„Regulierungswut der EU“Milchautomat druckt jetzt einen Kassenbon, den keiner braucht

Lesezeit 4 Minuten
Rainer Berlingen steht mit einer Flasche Milch und einem Kassenbon in der Hand an der „Milchtankstelle“ auf seinem Hof.

Milchbauer Rainer Berlingen, der in Blankenheimerdorf auf dem Hubertushof 70 Milchkühe hält und einen Teil der Milch über die „Milchtankstelle“ verkauft, ärgert sich darüber, dass der Automat nun einen Bon drucken können muss.

Die Betreiber von sogenannten Milchtankstellen im Kreis Euskirchen sehen eine neue Verordnung als Beispiel für die Regulierungswut der EU.

Dass die Agrardiesel-Pläne der Bundesregierung nur der berühmte Tropfen gewesen seien, der das Fass zum Überlaufen und die Bauernproteste ins Rollen brachte, das war in der vergangenen Woche häufiger zu hören.

Die Vielzahl der Vorgaben für die Landwirte aus Brüssel und der mitunter besondere Eifer deutscher Behörden, diese Verordnungen in gültiges Recht zu überführen (und die Einhaltung der Vorschriften auch entsprechend zu überprüfen), das sind laut Bäuerin Marga Flatten einige der Gründe, die den Landwirten derzeit den Spaß an ihrem Beruf nehmen.

Automat im Kuchenheimer „Milchhäuschen“ für 1800 Euro umgerüstet

Ein Beispiel für diese, wie viele Landwirte sagen, „Regulierungswut“ ist die Vorschrift zur Belegpflicht an sogenannten Milchtankstellen. Die Familie Flatten betreibt einen Gemischtbetrieb mit Ackerbau, Grünland und Milchviehhaltung mit zwei Betriebsstandorten in Swisttal und Kuchenheim.

Das ist doch wirklich ein Witz: Wer lässt sich einen Bon für einen Liter Milch drucken, der hier am Automat 1,30 Euro kostet?
Bäuerin Marga Flatten

Zum Aussiedlerhof an der Palmersheimer Straße gehört auch das „Milchhäuschen“, wo über verschiedene Automaten rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche Frischmilch und andere landwirtschaftliche Produkte wie Kartoffeln, Zwiebeln, Eier, Nudeln und Honig aus eigener Produktion oder von Betrieben aus der Region angeboten werden.

Die Milchtankstelle gibt es dort seit dem Jahr 2017. „Im vergangenen Jahr mussten wir aber noch mal knapp 1800 Euro in den Milchautomaten investieren“, ärgert sich Marga Flatten. Der Grund: Laut einer neuen EU-Vorschrift muss das Gerät einen Kassenbon für den Kunden drucken können (siehe auch „Automat muss geeicht sein“).

Milchbauer Rainer Berlingen: „Das braucht kein Mensch“

„Dass danach noch nie ein Kunde gefragt hat, das interessiert aber nicht“, so Flatten: „Das ist doch wirklich ein Witz: Wer lässt sich einen Bon für einen Liter Milch drucken, der hier am Automat 1,30 Euro kostet? Da wird doch der ganze Brüsseler Regulierungswahnsinn deutlich“, so die gelernte Hauswirtschaftsmeisterin.

Milchbauer Rainer Berlingen versorgt seine Kühe im Stall.

An den Protesten der vergangenen Woche hat sich Rainer Berlingen auch beteiligt.

Nicht viel anders schätzt auch Rainer Berlingen die Lage ein, der auf dem Hubertushof in Blankenheimerdorf ebenfalls einen Frischmilchautomaten betreibt. „Das braucht kein Mensch“, sagt der 35-jährige Landwirt: „Bei uns ist der Milchautomat schon seit zehn Jahren in Betrieb, da hat noch nie ein Kunde nach gefragt.“

Dass bei ihm durch Eigenleistung die Investition für die Nachrüstung des Belegdruckers geringer ausgefallen ist als bei seinen Berufskollegen in Euskirchen, ist für Berlingen nur ein schwacher Trost. „Seit wir den Drucker nachgerüstet haben, hat das kaum ein Kunde genutzt – da ist noch die erste Rolle drin“, so Berlingen. Wenigstens werde der Bon nicht automatisch, sondern erst auf Wunsch des Kunden vom Automat ausgedruckt. Was ihn hingegen ärgert: „Das ist Thermopapier, also Sondermüll.“

Viele Kunden wollen frische Milch aus dem Automaten

Trotzdem: Das Geld für die Druckernachrüstung müsse ja erst wieder erwirtschaftet werden. Das sollte jedoch möglich sein, denn beide Anbieter (einen weiteren Milchautomaten gibt es noch auf dem Taubentaler Hof in Keldenich) berichten von einer guten Kundennachfrage. „Im Durchschnitt haben wir einen Durchlauf von rund 700 Litern pro Monat“, sagt Senior-Chefin Monika Berlingen.

Noch besser läuft der Automat im Milchhäuschen bei Kuchenheim:„Vergangenen Samstag waren es zum Beispiel 140 Liter, und während der Coronazeit haben wir auch schon einmal 200 Liter pro Tag über den Automat verkauft“, sagt Marga Flatten: „Man muss sich manchmal schon wundern, wann die Leute Milch holen kommen – aber genau dafür ist der Automat ja da.“

Wegen der geringeren Nachfrage in Blankenheimerdorf würde Rainer Berlingen jedoch keinen neuen Automaten mehr aufstellen, wenn der alte mal ersetzt werden müsste. „Inklusive Holzverschlag haben wir vor zehn Jahren schon rund 24.000 Euro in den Automaten investiert“, so der Milchbauer, der in seinem Betrieb rund 70 Kühe im Stall stehen hat.

An den Protesten der vergangenen Woche hat auch er sich beteiligt. „Nur nach Berlin mitfahren – das war für mich nicht möglich“, bedauert der Landwirt aus Blankenheimerdorf: „Ohne Angestellte oder Familienmitglieder, die die ganze Arbeit übernehmen könnten, geht das in meinem Betrieb nicht.“


Automat muss geeicht sein

Warenautomaten, wie man sie vom Bahnhof oder aus der Betriebskantine kennt, sind eigentlich von der seit dem Jahr 2020 geltenden Pflicht zur Belegausgabe (wir erinnern uns an den Brötchen-Bon in der Bäckerei) ausgenommen.

Das Problem bei den Milchtankstellen ist jedoch, dass der Automat kein fertig verpacktes Produkt (zum Beispiel einen Müsliriegel) ausgibt, sondern die Milch – in der Regel die Menge von einem Liter – abmisst und erst während des Kaufvorgangs für den Kunden abfüllt. Damit der Kunde tatsächlich auch einen Liter erhält, muss der Milchautomat geeicht sein.

Laut Landesvereinigung Milch NRW müssen daher bereits seit dem 1. Januar 2023 alle Milchtankstellen nach jedem Zapfvorgang einen Beleg für den Kunden ausdrucken, auf dem ersichtlich ist, wieviel Milch gezapft wurde und was sie kostet. „Wird der Automat weiter ungeeicht betrieben, liegt eine Ordnungswidrigkeit vor“, so die Landesvereinigung Milch.  

KStA abonnieren