ProzessIndizien reichen nicht für Verurteilung von mutmaßlichem Drogendealer aus Sankt Augustin

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Amtsgericht Siegburg

Amtsgericht Siegburg

Der 56-Jährige soll größere Mengen Kokain und Heroin verkauft haben. Eindeutige Beweise dafür fand das Siegburger Schöffengericht nicht.

Dass der 56 Jahre alte Angeklagte auf die eine oder andere Art in Drogengeschäfte verwickelt war oder noch ist, stand am Ende des Verfahrens vor dem Siegburger Schöffengericht sowohl für die Staatsanwaltschaft als auch für den Vorsitzenden Richter Alexander Bluhm fest. Dafür spricht vor allem der von der Polizei sichergestellte Chatverlauf von einem der zahlreichen Mobiltelefone des Sankt Augustiners. In schöner Regelmäßigkeit hatten Unbekannte dort mal „Schnee“ für 30 Euro, mal „etwas für meine Psyche“ für 20 Euro oder aber „Braunes für 50 und Weißes für 70 Euro“ geordert.

Saal 38 des Siegburger Amtsgerichts konnte der mehrfach vorbestrafte alleinerziehende Vater einer 16 Jahre alten Tochter jetzt allerdings mit einer überschaubaren Geldstrafe von 500 Euro wegen wiederholten Fahrens ohne Führerschein verlassen — wegen der Fahrt zu einem mutmaßlichen Drogendeal. Den eigentlichen Tatvorwurf des gewerbsmäßigen Handels mit fast einem Pfund Heroin und Kokain mit einem Wirkstoffanteil von mehr als 100 Gramm konnte ihm nämlich nicht nachgewiesen werden, auch wenn einige Indizien für seine Täterschaft sprachen.

Wohnung eines Dealers in Troisdorf wurde wochenlang überwacht

Ins Visier der Ermittler war der 56-Jährige, der selbst immer wieder Drogen konsumiert, im Frühjahr 2022 geraten. Beamte in Zivil hatten schon längere Zeit die Wohnung eines inzwischen verurteilten Drogendealers in Troisdorf überwacht. „Immer wieder sind Personen, die wir der Drogenszene zuordnen, für kurze Zeit in das Haus gegangen, um dann wenige Minuten später erkennbar unter Drogeneinfluss wieder herauszukommen“, schilderte eine Kripobeamtin im Zeugenstand.

Am 16. März 2022 erschien auch der Angeklagte dort in der Wohnung des Drogendealers, „ein Kumpel“, wie er sagte. Auf dem Weg dorthin hatte der 56-Jährige durch Zufall gesehen, dass seine Tochter und deren Freund, ein Neffe des Drogendealers, in eine Polizeikontrolle geraten waren. Er habe den befreundeten Dealer vor der Polizei warnen wollen, sagte der Angeklagte vor Gericht. Deshalb sei er zu dessen Wohnung geeilt.

Nur Minuten, nachdem er dort angekommen war, stürmten Polizeibeamte die Wohnung. Dort lagen auf einem Tisch im Wohnzimmer unterschiedlichste Drogen und rund 20.000 Euro Bargeld. Er sei angesichts des überfallartigen Eindringens der Polizeibeamten in Panik geraten, räumte der Angeklagt ein.

Mutmaßlicher Dealer wollte Kokain in der Toilette verschwinden lassen

Ohne darüber nachzudenken, habe er „einen großen Brocken“ Kokain vom Tisch genommen, sei ins Badezimmer gerannt und habe versucht, die Drogen in der Toilette verschwinden zu lassen. Dazu kam es allerdings nicht. Ein Polizist konnte ein Großteil des Kokains sichern, bevor der Angeklagte die Toilettenspülung betätigte.

Die Staatsanwaltschaft wertete die misslungene Beseitigung von Beweismitteln als Versuch, seine Beteiligung an einem Drogendeal zu verschleiern. Der 56-Jährige sei der Lieferant des Dealers, zumindest aber dessen Drogenkurier, lautete ihr Tatvorwurf. Mehr als Indizien dafür brachten aber auch rund vier Stunden Gerichtsverhandlung und die Vernehmung von sieben Zeugen nicht an den Tag.

Möglich und sogar wahrscheinlich sei, dass eine Frau, die sich zum Zeitpunkt der polizeilichen Durchsuchung ebenfalls in der Wohnung des Dealers aufhielt, dessen Lieferantin sei, mussten der Vorsitzende Richter und die Staatsanwältin einräumen.

Bei der Frau hatten die Ermittler größere Mengen Bargeld sichergestellt, in ihrem Auto eine sogenannte Bubble mit Heroin. Zudem hatte ein Drogenspürhund im Auto der Frau an einer Lüftungsdüse angeschlagen. Nicht auszuschließen, dass sie dort eine größere Drogenmenge versteckt und geschmuggelt hatte.

„Da hat sich im Verlauf der Hauptverhandlung einiges zu ihren Gunsten entwickelt“, gab der Vorsitzende Richter dem Angeklagten bei der Urteilsverkündung mit auf den Weg. „Dass Sie aber trotzdem etwas mit Drogenhandel zu tun haben, ist uns allen klar.“

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