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„Herzlos und unsensibel“Kölnerin startet Petition gegen Entfernung privater Sitzbänke auf dem Melatenfriedhof

Lesezeit 5 Minuten
Dorothee Fiedler sitzt auf einer Bank aus Holz mit einem Gestell aus Metall. Neben ihr ist das Grab ihres Sohnes.

Seit 13 Jahren steht die Bank neben dem Grab von Carl Jonathan Fiedler. Seine Mutter Dorothee Fiedler sitzt dort oft und lange.

Die Stadt empfindet die Bänke als störend. Für die Besitzer sind sie aber ganz besondere Orte der Ruhe – das finden auch FDP, SPD und Grüne.

Es ist erst ein paar Wochen her, als Dorothee Fiedler an einem sonnigen Tag auf der braunen Holzbank mit schwarzem Metallgestell neben dem Grab ihres Sohnes saß. Hier auf dem Melatenfriedhof beobachtete sie ein Rotkehlchen, das ganz nah zu der 71-Jährigen kam. „Hallo Carl, dachte ich noch. Vielleicht ist das die Form, in der er an dem Tag zu mir kam“, sagt Fiedler.

Auf der Bank, die Freunde von Carl aufgestellt haben, verweilt Fiedler gerne – und lange. 13 Jahre ist es jetzt her, als der damals 18-jährige Carl Jonathan Fiedler bei einem Unfall ums Leben kam. Jeder Mensch trauert anders, bei Fiedler gehörte die Bank zum Trauerprozess von Anfang an dazu. „Es ist eine Art der Meditation, die aber auch nur möglich ist, da ich nah bei Carl sitzen kann.“

Entfernung der Sitzbänke auf dem Melatenfriedhof in Köln sollte individuell geprüft werden

Doch genau diese und die rund 100 weiteren privaten Sitzbänke will die Friedhofsverwaltung der Stadt Köln nicht mehr auf dem Melatenfriedhof sehen. Dagegen hat Dorothee Fiedler am Samstag eine Petition gestartet, die am Montagnachmittag bereits 150 Kölner virtuell unterschrieben hatten. Konkretes fordere die 71-Jährige erst einmal nicht, sagt sie. Sie wünsche sich aber, dass die Friedhofsverwaltung die Entfernung der Bänke überdenke und die Aktion erst einmal stoppe. „Wir wären ja auch für Kompromisse bereit“, sagt sie. Ein Vorschlag wäre zum Beispiel, in Einzelfällen zu prüfen, ob die Bank wegmüsse, wenn sie störe oder marode sei.

Denn das sind die Gründe der Stadt für die Entfernung. Die Bänke würden das Erscheinungsbild oder die Pflegearbeiten stören sowie zum Teil auch die Verkehrssicherheit gefährden. Denn verletze sich jemand an einer Bank, etwa weil sie so morsch sei oder sie Splitter aufweise, hafte die Stadt Köln als Betreiberin des Friedhofs, erklärt eine Sprecherin der Stadt Köln auf Anfrage. In einem Schreiben, das Anfang August auf die Bänke geklebt worden ist, fordert die Stadt die Besitzer auf, die Bänke bis zum 8. September zu entfernen.

Kölner Politiker fordern, dass die Bänke auf dem Melatenfriedhof bleiben

Das Thema ist mittlerweile auch bei der Kölner Politik angekommen, dort wird Fiedlers Initiative befürwortet. „Die Stadtverwaltung sollte hier mit mehr Fingerspitzengefühl agieren. Bänke, die im Weg stehen und Stolperfallen darstellen oder durch Vernachlässigung unbrauchbar sind, müssen geräumt werden. Liebevoll gepflegte und abseits der Wege an den Gräbern aufgestellte Bänke sollten auf jeden Fall bleiben können“, sagt Rafael Struwe, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion.

Die Kölner Grünen betonen ebenfalls, dass es bei einem solch emotionalen Thema Fingerspitzengefühl brauche. „Das ist Verwaltungshandeln“, so die Grünen.

Lorenz Deutsch, Vorsitzender der Kölner FDP, teilt die Meinung und sagt: „Die mangelnde Sensibilität des Grünflächenamtes ist erschreckend. Für die Angehörigen sind diese Möglichkeiten zum Verweilen wichtige Orte zur Einkehr und Zwiesprache. Das Grab von Dirk Bach ist das prominente Beispiel für ein individualisiertes Gedenken. Ich fordere das Grünflächenamt auf, von diesem unsensiblen Kahlschlag Abstand zu nehmen.“

Annegret Fleischel sitzt auf einer Holzbank neben dem Grab ihres Sohnes auf dem Melatenfriedhof in Köln.

Wie ein kleiner Garten wirkt das Grab von Annegret Fleischels Sohn Jens.

Unterstützt wird Fiedler auch von Annegret Fleischel. Am Grab ihres Sohnes Jens steht die Bank aus ihrem Innenhof. Ein bunter Maibaum und Rosmarin sind auf das Grab gepflanzt, mit der Holzbank, umgeben von Efeu und Bäumen, wirkt die kleine Ecke wie ein gemütlicher Garten.

Jedes Jahr seit Jens Tod vor acht Jahren trifft sich die Familie zum Geburtstag und Todestag auf der Bank, sie sitzen dort lange und reden mit und über ihn. „Er saß so oft auf dieser Bank“, sagt Annegret Fleischel. Für die 70-Jährige bedeute das gemeinsame Sitzen dort, „dass der geliebte Mensch weiter in unserem Kreis ist und dass wir ihn für immer dort behalten wollen.“

Wir sind keine Spaziergänger, die sich mal ausruhen müssen, wir wollen bei unseren Kindern sitzen
Annegret Fleischel

Damals habe die ehemalige Friedhofsleitung ihr den Eckplatz empfohlen und sogar vorgeschlagen, dort eine Bank aufzustellen. „Ich fühle mich betrogen“, sagt sie. Auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagt eine Sprecherin der Stadt, dass die Zahl der im öffentlichen Bereich von privat aufgestellten Bänken in den vergangenen Jahren stetig zugenommen habe. Mit der Entfernung reagiere die Stadt auf die Beschwerden von Besucherinnen und Besucher. „Die Stadt Köln verfolgt das Ziel, im Interesse der Kölnerinnen und Kölner das Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Melatenfriedhofs als einer der besucherstärksten Friedhöfe in Köln aufzuwerten.“

Die Stadt wisse, dass viele Besucher das Bedürfnis haben, auf einer Bank zu verweilen. „Deshalb stellt sie auf dem Melatenfriedhof und auch auf den anderen Friedhöfen zusätzliche Bänke auf. Zudem besteht weiterhin die Möglichkeit, neben der Spende einer Bank individuelle Wünsche an die Friedhofsverwaltung zur Aufstellung einer weiteren städtischen Bank heranzutragen. Es wird dann geprüft, inwieweit dem jeweiligen Wunsch Rechnung getragen werden kann.“

Eine genormte, grüne Metallbank für 950 Euro wollen die beiden Mütter aber nicht. „Wir sind keine Spaziergänger, die sich mal ausruhen müssen, wir wollen bei unseren Kindern sitzen. Die Aufforderung, die Bank entfernen zu müssen, finde ich absolut herzlos und unsensibel.“

Es gibt aber nicht nur emotionale, sondern auch ganz praktische Gründe für die Bänke direkt am Grab. So gebe es ja auch viele ältere Menschen und Menschen mit Behinderung, die auf eine Sitzgelegenheit direkt am Grab angewiesen seien. „Mein Mann ist schwerbehindert, ich möchte zukünftig kein Campingstuhl mitbringen und vor das Grab stellen müssen“, sagt Dorothee Fiedler.


Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Artikels hatten wir die Kölner Grünen mit der Forderung nach „mehr Fingerspitzengefühl“ zitiert. Korrekt hätte es lauten müssen: „Wir erwarten, dass bei einem so emotionalen Thema mit Fingerspitzengefühl vorgegangen wird.“