Voodoo Jürgens in KölnDer Mann, den Pete Doherty auf dem Friedhof sucht

Lesezeit 3 Minuten
Voodoo Jürgens steht auf der Bühne des Gebäude 9 in Köln.

Voodoo Jürgens am Mittwochabend im Gebäude 9

David Öllerer alias Voodoo Jürgens brachte eine Extraportion Wiener Schmäh ins Kölner Gebäude 9. 

Der Pete Doherty, erzählt man sich, soll in seiner Crackpfeifenzeit einmal sämtliche Friedhöfe Wiens abgeklappert haben, auf der Suche nach seinem Freund, dem Öllerer, David. Der sang wie er in einer Band, freilich nicht so erfolgreich wie die Libertines. Weshalb der Öllerer sich seine Miete als Friedhofsgärtner erwirtschaften musste. Da ist man immer an der frischen Luft und die Toten lassen einen ja auch in Ruhe.

Irgendwann soll Doherty den Sangesfreund tatsächlich gefunden haben. Nur: wer weiß schon, ob die Geschichte stimmt. Verbürgt ist immerhin die britisch-österreichische Freundschaft. Und ebenso der Job auf dem Matzleinsdorfer Gottesacker.

Und das wunderbare Draufmach-Lied „Heite grob ma Tote aus“ („Heute graben wir Tote aus“), mit dem David Öllerer 2016 seinen ersten Hit landen konnte, unter dem wunderbaren Bühnennamen Voodoo Jürgens (der verballhornte Udo lag da auch schon unterm Gras und konnte sich nicht beschweren).

Die schwankende Gernegroß-Hymne singt Voodoo Jürgens selbstverständlich auch am Mittwochabend im Gebäude 9: „Heite samma stuiz auf uns/ Wir finden sicha no an Grund“ („Heute sind wir stolz auf uns/ Wir finden sicher noch einen Grund“) bellt er und lässt dabei die schmalen Hüften kreisen. Seine fünfköpfige, extrem motivierte Band scheppert dazu wie eine Friedhofsfete aus Twist tanzenden Skeletten und der Mann am keuchenden Harmonium stößt gleichzeitig noch in die Trompete. Mit seinem flatternden Second-Hand-Anzug und dem Polyesterhemd mit Dackelohrkragen sieht er aus, als wäre er gerade aus einer alten „Kottan ermittelt“-Folge hereinspaziert. Seine Goldkette wiegt wahrscheinlich mehr als er.

So viel morbider Schmäh, so viel Strizzi-Schick, das muss doch kalkuliert sein? Jein: Öllerer weiß, wo er seine Themen findet, aber in vielen seiner Lieder singt er schlicht von sich selbst, vom Aufwachsen zwischen „Zuckerbude und Kadaverfabrik“ im niederösterreichischen Nest Tulln, vom gemobbten Schulkind, dessen Vater im Knast saß, von der abgebrochenen Lehre als Zuckerbäcker, vom randständigen Leben an sich: Vom gelangweilten Rauchen und Spucken in der Bushütte, vom Stadtparkfredl, der einem 500 Schilling gegeben hat, wenn man ihm beim Wichsen zuschaut, von trunkenen Kneipengeständnissen, so tieftraurig, das man lachen muss.

Voodoo Jürgens und die Vergänglichkeit der Dinge

Mit ausgestreckter Hand lädt Voodoo Jürgens seine Zuhörer ein in seine kleine, beschissene, aber irgendwie auch zauberhafte Welt, besingt in „Federkleid“ vom neuen Album „Wie die Nocht noch jung wor“, die süße Vergänglichkeit der Dinge: Vom „koirobnschworzn Hoa“ („kohlrabenschwarzen Haar“, ist Wienerisch nicht der beste aller Dialekte?) der Geliebten bleibt ein Vogel in einem schwarzen Federkleid.

Da denkt man an Ludwig Hirschs „Komm großer schwarzer Vogel“, auch so ein Friedhofslied und, klar, Öllerer hat die Lieder seines schwarzromantischen Vorgängers auch schon auf der Bühne interpretiert. Voodoo Jürgens kann ewig so weitermachen und das soll er bitteschön auch: Ein verlorener Junge, der sich gefunden hat.

KStA abonnieren