Die Ausstellung „Etel Adnan. Poesie der Farben“ ist eine Feier der Schönheit und bietet die Chance, eine bemerkenswert vielseitige Künstlerin kennenzulernen.
Ausstellung in DüsseldorfEtel Adnan wird erstmals in Deutschland umfassend gewürdigt
„Vögel fliegen und hinterlassen keine Spuren.“ Eine der bemerkenswertesten Künstlerinnen der Moderne wurde, wie so viele ihrer Kolleginnen auch, von der Kunstwelt erst relativ spät wahrgenommen. Jedenfalls hierzulande wird Etel Adnan (1925 Beirut – 2021 Paris) fast immer noch wie eine Neuentdeckung gehandelt und dafür geliebt. Lange Zeit waren lediglich ihre lyrischen Texte einem breiteren Publikum bekannt.
Das hat sich für den westlichen Kunstbetrieb erst in den letzten Jahren geändert, ihre Einladung 2012 auf die documenta 13 in Kassel war wohl ein Wendepunkt. Seither hatte sie mit ihrem malerischen Werk viel beachtete Auftritte, zum Beispiel in Paris, New York, Bern und Amsterdam; und auch der Kunstmarkt ist inzwischen aufgewacht.
Ihr Werk verknüpft die arabischen und westlichen Lebenswelten
Jetzt wird die Dichterin, Malerin und Philosophin Etel Adnan mit der vom Münchener Lenbachhaus und der Kunstsammlung NRW organisierten Ausstellung „Etel Adnan. Poesie der Farben“ erstmals auch in Deutschland umfassend gewürdigt. Dabei, so Kurator Sébastien Delot, wird ausdrücklich eine Balance zwischen Adnans literarischem Werk und ihrer Bildkunst gesucht.
Ihr Werk vereint und verknüpft allerdings nicht nur mehrere verschiedene Medien, sondern auch die arabischen und westlichen Lebenswelten, in denen sie sich bewegte. Gleich im Eingang überwältigt die Besucherinnen und Besucher eine farbig glänzende Keramikwand, die groß und schön daran erinnert, dass die Künstlerin einen Teil ihrer familiären Wurzel im Nahen Osten hat.
1925 wurde die libanesisch-amerikanische Künstlerin in Beirut geboren, wohin ihre griechische Mutter und ihr syrischer Vater nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches geflohen waren. Zu Hause wurde Türkisch gesprochen, mitunter Griechisch, in der Schule Französisch, mit dem Vater lernte sie die arabische Sprache, sie zeichnete Kalligrafien und Verse ab, entdeckte ihre Liebe für das Schreiben.
Später lebte sie lange in Frankreich und in Kalifornien, kehrte zwischenzeitlich immer wieder nach Beirut zurück und verband in ihrem Arbeiten wie selbstverständlich die verschiedenen Sprachen und Kulturen. Ihre Besuche in Mexiko inspirierten sie dabei ebenso wie die Aufenthalte in Nordafrika oder die Begegnung mit Künstlern der Moderne. Einige von ihnen hat man ihr jetzt im K 20 zur Seite gestellt, Kandinsky, Paul Klee, Matisse. Ein kleines rotes Quadrat, das, wie die Kreisform, in den Bildern immer wieder auftaucht, erinnert an Malewitsch, die strahlend weißen Geometrien an die Architekturen Nordafrikas.
Krieg und Exil bildeten oft den Rahmen ihres Lebens
In Paris hatte Adnan ihr 1945 in Beirut begonnenes Philosophiestudium fortgesetzt, ab 1955 dann in Kalifornien, wo sie überhaupt erst 1960 zu malen begann und bald auch das Leporello als Kunstform für sich entdeckte. Sie liebte diese „...endlos sich entfaltenden Papiere“. Sie sind eine Konstante auch der Ausstellung, die fortlaufenden Papierarbeiten mit ihren handschriftlich verfassten Texten, Tusche-Zeichnungen und Aquarellen, die in Vitrinen oder an der Wand breit aufgefächert sind, Bild und Buch zugleich.
Zwei der Faltbilder mit den Texten zeitgenössischer arabischer Dichterinnen und Dichter, „Al-Sayyab. Die Mutter und die verlorene Tochter“ (1970) oder „Untitled“ (1971) aus dem Mathaf: Arab Museum of Modern Art in Doha werden erstmals überhaupt in Europa gezeigt.
Immer wieder musste sich Etel Adnan in ihrem Leben in neuen Umständen zurechtfinden, Krieg und Exil bildeten dabei oft den Rahmen. So ist es kein Wunder, dass trotz aller feierlichen Schönheit ihrer Malerei, auch dieser düstere Unterton zu vernehmen ist.
In mehreren Kapiteln behandelt die Ausstellung die verschiedenen Phasen und Themen in Adnans Kunst. Ein ganzer Raum ist ihrem literarischen Werk gewidmet, den Romanen, Essays und journalistischen Texten. Immer wieder bezieht die Künstlerin darin auch politisch Stellung, sie ist eine wichtige Stimme in der arabischen Welt, schreibt aber auch zu Jazz, Popmusik, Film oder Theater.
Seit Etel Adnan bei ihrer Ägyptenreise 1966 die Weberei von Bildteppichen kennengelernt hat, lässt auch dieses Medium sie nicht mehr los: Bilder zum Einrollen und Mitnehmen. Besonders ausführlich betrachtet die Ausstellung die einzigartig schönen, kleinen und großen mehr oder weniger abstrakten Gemälde der Künstlerin. Neben den sichtbaren Mal- und Spachtelspuren und den intensiven Farben ist die Landschaft ein Ankerpunkt vieler ihrer Gemälde: Ahnungen von Horizont, von hinter-, neben- und übereinander gestaffelten Farbblöcken und –streifen, von Erde und Himmel und Licht und Schatten und von Weite. Ihre Kunst ist dabei nicht nur ein Lob der Farbe und Feier der Schönheit, es sind die „Kraftlinien der Natur“, die sie zu finden und wiederzugeben sucht. Die Malerei wird ihre universelle Sprache.
Ein häufiger wiederkehrendes Motiv in ihren Bildern ist neben den elementaren Grundformen der Mount Tamalpais, ein großer Hügel nördlich von San Francisco, den sie von ihrem Fenster aus sehen konnte. So wie einst Paul Cézanne den Mont Sainte-Victoire hat Adnan den kleinen Berg immer und immer wieder gemalt, zusammengesetzt aus einigen wenigen Farbflächen oder Federstrichen. Er sieht jedes Mal anders aus.
Ja, so hatte es ihre Partnerin Simone Fattal einmal formuliert, Etel Adnan „sagt alles in wenigen Worten“.
Etel Adnan. Poesie der Farben, Kunstsammlung NRW, Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf, Neue Öffnungszeiten: Di.–So. 11-18 Uhr, neue Preise: Kinder und Jugendliche Eintritt frei, Studenten und Azubis 5 Euro.