600 VesperkonzerteVor 50 Jahren begründete Hans-Peter Göttgens Konzertreihe in Steinfeld

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Hans-Peter Göttgens im Innenraum der prächtigen Basilika.

Hans-Peter Göttgens begründete vor 50 Jahren die Vesperkonzertein der Steinfelder Basilika als Benefizveranstaltungen, um die dringend nötige Restaurierung der berühmten Barockorgel von Balthasar König zu bezahlen.

Um Geld für die Sanierung der berühmten König-Orgel zu sammeln, ersann Hans-Peter Göttgens 1974 die Vesperkonzerte in der Basilika von Kloster Steinfeld.

In diesem Jahr wird es ein halbes Jahrhundert: Seit 50 Jahren finden die meist monatlichen „Vesperkonzerte“ in der Basilika Steinfeld statt. Hans-Peter Göttgens hat sie 1974 begründet. Damals ging es um die Restaurierung der berühmten Barockorgel von 1727, die Balthasar König erbaut hat.

Göttgens schmunzelt. 140 000 D-Mark – das war Anfang der 1970er-Jahre viel Geld. Doch genau darum ging es ja: Die von Balthasar König, der seine Werkstatt in Bad Münstereifel hatte, 1727 erbaute Barockorgel musste dringend restauriert werden. 450 000 D-Mark waren aufgerufen, die je zu einem Drittel von der damaligen Kirchengemeinde Steinfeld, dem Denkmalschutz und dem Bistum bezahlt würden.

Steinfelder Kirchenvorstand stand vor einem großen Problem

Göttgens' IdeeTeuer wurde das auch deshalb, weil 1927, bei der letzten Aufarbeitung des Großinstrumentes, die Orgel nicht denkmalgerecht erweitert worden war. Das musste jetzt rückgängig gemacht werden, machte der Denkmalschutz zur Bedingung. Der Kirchenvorstand war schlicht ratlos: 150 000 D-Mark? Wie sollte man das aufbringen.

Doch da hatte man die Rechnung ohne den 1971 nach seinem Lehramtsstudium ans Hermann-Josef-Haus in Urft gekommenen Lehrer Hans-Peter Göttgens. Er war musikbegeistert, hatte als Jugendlicher Klavier- und Orgelunterricht bekommen und als junger Mann unter anderem schon an der Orgel des Aachener Doms gespielt. Natürlich kannte er auch die König-Orgel in Steinfeld, im Dorf baute er 1982 sein Haus für die Familie. „Meine Frau Marlene und mich trieb das um“, so Göttgens in seinem Wohnzimmer im Rückblick. Was also tun?

Organisten kommen aus aller Welt, um auf der König-Orgel zu spielen

„Wir beschlossen, einfach jeden, den wir kannten, anzurufen und um Unterstützung zu bitten“, erinnert sich der heute 89-Jährige. Es ging um das erste „Benefizkonzert“ zugunsten der Restaurierung der König-Orgel, der Termin sollte in der Adventszeit des Jahres 1974 sein. Die dann kamen, waren gleich viele: das komplette Blasorchester aus Stollwerck bei Aachen samt Chor. Göttgens kannte denn Dirigenten. 50 Jahre ist das her, genauer im November 2024, als mit den „Benefizveranstaltungen“ so eine Tradition begründet wurde.

Das Bistum Aachen allerdings fand die Idee nur bedingt gut. Es habe einen Ukas gegeben, dass erstens in Kirchen keine Bezahlkonzerte stattfinden dürfen und zweitens die Kirche immer für alle Gläubigen offen sein müsse, so Göttgens. Also wurden die „Benefizkonzerte“ zu „Vesperkonzerten“, immer mit einem geistlichen Teil wie einem vorgetragenen religiösen Text versehen. Am Eingang wurde eine Spendenbox aufgestellt, die Einnahmen auf ein Sonderkonto überwiesen.

Das Luftbild zeigt die Klosteranlage.

Kloster Steinfeld mit der Basilika.

„1974 fing die Orgelrestaurierung an, 1982 war sie beendet, 1983 bezahlt“, fasst Hans-Peter Göttgens den Lauf der Dinge zusammen. 140 000 D-Mark des 150 000 D-Mark hohen Eigenanteils der Kirchengemeinde waren zusammengekommen. Hunderte kleine Einzelspenden, am Ende aber auch einige größere, etwa von Stiftungen. Damit hatten die Konzerte eigentlich ihren Zweck erfüllt. Doch sie gingen weiter.

Bis heute sind es 600 geworden. „Als die Orgel fertig war, sprach sich das schnell in der Szene herum. Alle wollten auf ihr spielen“, so Göttgens. Die Steinfelder Barockorgel gilt als eine der wertvollsten im Rheinland. Die Folge: Göttgens und das Organisationsteam wurden mit Anfragen von Organisten aus aller Welt überschüttet: „Aus den USA, Australien, Japan kamen die hierhin“.

Als die Orgel fertig war, sprach sich das schnell in der Szene herum. Alle wollten auf ihr spielen.
Hans-Peter Göttgens

Bis 1992 leitete er die „Vesperkonzerte“, dann übernahm bis 2019 der Steinfelder Organist Andreas Warler, seitdem teilen sich Organist Michael Pützer und Regionalkantorin Holle Görtz die Aufgabe. Hans-Peter Göttgens, der die letzten sieben Jahre bis zur Pensionierung Schulleiter am Hermann-Josef-Haus war, hat allerdings noch weitere Aufgaben an der Basilika: Von 1971 bis 2017 leitete er den Basilika-Chor, und seit 30 Jahren übernimmt er den 8-Uhr-Dienst an der Orgel zur Sonntagsmesse. Auch noch mit 89.

„Wo gab es in der Eifel in den 1970er-Jahren regelmäßige Kirchenkonzerte?“ Es ist eine rhetorische Frage, denn Göttgens war mit den „Vesperkonzerten“ mutmaßlich einer der Pioniere. Heute ist das anders. In vielen Kirchen des Kreisgebietes finden gerade zur Advents- und Weihnachtszeit Konzerte statt, oft verbunden mit der Bitte um Spenden etwa fürs neue Kirchendach, die Fassadensanierung – oder die Restaurierung der Orgel.

Auch André Pagenel spielte schon auf der Orgel

„Was haben meine Frau, ohne deren Rückhalt und den der Familie das alles nicht gegangen wäre, da für Leute kennengelernt“, erinnert sich Hans-Peter Göttgens. Als eines Tages André Pagenel, Organist der berühmten Kathedrale im französischen Bourges, mit seiner Frau zum Gastspiel anreiste, stellten Göttgens und die Freunde des Konzertteams verblüfft fest, dass der bekannte Organist blind ist. Er habe ihn dann die Orgeltreppe hoch zum Spieltisch geführt.

Die Hände Pagenels ertasteten die drei übereinanderstehenden Klaviaturen, die 36 in Zweierreihen links und rechts vom Spieltisch angebrachten Züge der Register. „Und dann spielte er, natürlich auswendig“, so Göttgens: „Es war sagenhaft!“

Dieses Konzert und einige andere hat er bis heute nicht vergessen. Auch dafür lohnt es sich, selbst mit 89 Jahren noch vor jedem Konzert die Zuhörer und Zuhörerinnen vom Pult neben dem Altar in der Basilika zu begrüßen. Und das auch zum 601. Mal.

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