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„Das Ziel ist der Zusammenbruch“TV-Doku zeigt den tiefen Abgrund, auf den Amerika jetzt zusteuert

Lesezeit 4 Minuten
Donald Trump wurde 2025 zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt. (Bild: 2025 Getty Images/Anna Moneymaker)

Donald Trump wurde 2025 zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt. (Bild: 2025 Getty Images/Anna Moneymaker)

„Wir befinden uns mitten in einem kalten Bürgerkrieg“, heißt es in einer erhellenden TV-Doku über die Demokratiekrise der USA. Betrieben wird die Spaltung seit rund 40 Jahren von einer radikalen Minderheit. Ihre Methoden und deren Erfolg sollten uns auch hierzulande zu denken geben.

Nein, eine Laune der Demokratie-Geschichte ist der Mann, der nun zum zweiten Mal ins Weiße Haus eingezogen ist, wohl nicht. Dass Donald Trump wieder US-Präsident ist, entsetzt so manche Beobachter im Ausland und in den Vereinigten Staaten selbst. Und doch ergibt seine Wiederwahl eine geradezu erschreckende Logik - verbunden mit ganz düsteren Aussichten für die Zukunft der USA.

Donald Trump (links) mit Newt Gingrich, einem Pionier des konservativen Populismus in den 80er-Jahren, an dessen aggressivem Verhalten sich der Präsident orientiert. (Bild: 2016 Getty Images/John Sommers II)

Donald Trump (links) mit Newt Gingrich, einem Pionier des konservativen Populismus in den 80er-Jahren, an dessen aggressivem Verhalten sich der Präsident orientiert. (Bild: 2016 Getty Images/John Sommers II)

„Der Siegeszug der radikalen Rechten ist das Ergebnis einer wohlüberlegten Strategie. Vor über 40 Jahren wurde sie in Gang gesetzt von einer Minderheit, die nach der Macht strebte“, heißt es eingangs in Alice Cohens TV-Dokumentation „USA - Der Aufstieg der Ultrarechten“. Entstanden ist der Film schon vergangenes Jahr, vor dem zweiten Wahlsieg Trumps. Hoch aktuell ist er noch immer, weshalb ARTE die rund 50 Minuten an einem USA-Themenabend nun noch einmal zeigte. Sie bringen viel Licht in eine finstere Entwicklung.

Fatale Entwicklung begann vor 40 Jahren mit Newt Gingrich

Newt Gingrich heißt der ehemalige republikanische Kongressabgeordnete, dem die Doku die zweifelhafte Errungenschaft zuweist, dem Trumpismus den Weg geebnet zu haben. Er habe in den 80er- und 90er-Jahren als Erster verstanden, dass man mit Angst Stimmung machen kann.

Noch nie waren Ultrarechte in den USA so sichtbar und zahlreich wie heute.  (Bild: ARTE /  Getty Images)

Noch nie waren Ultrarechte in den USA so sichtbar und zahlreich wie heute. (Bild: ARTE / Getty Images)

„Gingrich war ein Extremist“, sagt der Politikwissenschaftler Larry Sabato in der ARTE-Doku. Er sei entschlossen gewesen, „jegliche Opposition zu vernichten, in der eigenen wie in der gegnerischen Partei“. Berüchtigt ist die Liste an Schmähvokabeln, die er in Umlauf brachte, um den politischen Gegner in Misskredit zu bringen. Man vernimmt sie noch heute in großer Verlässlichkeit aus dem Munde Donald Trumps.

Sehr anschaulich zeichnet der Film nach, wie die extremen Rechten über Jahre und Jahrzehnte von randständigen Akteuren ins Zentrum der Macht gelangten. Wie die erzkonservative Juristen-Vereinigung The Federalist Society den so bedeutenden Supreme Court kapern konnte. Wie libertäre Milliardäre die Tea-Party-Bewegung zur systemfeindlichen Kampftruppe mobilisierten. Und wie der Sender Fox News zu jener „Fake News“-Schleuder wurde, ohne die Trump wohl nie Präsident geworden wäre.

„Das Ziel ist der Zusammenbruch, das Ziel ist Chaos“

Fackelzug nach nationalsozialistischem Vorbild: Rechtsradikale bei der Demonstration „Unite the Right“ in Charlottesville, 2017.  (Bild: ARTE / Vice Media)

Fackelzug nach nationalsozialistischem Vorbild: Rechtsradikale bei der Demonstration „Unite the Right“ in Charlottesville, 2017. (Bild: ARTE / Vice Media)

Blair Levin war Berater von Präsident Barack Obama. Im Film formuliert er einen Gedanken, der zynisch klingt, aber nicht wenig plausibel: „Meiner Meinung nach ist es ein echtes Problem der Demokraten, dass sie dazu neigen zu glauben, dass sich die Wahrheit am Ende immer durchsetzt. Dass es ausreicht, gute Politik zu betreiben.“ Worauf es stattdessen ankomme: „Auf Markenbildung! Die Politik selbst spielt keine Rolle.“

Wenn es nicht um Politik geht, worum in letzter Konsequenz dann? Der Journalist Peter Baker, der für die „New York Times“ als Korrespondent aus dem Weißen Haus berichtet, gibt eine Antwort, die angesichts der Entwicklungen der letzten Wochen allzu konkrete Sorgen auszulösen vermag: „Das Ziel ist der Zusammenbruch, das Ziel ist Chaos.“

Der radikale Flügel, der die republikanische Partei unterworfen hat, sei „ein Abrisstrupp“. Baker: „Es geht ihnen nicht um politische Inhalte. Es geht nur um das Gefühl, das System zu sprengen, basierend auf der Theorie, dass das System schon so lange kaputt ist.“

„Wir befinden uns mitten in einem kalten Bürgerkrieg“

Auf den Demokratie errettenden Widerstand seitens aufrechter Republikaner sollte man nicht zu große Hoffnungen setzen, sagt der Politik-Professor Steven Levitsky. Laut seiner Quellen aus der Partei sei es „keine Folge von politischer Feigheit, dass sich viele republikanische Politiker nicht gegen Trump stellen. Sondern sie haben Angst vor körperlichen Angriffen. Sie machen sich buchstäblich Sorgen, was ihren Familien zustoßen könnte, wenn sie sich den Zorn der republikanischen Basis zuziehen.“ Es erinnere an die 1920er- und 30er-Jahre in Europa, „was wir heute an der rechtsradikalen Basis in den USA beobachten“.

„Alles Menschengemachte verschwindet irgendwann“, sagt dazu nonchalant der republikanische Stratege David Reaboi vor der Kamera. Eine Spaltung der Nation hält er für unvermeidbar: „Ich bezweifle, dass es noch viele Grundprinzipien gibt, auf die sich die Linken und Rechten im Land einigen können.“ Seine Schlussfolgerung: „Wir befinden uns mitten in einem kalten Bürgerkrieg. Die Frage bleibt noch zu klären, welche Weltsicht sich am Ende durchsetzt.“ (tsch)