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Fahrrad-KonjunkturHohe Rabatte für Räder könnten noch in diesem Jahr auslaufen

Lesezeit 3 Minuten
E-Bikes werden viel später verschrottet als es die Industrie angenommen hat.

E-Bikes werden viel später verschrottet als es die Industrie angenommen hat.

20, 30 oder 40 Prozent Preisnachlass: Der Fahrradhandel versucht mit kräftigen Rabatten, seine Lager zu räumen. Doch der Trend könnte sich auch bei E-Bikes bald drehen.

Schnäppchenjäger konnten im vergangenen Jahr im deutschen Fahrradhandel gute Geschäfte machen. Auch zu Beginn der Saison 2025 locken Händler und Hersteller bereits wieder mit deutlichen Rabatten auf die Listenpreise. Hintergrund sind nach wie vor gut gefüllte Lager, in denen noch Millionen fertige Räder auf die Kunden warten und Kapital binden. Doch der Trend könnte sich bald drehen, sagen die Fahrradindustrie und der Händlerverband VSF. 

Trotz der allgemein gestiegenen Verbraucherpreise mussten die Kunden im vergangenen Jahr für ein durchschnittliches E-Bike 300 Euro weniger ausgeben als im Jahr zuvor, wie der Zweiradindustrieverband ZIV in Berlin berichtet. Zwar stiegen gleichzeitig die Preise für die herkömmlichen Räder leicht, doch unter dem Strich ging der Gesamtumsatz bei fast gleichbleibender Stückzahl um 10,3 Prozent auf 6,33 Milliarden Euro zurück. 

Spätfolgen der Corona-Krise

Der Handel kämpft weiterhin mit den Spätfolgen der Corona-Krise. Konnte während der Pandemie zunächst die sprunghaft gestiegene Nachfrage nicht gedeckt werden, folgte eine Phase der Überproduktion und des abgeflauten Kaufinteresses. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland 3,85 Millionen Räder verkauft. Das waren nur geringfügig (-2,5 Prozent) weniger als 2023, aber der Rekord aus dem ersten Corona-Jahr 2020 mit gut 5 Millionen Stück blieb weit entfernt. 

Der Rückgang um 1,1 Millionen Stück ist allerdings allein auf die Bikes ohne Motor zurückzuführen, während 2024 erneut über 2 Millionen E-Bikes ihre Abnehmerinnen und Abnehmer fanden. 2024 ist das zweite Jahre in Folge, in dem in Deutschland mehr E-Bikes verkauft wurden als muskelbetriebene Fahrräder. „Der E-Anteil wird weiter wachsen auf 70 bis 75 Prozent“, sagt ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork. 

Der Fahrradhandel leert seine Lager.

Der Fahrradhandel leert seine Lager.

Und das Blatt bei den Preisen wendet sich. Bereits 30 Prozent der Mitgliedsbetriebe berichteten von einem normalisierten Lagerbestand, sagt Caroline Bonn vom Händlerverband VSF. Weitere 46 Prozent rechneten damit im Laufe dieses Jahres, nur ein knappes Viertel sieht bis 2026 Probleme. Die Händler haben für die neue Saison einfach deutlich weniger bestellt und Überbestände abgebaut. 

Die deutschen Hersteller wie auch die Importeure lieferten 2024 nur noch 3,16 Millionen Räder aus - nach 4,36 Millionen im Jahr zuvor. Die inländische Produktion wie auch der Rad-Import wurden deutlich zurückgefahren. 

Die Angst vor dem Schweine-Zyklus

Sollte sich nun der Handel aus kaufmännischer Vorsicht bei den Bestellungen für das kommende Jahr zurückhalten, droht ein sogenannter Schweine-Zyklus: Das reduzierte Angebot könnte der stabilen Nachfrage nicht entsprechen und die Preise würden stärker steigen als eigentlich notwendig. Die Industrie will das nach den Worten Storks verhindern und mit möglichst kurzen Vorlaufzeiten flexibel auf die Anforderungen des Handels reagieren. „Der Handel wird wieder ordern“, sagt dazu VSF-Geschäftsführer Uwe Wöll. Aber selbst dann dürften 2026 die Zeiten der sehr hohen Rabatte vorbei sein. 

Mehr Räder als Menschen

Ein Hemmnis für den weiteren Absatz könnte die längere Haltbarkeit der verkauften Räder sein. Nach Einschätzung der Industrie halten die Akkus und damit die gesamten E-Bikes deutlich länger als erwartet und werden entsprechend erst nach durchschnittlich acht bis neun Jahren verschrottet. In der Folge ist der Bestand von E-Bikes in Deutschland im vergangenen Jahr auf 15,7 Millionen Stück angewachsen. Das sind gut drei Millionen Räder mehr als bei der Fortschreibung früherer Prognosen seit dem Jahr 2014 angenommen wurde. 

Die Fahrradindustrie hofft auf Investitionen in die Infrastruktur.

Die Fahrradindustrie hofft auf Investitionen in die Infrastruktur.

Längst gibt es in Deutschland einschließlich der unmotorisierten Varianten mehr Fahrräder (88,7 Mio) als Menschen (83,6 Mio). Industrievertreter Stork bleibt aber optimistisch, die Pro-Kopf-Quote auf den niederländischen Wert von 1,3 steigern zu können. Dazu sollen nach Meinung des Verbands auch die milliardenschweren Investitionen in die Infrastruktur beitragen, die von der kommenden Bundesregierung geplant werden. Bessere Radverkehrsbedingungen im Alltag und in der Freizeit gehörten zu den Investitionen, die am schnellsten umgesetzt werden könnten. (dpa)