Kotlyarenko. „Dann habe ich dort angerufen und sie sagten mir, ich solle bei der LEG nachfragen.“

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