Nach der Vernehmung des Kölner Kardinals Rainer Woelki in einem Presserechtsstreit mit der Bild-Zeitung macht eine Strafanzeige auf einen Brief Woelkis an den Vatikan aufmerksam, dessen Inhalt im Widerspruch zu einer beeideten Aussage vor Gericht zu stehen scheint.
Nach VernehmungStrafanzeige gegen Woelki – Verdacht einer Falschaussage unter Eid
Gegen den Kölner Kardinal Rainer Woelki steht der Verdacht einer falschen Aussage unter Eid im Raum. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wurde mit Datum vom Montag bei der Staatsanwaltschaft Köln eine entsprechende Strafanzeige erstattet. Sie bezieht sich auf Woelkis Vernehmung durch das Landgericht Köln am 28. März in einem Rechtsstreit mit der „Bild“-Zeitung.
Darin geht es um die Frage, welche Kenntnisse der Kardinal über Missbrauchsvorwürfe gegen einen Priester des Erzbistums hatte, den er 2017 in eine leitende Stellung beförderte. Woelki wehrt sich vor der Pressekammer des Landgerichts gegen die Behauptung der „Bild“-Zeitung, er habe einschlägige Dokumente über den Priester beziehungsweise deren Inhalt vor dessen Beförderung gekannt. Das Landgericht hat sein Urteil für diesen Mittwoch angekündigt.
Gericht ordnet Vereidigung des Kölner Kardinals an
Vor Gericht führte Woelki unter anderem aus, er habe von konkreten Anschuldigungen eines heute 35 Jahre alten Mannes gegen den Priester aus dem Jahr 2010 keine Kenntnis gehabt. Wörtlich erklärte Woelki: „Bis heute hat mir niemand etwas über die Vorwürfe des Herrn A. (Namenskürzel geändert) berichtet.“ Am Ende seiner mehr als anderthalbstündigen Befragung ordnete die Pressekammer des Landgerichts unter Vorsitz von Richter Dirk Eßer da Silva an, dass Woelki seine umfangreiche protokollierte Aussage beeiden müsse. Eine Falschaussage vor Gericht unter Eid ist ein Verbrechen, das mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünfzehn Jahren, in minder schweren Fällen von bis zu fünf Jahren geahndet wird.
Der Anzeige-Erstatter macht die Staatsanwaltschaft jetzt auf einen vertraulichen Brief Woelkis an den Präfekten der Glaubenskongregation in Rom, Kardinal Luis Ladaria, aus dem November 2018 aufmerksam. Darin schildert der Kardinal dem „lieben Mitbruder im Kardinalskollegium“ auf vier Seiten sämtliche Vorwürfe und Verdachtsmomente, die gegen den beförderten Priester im Raum standen und bittet Ladaria „freundlich um Weisung, ob und gegebenenfalls welche Schritte in dieser Causa nötig sind“.
Ausführlicher Bericht über Meldung eines „sexuellen Kontakts“
Auch auf den im Landgericht erwähnten Fall A. kommt Woelki in seinem Brief eingehend zu sprechen. Er beschreibt, wie das Erzbistum vom Vorwurf eines „sexuellen Kontakts“ zwischen A. und dem Priester Kenntnis erhalten habe und wie die damalige „Ansprechperson“ des Erzbistums, der 2017 verstorbene Prälat Norbert Trippen, sowie die Personalverantwortlichen des Erzbistums mit den Informationen umgegangen seien.
Das Erzbistum machte auf Anfrage geltend, Kardinal Woelki habe das Schreiben zwar abgezeichnet. Er könne sich aber „nicht erinnern, das Schreiben gelesen zu haben“ und gehe daher davon aus, „dass er das Schreiben nicht gelesen hat und sich hinsichtlich der Ausarbeitung auf die fachkundige Arbeit der zuständigen Stelle verlassen hat“. Der Brief nach Rom mit entsprechenden Anlagen sei vom Kölner Offizialat (Kirchengericht) „inhaltlich alleine und selbständig in eigener Verantwortung erstellt“ worden.
Erzbistum betont Stichhaltigkeit von Woelkis Aussagen
Dem Brief Woelkis nach Rom war überdies ein Polizeibericht aus dem Jahr 2001 über einen sexuellen Kontakt des Priesters mit einem 16 Jahre alten Prostituierten am Kölner Hauptbahnhof beigefügt. Die Polizei empfiehlt dem Erzbistum, den Geistlichen aus Gründen der Prävention nicht mehr in der Kinder- und Jugendarbeit einzusetzen. Woelki hat wiederholt vehement bestritten, genau dieses Dokument zu kennen. Die Strafanzeige fordert die Staatsanwaltschaft zu einer rechtlichen Prüfung von Woelkis beeideter Aussage auf, wonach der Kardinal den fraglichen Polizeibericht nicht gesehen und / oder in der Hand gehabt haben will.
Hierzu erklärte das Erzbistum, es sei „heute nicht mehr nachvollziehbar“, ob dem Schreiben bei Vorlage überhaupt schon die insgesamt 59 Anhänge beigelegen hätten. „Selbst wenn, so hat der Erzbischof diese nicht gelesen, da er grundsätzlich davon ausgeht und auch ausgehen kann, dass die Akten führende Stelle die Sachverhalte korrekt nach Aktenlage darstellt.“ Eine erneute inhaltliche Überprüfung durch ihn erfolge nicht mehr.
Zwei laufende Ermittlungsverfahren gegen Woelki
Die Staatsanwaltschaft konnte den Eingang der Anzeige auf Anfrage noch nicht bestätigen. Bis zur Erfassung im System könnten mitunter ein bis zwei Tage vergehen, erläuterte Behördensprecher Ulrich Bremer.
Das Erzbistum betonte überdies, dass die im Raum stehenden Zweifel an der Stichhaltigkeit von Woelkis Aussagen für den Ausgang des presserechtlichen Verfahrens bedeutungslos seien. Hier gehe es allein um Woelkis Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Beförderung 2017.
Unabhängig von diesem Vorgang laufen zwei strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Woelki wegen des Verdachts falscher eidesstattlicher Versicherungen. In einem Fall geht es wiederum um den Fall des beförderten Priesters. Eine Zeugin hatte vor Gericht erklärt, sie habe Woelki sehr konkret über dessen fragwürdigen Lebenswandel informiert. Woelki sagte, ein solches Gespräch es nach seiner Erinnerung nicht gegeben.
Eine weitere Ermittlung bezieht sich auf Aussagen Woelkis zu seinem Kenntnisstand über Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren „Sternsinger“-Präsidenten Winfried Pilz. Während Woelki an Eides statt versichert, er sei vor Juni 2022 nie mit dem Fall Pilz befasst worden, berichtete die frühere Assistentin des Personalchefs im Erzbistum, Hildegard Dahm, in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass sie bereits 2015 für Woelki eine Täterliste mit 14 Namen erstellt habe, auf der auch Pilz stand. Auch hier beharrt der Kardinal auf der Stichhaltigkeit seiner eidesstattlichen Versicherung.