So war der Kölner TatortKriegt der Weihnachtsmann eigentlich Mindestlohn?

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Zu sehen sind zwei Männer mit Weihnachtsmannkostümen. Sie sitzen nebeneinander. Hinter ihnen ist ihre Firma, sie ist weihnachtlich dekoriert.

Klaus Brettschneider (Hans Martin Stier) und Boris Riedle (Nils Hohenhövel) arbeiten als Paketboten

Im neuesten Kölner Tatort ermitteln Ballauf und Schenk wegen eines Mordes bei einem Zustellservice. Dabei kommt naheliegenderweise nur wenig Weihnachtsstimmung auf.

Gäbe es den Weihnachtsmann wirklich, er wäre wohl der perfekte Mitarbeiter für Amazon. Wer in Windeseile die ganze Welt mit Geschenken beliefern kann, hat eigentlich ganz gute Argumente für eine Gehaltserhöhung.

Die haben aber auch die Paketboten, die im neuesten Kölner Tatort „Des anderen Last“ zu sehen sind. Sie haben unter der strengen Hand ihrer Chefin Sybille Jäger (Susanne Bredehöft) zwar kaum Zeit für eine Pinkelpause, sollen aber Weihnachtskostüme tragen, während sie die Menschen mit Waren beliefern. Sprüche unzufriedener Kunden sind hier noch das kleinste Übel: Der Paketbote Milan Strasser (Dennis Svensson) wird während einer Tour von einem maskierten Täter erstochen.

Beim Kölner Tatort „Des anderen Last“ kommt man nicht in Kaufstimmung

Um den Mordfall aufzuklären, schleusen die Kölner Ermittler Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär)  ihre Kollegin Natalie Förster (Tinka Fürst) im Zustellservice ein. Mit ihr lernt das Publikum den Alltag der Zustellerinnen und Zusteller kennen. Angelernt wird sie von Jenny Wegner (Paula Kober), die sich abseits der Arbeit liebevoll um ihren älteren Nachbarn kümmert und ihm hilft, die richtigen Türchen in seinem Adventskalender zu finden. Dann wäre da noch der „Sandalenklaus“ (Hans-Martin Stier), der aus der Rente zurückgekehrt ist, weil es finanziell eben nicht reicht. Und nicht zuletzt der beste Freund des Verstorbenen, der aber auch auffällig viel Zeit mit seiner Witwe (Zoe Valks) verbringt: Boris Riedle (Nils Hohenhövel). Er macht aus seinem Job einen Sport, indem er seinem Lieferrekord nachjagt. Ein wahrer Märtyrer des Kapitalismus.

Besonders zu Beginn deutet sich da eine Vielfalt von Lebenssituationen an, die aber leider nur bei einer Andeutung bleibt. Trotzdem bieten die Paketboten einen gelungenen Kontrast zu Ballauf und Schenk, die parallel zu den Ermittlungen ihre Weihnachts- und Wichteleinkäufe erledigen, natürlich mithilfe von Online-Shops. Natalie Förster dagegen hat mit ihrem neuen Job alle Hände voll zu tun. Gelungen ist auch, wie sie sich zwar einerseits mit Jenny anfreundet, aber dabei nicht eine Sekunde lang ihre Ermittlung vergisst. Selbst beim gemeinsamen Glühweintrinken lässt sie eine Tasse mitgehen, wohl um ihre Fingerabdrücke und DNA-Spuren zu bekommen. Noch am selben Abend segnet den nächsten Paketfahrer das Zeitliche: Auch Boris stirbt bei einem Überfall während seiner Tour.

Die Auflösung des Falls zum Kölner Tatort

Über Jennys Adventskalenderfreund bekommt Natalie Förster den entscheidenden Hinweis auf die Mörderin. Offenbar ist Jenny auf einem misslungenen Rachefeldzug unterwegs. Da ein Paketbote ihren Freund überfuhr und dann Fahrerflucht beging, verfolgte sie das Auto hin zum Lieferservice und begann dort zu arbeiten. Da sie Milan Strasser für den Unfallfahrer hielt, stellte sie ihn bei seiner Schicht - vielleicht, um die Wahrheit aus ihm zu kriegen - und stach ihn nieder, als er drohte sie zu erwürgen. In seiner Todesstunde behauptete Milan aber, dass in Wirklichkeit Boris gefahren sei, und Jenny erledigte auch ihn. Der Glühweinabend mit der Polizistin diente dabei als Alibi.

In Wahrheit war aber die Witwe Lena Strasser (Zoe Valks) am Steuer - sie hatte für ihren kranken Freund übernommen, weil noch so viele Pakete geliefert werden mussten, und übersah das Fahrrad, weil sie auf dem Handy nach dem Weg schauen musste. Am Ende konfrontieren sich die beiden Frauen, die beide eine geliebte Person verloren haben und Ballauf und Schenk müssen Schlimmeres verhindern.

Das Fazit zum Kölner Tatort

Eigentlich hätte die Folge, wäre sie kein Tatort, wunderbar auf die Krimielemente verzichten können. Als Drama über die Arbeitswelt der Paketboten gibt „Des anderen Last“ ein paar spannende Einblicke zu einer Zeit, in der so mancher über das Internet Weihnachtsgeschenke bestellt. Der Weckruf kommt zur richtigen Zeit. Besonders die Beziehung zwischen Natalie Förster und Jenny bietet ein gutes Eingangstor, um von außen in diese Welt zu kommen. Aber auch der aus der Rente gekommene Sandalenklaus oder der Lieferrekordjäger Boris zeigen, wie unterschiedlich Menschen auf ihre Arbeitsbedingungen reagieren. 

Deswegen fügt sich die Vorgeschichte um Jennys Motivation letztlich besser in die Folge ein als die eigentlichen Morde. Auf der einen Seite stirbt ein Mensch, weil eine kapitalistische Logik den Paketzusteller maßlos überfordert und seine ebenfalls überforderte Freundin es ausbügeln muss. Also ein recht bodenständiger, wenn auch tragischer Vorfall, der klar auf die Kappe des Kapitalismus geht. Auf der anderen Seite steht eine Rachegeschichte, bei der die bis dahin unschuldig wirkende Jenny plötzlich das Messer oder den Taser zückt und gleich mehrere Menschen ermordet, von denen aber keiner wirklich am Tod ihres Freundes schuldig war. 

Und dann entwickelt auch die Witwe des ersten Opfers Rachegefühle und will Jenny töten. Auf der Suche nach Spannung stampft dieser Krimi vom Weg des Menschlichen hinein in ein Genre, das den Ton der Handlung untergräbt. Dadurch gerät die Folge in Schieflage. Dass sich am Ende der Folge Ballauf, Schenk und Kollegen zu einer Weihnachtsfeier treffen und weiße Weihnachten genießen, wirkt dann doch etwas zynisch. Auch wenn die Darstellerinnen und Darsteller einen guten Job machen, bleibt „Des anderen Last“ durchschnittliches deutsches Unterhaltungsfernsehen.

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