Infografik

Chorweiler bis Hahnwald
Arme Kölner sterben früher – In diesen Veedeln leben die Menschen am kürzesten

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Die Grafik einer linearen Regression zwischen Einkommen und Lebenserwartung geht in ein Bild über, das einen obdachlosen Mann neben einem Mülleimer auf der Kölner Schildergasse zeigt.

Je mehr Geld, desto länger das Leben? Eine Analyse bestätigt die Annahme, dass es zwischen dem Haushaltsnettoeinkommen und der Lebenserwartung einen statistischen Zusammenhang gibt.

Menschen in Stadtteilen mit höherem Einkommen leben länger, zeigt unsere Recherche. Zwischen zwei Veedeln liegen zehn Jahre Lebenserwartung.

Wie lange Kölnerinnen und Kölner leben, hängt unter anderem davon ab, wo sie leben. Das ergibt eine Recherche des „Kölner Stadt-Anzeiger“ basierend auf Daten des Amts für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Köln.

Köln: Reichere Stadtteile weisen höhere Lebenserwartung auf

Demnach leben Menschen in den Stadtteilen am längsten, wo das meiste Geld verdient wird. Die Grafik zeigt, dass es einen statistischen Zusammenhang gibt.

Mittels einer Regressionsanalyse – ein statistisches Verfahren, um den Zusammenhang zweier Variablen zu berechnen – haben wir die Lebenserwartung in den Kölner Veedeln mit dem durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen pro Monat verglichen.

Die Ergebnisse sind in einer sogenannten Scatterplot-Grafik dargestellt, in der sich Muster und Trends ablesen lassen. Die Trendlinie, die in diesem Fall von links unten nach rechts oben verläuft, zeigt: je kleiner das Einkommen, desto geringer die Lebenserwartung.

Hahnwald als statistischer Ausreißer

Chorweiler zum Beispiel weist die niedrigste Lebenserwartung mit 76,8 Jahren auf. Dort verdienen Haushalte durchschnittlich 1842 Euro netto im Monat. Das entspricht einem Jahreseinkommen von 22.104 Euro. In Fühlingen wiederum leben die Menschen im Schnitt 86,7 Jahre lang und verdienen monatlich 4586 Euro.

Arme müssen früher sterben. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich daran nichts geändert
Christoph Butterwegge, Kölner Armutsforscher

Hahnwald gilt als Ausreißer: Hier verdienen die Menschen am meisten: 8281 Euro pro Monat, also 99.372 Euro im Jahr. Gleichzeitig weist der Rodenkirchener Stadtteil die zweithöchste Lebenserwartung mit 86,3 Jahren auf.

Armut ist mit geringerer Lebenserwartung verbunden

Für den Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge ist der Effekt, dass ärmere Menschen in Köln kürzer leben, nicht überraschend: „Die Geldverteilung spiegelt sich in den Wohnverhältnissen wider. Arme Menschen wohnen nicht im Hochhaus am Kölnberg in Meschenich, weil da die Aussicht so schön ist, sondern, weil dort die Mieten billig sind. Deswegen haben sie nicht eine schöne Altbauwohnung im gentrifizierten Ehrenfeld.“ Für die Lebenserwartung sei schließlich das Wohnverhältnis entscheidend, erklärt der ehemalige Professor an der Universität zu Köln.

Auch für Rudolf Henke ist die Erkenntnis nicht neu. Der Präsident der Ärztekammer Nordrhein sagt: „Das ist aus der Public-Health-Forschung seit langem bekannt.“ Einen ähnlichen Effekt gebe es aktuell in Städten wie München, Hamburg und Bremen.

Macht Armut krank?

Neben dem Einkommen seien gesundheitliche Faktoren sowie Umweltfaktoren entscheidend dafür, wie lange Menschen leben: „Menschen, die in Armut leben, tragen höhere Erkrankungsrisiken. Sie sind häufiger von chronischen Krankheiten, Unfallverletzungen und Behinderungen betroffen“, sagt der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete.

Die Gründe dafür seien vielfältig: Unterschiede in der medizinischen Versorgung, den Arbeitsbedingungen, den Freizeitmöglichkeiten und der Nachbarschaft – zum Beispiel Grünflächen und Feinstaubbelastung. All das könne dazu beitragen, so Henke, dass es armutsbedrohten Menschen gesundheitlich weniger gut geht.

Menschen in Fühlingen leben zehn Jahre länger als in Chorweiler

Ein frappierender Unterschied besteht zwischen zwei benachbarten Stadtteilen: In Fühlingen leben Menschen durchschnittlich etwa zehn Jahre länger als ihre Nachbarn in Chorweiler. Neun Jahre Unterschied besteht zwischen den Nachbar-Veedeln Godorf und Hahnwald.

Armutsforscher Butterwegge erklärt das mit den Umwelt- und Gesundheitsfaktoren: „Fühlingen hat den See und viel Grün. Chorweiler hat die Hochhäuser. Während Corona haben wir zum Beispiel gesehen, dass die Bewohner vom 13. Stock im dichtgedrängten Aufzug fuhren, um dann mit Bahnen und Bussen zur Arbeit zu fahren. In Fühlingen saßen die Leute im Grünen und machten Sport.“

Butterwegge sieht darin eine Parallele zu amerikanischen Städten, wo manche Nobelviertel und Slums nur durch eine Straßenbahnlinie getrennt werden. Eine weitere Karte zeigt, wo in Köln die Gutverdiener leben (wir berichteten).

Der 73-jährige Forscher fasst es so zusammen: „Einkommensschwache leben in weniger beliebten Stadtteilen, die häufig eine geringe Wohnqualität aufweisen. Sie arbeiten oft härter und ernähren sich in der Regel ungesünder, weil ihnen das Geld für eine abwechslungsreiche Kost fehlt. Arme müssen deshalb früher sterben. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich daran nichts geändert.“

Kein großer Unterschied in Lebenserwartung zwischen Rheinseiten

Zwischen der linken und der rechten Rheinseite besteht kein großer Unterschied in der Lebenserwartung: Im Rechtsrheinischen leben die Menschen knapp achteinhalb Monate länger. Eine größere Ungleichheit besteht auf Bezirksebene, denn in Lindenthal leben die Menschen 3 Jahre und 8 Monate länger als Bewohner von Kalk.

“Ab hier sinkt deine Lebenserwartung um 6 Jahre”: Dieser in Richtung der rechtsrheinischen Stadthälfte ausgerichtete Schriftzug ist seit Montag, dem 3. Juni auf Kölner Brücken zu sehen. Eine Analyse zeigt nun aber, dass die These nicht stimmt.

„Ab hier sinkt deine Lebenserwartung um 6 Jahre“: Dieser in Richtung der rechtsrheinischen Stadthälfte ausgerichtete Schriftzug ist seit Montag, dem 3. Juni, auf Kölner Brücken zu sehen. Eine Analyse zeigt nun aber, dass die These nicht stimmt.

Damit erweist sich eine aufsehenerregende Aktion in Köln als unwahr: Auf den Kölner Brücken hatten bisher unbekannte Menschen auf den Fuß- und Fahrradwegen in Richtung der rechten Rheinseite gesprüht: „Ab hier sinkt deine Lebenserwartung um 6 Jahre.“ Zur Aktion gehörten auch Poster, die im Stadtgebiet aufgehängt wurden.

Die These bezog sich auf den „Gesundheitsatlas Köln 2020“, in dem die Lebenserwartung zwischen den Bezirken Lindenthal und Mülheim verglichen wurde. Der Report stammt von dem Verein Solimed, der ein Stadtteil-Gesundheitszentrum in Kalk betreibt. Verantwortlich für die Aktion sei der Verein jedoch nicht, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

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