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„Wir schämen uns“Kölner Stadtführer beschweren sich über Müll und Baustellen im Stadtzentrum

Lesezeit 4 Minuten
Passanten an der Domhotel-Baustelle

Der Dom ist derzeit von etlichen Baustellen umgeben.

Kölner Stadtführer schlagen Alarm: Der Bereich um den Dom ist voller Baustellen und schmutzig. So könne die Stadt ihren Ruf verlieren.

Der Strom reißt nicht ab. Eine Reisegruppe nach der anderen taucht am Dom auf. Viele kommen von Kreuzfahrtschiffen, folgen den Schildern mit dem Namen ihrer Reederei. Familien sind zum Tagesausflug hier, Besucher zum Shoppen. Köln hatte bereits im April schon wieder so viele Touristen wie im selben Monat des Vorkrisenjahres 2019.

Doch so manchem Besucher ist die Irritation anzusehen: Der Dom ist umzingelt von riesigen Baustellen, überall Absperrgitter, viele Ecken sind mit Kot und Urin verunreinigt und aggressive Pflastermaler verscheuchen Gäste, die fotografierend stehenbleiben, von ihren Werken. „Ich schäme mich oft, wenn ich Touristen hierher bringe. Ich mache mir wirklich Sorgen um den Ruf der Stadt“, sagt die langjährige Stadtführerin Ilona Priebe. „Von Gästen kommt oft die Rückmeldung: Meine Güte, ist diese Stadt schmutzig.“

Menschen am Gatter zum gesperrten Durchgang zum Museum Ludwig am geschlossenen Römisch-Germanischen Museum

Kölsches Ensemble: das Gatter zum gesperrten Durchgang zum Museum Ludwig am geschlossenen Römisch-Germanischen Museum

Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen hat sie den Verein „Guides Köln“ gegründet und einen Brandbrief an die Stadt geschrieben. „Unsere Kulturgüter müssen besser präsentiert werden“, sagt ihr Kollege Hartmut Kramer. Dass es derzeit so viele Baustellen gibt, sei eine wohl unvermeidliche Entwicklung. Aber: „Dann muss man die Baustellen so gut wie möglich abdecken, zum Beispiel mit großen Fotoleinwänden, die zeigen, wie es einmal aussehen soll“, sagt Priebe.

Private Sponsoren zahlten Fotoleinwände, die aber kaum zu sehen sind

Und eben nicht so vorgehen wie im Fall des seit 2018 geschlossenen Römisch-Germanischen Museums. Das Poblicius-Denkmal und das Dionysos-Mosaik, die sonst stets von außen zu sehen waren, verschwanden wegen der Sanierungsarbeiten unter Schutzverkleidungen. Zwar ist es gerade dank privater Sponsoren gelungen, Denkmal und Mosaik durch davor gehängte bzw. darüber gelegte Fotoleinwände wenigstens wieder halbwegs sichtbar zu machen – doch ist die Scheibe, durch die man sie erspähen könnte, total verdreckt. „Die sieht immer so aus“, sagt Kramer.

Und direkt an der Scheibe beginnt der unansehnliche Zaun für den gesperrten Durchgang zum Museum Ludwig. An dem Gatter hat ein Obdachloser einen Teil seiner Kleidung, ein Kissen und Kot hinterlassen. Ein Vater, der seinen Kindern etwas zum Mosaik erklären will, gibt auf. Auch, was die Aufschrift „Via Culturalis“ auf einigen der schief hängenden Absperrbanner bedeutet, wird nicht erklärt. „Die Leute werden hier einfach stehengelassen“, sagt Ilona Priebe.

Durch die verschmutzten Fenster des Römisch-Germanischen Museums kann man in die Aufenthaltsräume der Arbeiter schauen.

Durch die verschmutzten Fenster des Römisch-Germanischen Museums kann man in die Aufenthaltsräume der Arbeiter schauen.

Nur sehr kleine, nichtssagende Plakate weisen darauf hin, dass sich ein Teil der Ausstellung im Belgischen Haus befindet. „Das reizt niemanden zum Hingehen.“ Hinter den Plakaten hat man dafür freien Ausblick auf die Aufenthaltsräume der Bauarbeiter. „Das kann man doch an dieser Stelle nicht so lassen. Da steckt kein Plan, keine Strategie dahinter“, so Kramer.

Ich war nach der Wende lange in Dresden, da musste alles neu gemacht werden, aber es sah nicht so schlimm aus wie hier
Ilona Priebe, Stadtführerin

Gleich gegenüber an der Baustelle des Dom-Hotels gebe es gute Ansätze: Rundherum verläuft ein niedriger Zaun mit Erläuterungen und Fotos. „Schöner wäre eine Gesamtverkleidung der Fassade. Ich war nach der Wende lange in Dresden, da musste alles neu gemacht werden, aber es sah nicht so schlimm aus wie hier, weil es immer Deko-Verkleidungen gab“, erzählt Priebe.

Die historische Römerstraße mit den großen Pflastersteinen

Auch an der Römerstraße wird oft wildgepinkelt, die Infotafeln links an der Wand sind längst verblasst.

Es geht gleich um die Ecke zur Römerstraße mit den buckeligen großen Steinen und den Resten des römischen Abwasserkanals. Hier bemüht sich gerade eine Stadtführerin live, Jugendliche für den Ort zu interessieren. „In römischer Zeit war der Lebensstandard sehr hoch, in der ganzen Stadt gab es bereits Abwasserkanäle und dies war eine sehr ordentliche Straße“, sagt sie. Hartmut Kramer meint trocken: „Heute ist das leider anders.“ Die Fugen sind voll von Kronkorken und Unrat. Die Erklär-Tafeln – erst wenige Jahre alt – sind vollständig verblichen. Nichts ist mehr zu lesen.

Häufigere Reinigung der Domumgebung gefordert

Es werde viel zu selten und nicht gründlich genug gereinigt, kritisieren die Stadtführer. Es müsse mehr Kontrollen geben, mehr Bußgelder verhängt werden. Und es sollte verhindert werden, dass Menschen hier an den Denkmälern ihre Lager aufschlagen. „Es muss sich einfach mehr gekümmert werden.“ In anderen Städten funktioniere das: Hamburg, Hannover, Freiburg. „Da muss nur ein Wille sein.“

Hartmut Kramer, Ilona Priebe und ihre Kollegen Brigitte und Ronald Jankevics vom Verein „Guides Köln“ am Römertor

Hartmut Kramer, Ilona Priebe und ihre Kollegen Brigitte und Ronald Jankevics vom Verein „Guides Köln“

Die Reaktion auf die massive Kritik ist eher verhalten. Jürgen Amann, Geschäftsführer von Köln-Tourismus, sagt: „Bezüglich Sauberkeit rund um den Dom ist sicher Optimierungspotenzial vorhanden. Und das ist ein Prozess, an dem die städtischen Akteure bereits an vielen Stellen aktiv arbeiten.“ Von negativen Rückmeldungen durch Gäste sei aber nichts bekannt. Und was die unansehnlichen Absperrungen angeht: „Die Stadt Köln hat 2018 ein Gestaltungshandbuch herausgegeben, in dem festgelegt wurde, wie Bauzäune zu gestalten sind. Wenn eine Gestaltung diesen Richtlinien entspricht und den öffentlichen Raum aufwertet, ist dies aus unserer Sicht begrüßenswert.“

Ein Stadtsprecher sagte auf Anfrage: „Der Stadt Köln ist die Sachlage bekannt, und es wird bereits einiges dafür getan, die Präsentation der Stadt anschaulicher zu gestalten.“ Auch im Bereich des Römisch-Germanischen Museums werde sich etwas tun. „Die weitere Aufhellung des Bauumfeldes ist in Arbeit.“

Ilona Priebe und ihre Kollegen haben die Hoffnung trotz allem noch nicht aufgegeben.