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Nach Luxemburger StraßeStadt Köln führt auf sechs weiteren Straßen Tempo 30 wegen Lärms ein

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08.12.2025, Köln: Auf der Lindenstraße ist nun Tempo 30. Foto: Arton Krasniqi

Auf der Lindenstraße in der Kölner Innenstadt gilt jetzt Tempo 30.

Ob ein Herabsetzen der Höchstgeschwindigkeit allerdings wirklich das einzige zur Verfügung stehende Mittel wäre, ist strittig.

Nachdem die Stadt Köln im August dieses Jahres auf der Luxemburger Straße Tempo 30 eingeführt hat, um den Verkehrslärm zu reduzieren, soll das möglichst schnell auch auf sechs weiteren Straßen in der Innenstadt sowie in Deutz, Nippes, Lindenthal und Rodenkirchen geschehen. Seit im vergangenen Jahr das Straßenverkehrsgesetz aktualisiert wurde, können Kommunen Tempo-30-Strecken einfacher einführen. Ob ein Herabsetzen der Höchstgeschwindigkeit allerdings wirklich das einzige dem Verkehrsdezernat zur Verfügung stehende Mittel wäre, ist strittig. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Um welche Straßen geht es?

Betroffen sind die Lindenstraße in der Innenstadt (bereits umgesetzt), die Siegburger Straße in Deutz, die Bergstraße und die Merheimer Straße in Nippes, die Gleueler Straße in Lindenthal und die Weißer Straße in Rodenkirchen.

Wer hat sich über den Verkehrslärm beklagt?

Mehrere Anwohnerinnen und Anwohner hatten sich bei der Stadt über den Straßenverkehrslärm beschwert und beantragt, dass die Verwaltung etwas dagegen unternehmen solle. Doch die Stadt Köln reagierte zunächst darauf nicht, die Anwohner reichten deshalb Klagen ein und hatten damit Erfolg. 

Wie hat das Verwaltungsgericht geurteilt?

Das Verwaltungsgericht Köln hat entschieden, dass der Straßenverkehrslärm für die Anwohnerinnen und Anwohner „unzumutbar ist“ und etwas getan werden muss. Die zugrundeliegenden Lärmgutachten lagen seit dem Sommer dieses Jahres vollständig vor, sagt eine Gerichtssprecherin. Die von der Stadt Köln in Auftrag gegebenen Gutachten hatten eine hohe, gesundheitsschädliche Belastung durch Verkehrslärm festgestellt. Es handelte sich um sogenannte Untätigkeitsklagen, die darauf abzielten, dass die Stadt dazu verpflichtet wird, sich um das Problem zu kümmern. Damit hatten die Kläger Erfolg.„Das Gericht hat aber dementsprechend nicht entschieden beziehungsweise entscheiden können, zu welchen Maßnahmen genau zum Schutz vor dem Straßenverkehrslärm die Stadt verpflichtet ist“, sagt die Gerichtssprecherin. Lediglich im Fall der Lindenstraße kam es nicht zu einem Urteil, weil die Stadt bereits vor dem Gerichtstermin entschieden hatte, dort Tempo 30 einzuführen.

Wie bewertet der Anwalt der Kläger die Urteile?

„Das Gericht musste trotz mehrfacher Fristsetzungen zu diesen drastischen Mitteln greifen, weil die zuständige Straßenverkehrsbehörde trotz Vorliegen von selbst beauftragten Schallgutachten und darin dokumentierten deutlichen Überschreitungen der heranzuziehenden Richtwerte eine Bescheidung verweigert hat“, sagt Rechtsanwalt Wolfram Sedlak, der die Kläger vertritt.

Gibt es jetzt noch weitere Untätigkeitsklagen wegen zu hohen Verkehrslärms?

Aktuell ist noch ein weiteres Klageverfahren wegen zu hoher Lärmbelästigung anhängig. Es betrifft einen Abschnitt an der Mommsenstraße im Stadtbezirk Lindenthal.

Wie geht die Stadt Köln mit der Gerichtsentscheidung um?

„Die Stadt Köln akzeptiert die Urteile, es wird Tempo 30 eingeführt“, sagt eine Stadtsprecherin. Auf eine mögliche Berufung wolle man verzichten. Der Bauhof des Amtes für Verkehrsmanagement bereite derzeit das Aufstellen neuer Verkehrsschilder mit dem neuen Tempolimit vor. „Dafür sind Planungen notwendig, und es müssen Bestellungen durchgeführt werden“, sagt die Stadtsprecherin. Die Umsetzung sei „abhängig von den Witterungsverhältnissen zeitnah“ geplant. 

Gäbe es auch Alternativen zu Tempo 30, um den Verkehrslärm zu verringern?

ADAC-Verkehrsexperte Roman Suthold zeigt sich unterdessen skeptisch, ob eine Geschwindigkeitsreduzierung als Reaktion der Stadt Köln auf Gerichtsurteile automatisch und unbedingt notwendig ist. „Tempo 30 ist immer die billigste Lösung, um den Verkehrslärm zu reduzieren. Es stellt sich aber die Frage, ob das auch wirklich die einzige Möglichkeit ist“, sagt er. In Düsseldorf finanziere die Stadt den Anwohnern zum Beispiel an lauten Straßen eine Dreifachverglasung für Ihre Wohnungen und Häuser. „Und wenn die Zahl der Elektroautos weiter zunimmt, müssten solche Lärmgutachten theoretisch neu gerechnet werden, weil sich der Verkehrslärm dann zumindest teilweise wieder reduziert“, so Suthold.

Was sagt die Bürgerinitiative, die sich für Tempo 30 auf der Luxemburger Straße eingesetzt hat?

Im August dieses Jahres hatte die Stadt Köln bereits auf der Luxemburger Straße Tempo 30 eingeführt, um die Anwohnerinnen und Anwohner vor dem Straßenverkehrslärm zu schützen. Daraufhin erklärte das Verwaltungsgericht die dazu anhängigen Klagen für erledigt. „Die Stadt Köln hat erneut mehrere Lärmklagen verloren. Die Prozesskosten belasten nun zusätzlich den kommunalen Haushalt, da notwendige Lärmschutzmaßnahmen jahrelang ausblieben. Die Stadt sollte nun beweisen, dass sie aus der Luxemburger Straße gelernt hat und auf den betroffenen Straßen flächendeckend Tempo 30 anordnen“, sagt Dominik Kerl, Sprecher der Interessengemeinschaft (IG) Lebenswerte Lux. In der Vergangenheit habe die Stadt zum Beispiel am Clevischen Ring sowie am Melatengürtel nur im unmittelbaren Umfeld der klagenden Person Tempo 30 angeordnet. „Ich appelliere an Politik und Verwaltung, die Kölnerinnen und Kölner proaktiv vor Verkehrslärm zu schützen.“, so Kerl.

Hat sich die Situation auf der Luxemburger Straße mit Tempo 30 verbessert?

Auf der Luxemburger Straße habe sich die Situation nach Einschätzung der Interessengemeinschaft auch nach der Einführung von Tempo 30 noch nicht wesentlich verbessert. Die IG misst derzeit nach eigenen Angaben mittels eines eigenen Sensors die gefahrenen Geschwindigkeiten. Tempo 30 werde demnach nur von jedem dritten Fahrzeug eingehalten, zwei Drittel seien schneller unterwegs. Jedes fünfte Fahrzeug sei weiterhin mit Tempo 40 bis 50 unterwegs. Weitreichende Kontrollen seien zur Einführung von Tempo 30 unumgänglich. „Diese finden seit wenigen Tagen endlich auf der Luxemburger Straße statt“, sagt Kerl. Verkehrsdezernent Ascan Egerer würde zur weiteren Lärmverringerung außerdem gerne eine Autospur in einen Fahrradstreifen umwandeln.

Wer ist der Sprecher der IG Lebenswerte Lux?

IG-Sprecher Dominik Kerl arbeitet für ein Kölner Verkehrsplanungsbüro, das unter anderem auch im Auftrag der Stadt Köln tätig ist, wie etwa beim Radverkehrskonzept Innenstadt und beim Fußverkehrscheck. Einen Interessenkonflikt sieht er darin nicht, er wolle aber eine Rollenklarheit schaffen. „Mein beruflicher Hintergrund liegt in der Raumplanung mit dem Schwerpunkt Verkehrsplanung. Gleichzeitig bin ich Anwohner Kölns. Beruflich wie ehrenamtlich bin ich bundesweit tätig und beziehe dabei meine fachlichen Kenntnisse ein“, sagt Kerl. In seiner Funktion als Sprecher der IG Lebenswerte Lux vertrete er die Inhalte, die innerhalb der IG gemeinsam besprochen sowie abgestimmt werden und gebe diese nach außen wieder. Diese Positionen beruhten auf den kollektiven Einschätzungen und Meinungen der Mitglieder sowie auf fachlichen Grundlagen. „Bisher war ich im beruflichen Kontext einmal im Auftrag der Stadt Köln tätig, und zwar im Jahr 2023 als Werkstudent im Team der Fußverkehrschecks. Vor diesem Hintergrund sehe ich meine öffentliche Vertretung der IG Lebenswerte Lux als unproblematisch an“, sagt Kerl.