Kioske und Paketshops geraten im Weihnachtsgeschäft an ihre Grenzen. Zwischen Getränken und Zigaretten stapeln sich Pakete. Und die Belastung wächst.
Betreiber am LimitWenn Kölner Büdchen zum Paketzentrum werden

Bei Lotto Cologne stapeln sich die Pakete.
Copyright: Charlotte Groß-Hohnacker
Ali Dogukan steht hinter seiner Theke. Davor noch ein Kunde. Mehr Menschen passen in seinen Kiosk kaum hinein. Bei zwei Kunden wird es schon eng. Links Weinflaschen, rechts ein Kühlschrank mit Softdrinks, hinter ihm die Zigaretten. Es ist kurz vor 17 Uhr an einem Dienstag im Dezember. Fast im Minutentakt gehen Kundinnen und Kunden ein und aus, die meisten mit einem Paket unterm Arm.
Was auf den ersten Blick beim Betreten des Kiosks nicht auffällt: Hinter dem Verkaufsraum stapeln sich Pakete und im Treppenhaus daneben ebenfalls. In den vergangenen anderthalb Stunden, seit der letzte DHL-Fahrer da war, hat Dogukan rund 70 Sendungen angenommen. „Normalerweise kommt der Fahrer viermal am Tag. Im Weihnachtsgeschäft fünfmal“, sagt er. Das beginne inzwischen längst mit dem Black Friday. Viele der bestellten Pakete seien noch immer unterwegs.
Seit anderthalb Jahren führt Dogukan den Kiosk an der Mauenheimer Straße in Nippes. Er hat ihn von seinem Bruder übernommen und arbeitet seitdem sieben Tage die Woche. Einen Mitarbeiter hat er, eine Aushilfe unterstützt ihn gelegentlich, sonst steht er allein im Laden. „Zwei Leute passen nicht hinter die Theke. Dafür ist es zu klein.“ Die Belastung durch die Post möchte er niemandem sonst zumuten. Eigentlich seien Kiosk und Post zwei getrennte Geschäfte, die parallel liefen.
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Im Raum hinter der Ladentheke lagert Ali Dogukan die Pakete, die in seinem Kiosk abgegeben werden.
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Sein Bruder hatte das Paketgeschäft einst als Nebeneinkunft eingeführt. „Er dachte, damit lockt er Leute in den Laden, die sonst nicht kommen würden. So hatte er sich das so vorgestellt. So ist es aber nicht.“ Von hundert Menschen kaufe vielleicht eine Person noch etwas. Reingehen, Paket abgeben oder abholen, raus.
Haupteinnahmequelle seien weiterhin die Getränke und Tabakwaren. Die Pakete seien ein schlechtes Zusatzgeschäft. Dogukan hebt ein Paket hoch, etwa in DIN-A4-Größe. Daran verdiene er vielleicht 20 Cent brutto. „Wenn es nach meinem Umsatz ginge, müsste ich die Post bis zehn Uhr annehmen.“

Die Pakete sind innerhalb anderthalb Stunden in den Kiosk von Ali Dogukan angekommen.
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Doch das könne er weder seinen Mitarbeitern noch ihm selbst antun. Um 17 Uhr kommt der letzte Abholdienst. Dann ist Schluss. Die Pakete gehen dann eh erst am nächsten Tag mit. Viele wollen das nicht akzeptieren. „Die Leute verstehen nicht, warum wir keine Pakete mehr annehmen. ‚Ich fahre morgen in den Urlaub, meine Frist läuft ab‘, sagen sie dann.“ Manche werden ausfallend. Sein Bruder sei früher auch mal laut geworden. Ali Dogukan sei dafür „zu nett“, sagt er.
„Jetzt ist die Zahl dreistellig“
Laut Bundesnetzagentur gibt es bundesweit über 60.000 Stellen zur Einlieferung und Abholung von Paketen. Sie befinden sich in Kiosken, Buchhandlungen, Supermärkten oder Tankstellen. Wird eine Sendung nicht zugestellt, landet sie in Läden wie dem von Dogukan. Dort können Kundinnen und Kunden sie später abholen oder Retouren abgeben.
Wer von Dogukan aus mit der Stadtbahnlinie 12 oder 15 Richtung Neusser Gürtel fährt, kommt an Lotto Cologne vorbei. Yavuz Kabaagac betreibt das Geschäft. Auch bei ihm klebt der gelbe DHL-Sticker an der Tür. „Der eine sagt Lottoladen, der andere Kiosk. Paketshop. Jeder so, wie er es gerade braucht.“ Seit neun Jahren ist er im Geschäft. Früher sei das Paketgeschäft überschaubar gewesen: zwei, drei Nachbarn am Tag. „Jetzt ist die Zahl dreistellig.“

Yavuz Kabaagac von Lotto Cologne möchte für seine Kunden der „Kiosk des Vertrauens“ sein.
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Es gehe dabei weniger um Gewinn. „Es geht darum, der Kiosk des Vertrauens zu sein. Dieses Vertrauen muss man sich erarbeiten.“ Ein breites Sortiment sei dafür entscheidend. „Wenn ich nur Tabakwaren hätte, käme keiner mehr. Dann wäre der Kiosk ein Hobby.“ An Weihnachten steige die Paketmenge massiv. „Es sind zwei, drei stressige Wochen, dann ist es vorbei“, sagt Kabaagac. Stress mache er sich keinen.
Öfen, Stühle, Schränke in Paketen
Auch Mohammed Yucats kennt die Belastung. Er arbeitet bei der Postfiliale Romoe Nähe Neusser Straße/Gürtel. Er hat sie mit aufgebaut. Nebenbei verkauft die Filiale Tabakwaren. In der Weihnachtszeit gehen dort täglich 200 bis 300 Pakete mehr über die Theke, schätzt Yucats. Vor dem vierten Advent wird besonders viel verschickt. Alle Lieferdienste stellten dafür zusätzliche Saisonkräfte ein.

Schlange stehen fürs Päckchen. Wenn der Feierabend anfängt, wird die Schlange vor der DHL-Filiale in Nippes manchmal noch länger.
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In Nippes hat zudem dieses Jahr das Postamt geschlossen. Romeo sei die einzige Filiale in der Umgebung, die Briefmarken, Einschreiben und Expresssendungen abwickelt. Die Zahl der Paketautomaten wachse laut Bundesnetzagentur stark. Inzwischen sind es 17.000. Sie haben rund um die Uhr geöffnet, ohne Warteschlangen. Pakete kommen trotzdem genug bei den Händlern an.
Offiziell dürfen sie in der Filiale Sendungen bis 31,5 Kilogramm annehmen, sagt Yucats. „Das muss man erst mal hochheben und unterbringen.“ Menschen bestellten inzwischen Öfen, Schränke, Stühle. Wenn die nicht zugestellt werden können, landen sie in der Filiale. Manche Pakete seien sogar noch schwerer. Früher seien die meisten Kunden wegen Briefmarken gekommen. Heute wegen Paketen. „Jetzt ist es halt mehr Knochenarbeit.“

Mohammed Yucats ist seit gut 20 Jahren im Päckchen-Geschäft.
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In Ali Dogukans Kiosk sei neulich eine Frau von DPD gekommen. Seine spontane Reaktion: „Bloß nicht noch mehr Pakete.“ Aufgeben wolle er das Geschäft trotzdem nicht. Allein auf die Kioskumsätze wolle er sich nicht mehr verlassen. Gegenüber liegt ein Rewe: „So günstig wie die kann ich Getränke nicht anbieten.“ Wenn er abends schließe, hätten die oft noch auf. „Früher war das mal andersrum.“ Wenn der Supermarkt zumachte, hatte der Kiosk nebenan noch für ein Feierabendbier auf.
Und wenn Dogukan das Postgeschäft abgäbe? Dann würde der nächste Kiosk die Pakete übernehmen. Die Post vergebe die Lizenzen nur dort, wo Bedarf sei. Gebe einer sie ab, stehen die anderen schon Schlange.

