„Unterschiede so krass wie nie“Kölnerin verkauft seit 33 Jahren Brautkleider

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Hannelore Schulte.

  • Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
  • Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach. Diesmal geht es um Hannelore Schulte, die seit 33 Jahren Brautmode verkauft
  • Die Kleider haben nicht mehr den größten Stellenwert im Hochzeits-Budget

Köln – Die Dame, die ich heute in Sichtweite zum Kolumba Museum anspreche, kommt, wie sie strahlend betont, von der „schönsten Adresse Kölns“, der Glockengasse Nummer eins. Dort betreibt Hannelore Schulte seit 33 Jahren ein Brautmodengeschäft. „Mein Traum war es immer, fröhliche Menschen um mich herum zu haben!“ Ein Wunsch, der bei ihrer ursprünglichen Tätigkeit als Finanzbeamtin wahrscheinlich weniger gewährleistet war.

Was hat sich rund um den Tag, der vielfach als der Schönste im Leben einer Frau gilt, im Laufe der Zeit verändert?, frage ich, nachdem wir bei „Manufactum“ Platz genommen und den mutmaßlich teuersten Cappuccino der Stadt (4,10 Euro mit Selbstbedienung) geordert haben.

Braut trägt längst nicht mehr Weiß

Eine Mange ist anders geworden. Die Braut trägt längst nicht mehr Weiß, sondern „Ivory“. Es sind schon lange nicht mehr die Einkäufer, die bei Modenschauen in der ersten Reihe sitzen, sondern die Bloggerinnen. Deren Geschmack ist für die Braut von heute maßgeblich. Seit kurzem, sagt Hannelore Schulte, seien Zweiteiler in Mode und ansonsten empfinde sie die Unterschiede im Stil „so krass wie noch nie“.

Tiefe Ausschnitte und Transparenz 

Da stehe auf der einen Seite der Wunsch, wie eine Prinzessin auszusehen „mit Glitzer von oben bis unten“, und auf der anderen Seite gebe es den von der Hippie-Mode der 60er-Jahre beeinflussten Boho-Style. Sie ordere ihre Ware gerne bei kleinen spanischen Designern, „die dem Trend immer ein bisschen voraus sind“.

Der Riesen-Ausschnitt stehe für die meisten Bräute ganz oben auf der Wunschliste. Nicht nur vorne, sondern auch tiefes Rückendekolletee sowie seitliche Cut-outs - sprich:  Transparenz. „Viel Oberweite“ ist nach Einschätzung der Fachfrau geradezu ein Muss. Einfaches Hochpushen reiche vielen jungen Frauen nicht. Schultes Eindruck nach wird immer häufiger noch kurz vor der Hochzeit der Chirurg beauftragt. „Die Investition hat sich aber gelohnt!“, habe sie kürzlich eine Mutter ausrufen hören, während sich die Tochter in der Kabine stolz vorm Spiegel drehte.

Kleiderkauf wird zunehmend zum Event

Natürlich habe das Brautkleid nach wie vor einen maßgeblichen Anteil im Hochzeits-Budget, aber leider nicht mehr den Stellenwert wie früher. „Heute ist der wichtigste Faktor der Event“. Immer mehr zum Event geworden sei allerdings auch der Kleiderkauf als solcher. Dass die Braut mit Mutter und bester Freundin kommt, „ist ganz normal. Aber manchmal kommen sie auch zu sechs oder siebt.“ – „Und bringen Sekt mit“, mutmaße ich.

„Den gibt es natürlich auch bei uns“, erwidert Schulte und beschreibt Szenarien, die sich über Stunden hinziehen. Kein Wunder, dass andere Häuser wie Jacobi oder P&C in Köln ihre Brautmoden-Abteilungen längst wieder aufgelöst hätten. „Das ist extrem beratungsintensiv.“ „Wenn die Braut mit großem Anhang kommt, wird es wahrscheinlich auch nicht gerade leichter, sich für ein Modell zu entscheiden“, denke ich. Schulte nickt. „Ich achte dann immer sehr drauf, dass die Braut zum Zuge kommt.

„Corona hat viele Beziehungen kaputt gemacht"

An eine Käuferin erinnert sich die gebürtig aus Burscheid stammende Einzelhändlerin besonders gerne: Patricia Kelly von der Kelly Family. „Das war die unkomplizierteste Kundin, die ich je hatte. Die kam ganz alleine rein, wusste genau was sie wollte, und hat erst zur Anprobe ihre Schwestern mitgebracht.“

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Wie viele andere in der Modebranche habe natürlich auch ihr Geschäft „Cinderella“ Einbußen durch die Pandemie gehabt. Nicht nur durch den Lockdown, sondern sowohl durch aufgeschobene Hochzeiten als auch solche, die gar nicht stattfanden.

„In der Corona-Phase sind ganz viele Beziehungen kaputtgegangen“, weiß sie von Kundinnen, die ihr Kleid bereits gekauft hatten. „Die haben vielfach zu eng aufeinander gehockt.“ Und wie oft passiert es, dass jemand am Altar kalte Füße kriegt?“, frage ich. „In 90 Prozent der Fälle ist das der Bräutigam. Wir hatten nur einmal eine Braut, die sich nicht getraut hat.“

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