Undurchsichtige Geldflüsse bringen die Leitung der Windecker Gesamtschule stark in Bedrängnis. Schulleiterin Melanie Grabowy ist stellvertretende Bürgermeisterin in Bonn.
SelbstanzeigeFast 150.000 Euro auf Windecker Schulkonto – Prüfer sehen Lücken in Buchführung
Die Gesamtschule Windeck hat unter anderem aus überhöhten Elternbeiträgen für Lernmittel und nicht zurückgezahlten Überschüssen bei Klassenfahrten zeitweise fast 147.000 Euro auf einem Schulkonto angespart. Die dazugehörende Buchführung weise nicht nur Lücken auf, sie verstoße auch gegen Haushaltsrecht, stellt die Gemeindeprüfungsanstalt NRW (gpa) fest.
Zweckbestimmte Mittel seien demnach nicht ordnungsgemäß ausgegeben, ein Amazon-Prime-Account wurde privat genutzt. Angeschaffte Vermögenswerte wurden laut gpa nicht inventarisiert, ein Lehreressen wurde ebenso bezuschusst wie eine Stadtführung und Weihnachtsgeschenke fürs Kollegium. Der gpa-Bericht war jüngst im Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung Thema und wurde dann mit dem Protokoll verschickt.
Im Rathaus was Schulkonto über Jahre nicht bekannt
Bei der Kämmerei im Rosbacher Rathaus war das 2012 bei der Gründung der Schule eingerichtete Konto über Jahre nicht im Blick. In den Aufstellungen der Sparkasse sei es nicht aufgetaucht, weil es nicht auf die Gemeinde gelaufen sei, erklärt Kämmerin Petra Sonntag. Umso größer war die Überraschung, als die Sparkasse sich wegen drohender Strafzinsen Anfang 2021 meldete.
„Wir haben uns sofort alle Buchungsunterlagen kommen lassen“, berichtet Sonntag bei einem Gesprächstermin in der vergangenen Woche, an dem sich auch der Beigeordnete Thomas Becher den Fragen der Redaktion stellte. Weil der Rathausspitze nichts Gutes schwante, zeigte sie sich selbst wegen möglicher Verstöße bei der Bezirksregierung an. Becher und Sonntag gehen davon aus, dass sich niemand persönlich bereichert hat. Bürgermeisterin Alexandra Gauß ist erst seit dem gestrigen Montag aus dem Urlaub zurück.
Über das „Girokonto zur Abwicklung schulischer Belange“ liefen laut gpa-Prüfbericht alle Zahlungen der Gesamtschule. Vorauszahlungen für Klassenfahrten ebenso wie Elternbeiträge für Bücher und weitere Lernmittel sowie zweckbestimmte Überweisungen der Gemeinde, wie die Landeszuschüsse für den Deutschunterricht von Flüchtlingen. Auch der Amazon-Prime-Account wurde darüber abgewickelt, dessen Sinn sowohl die Gemeinde als auch die gpa anzweifeln.
Schulleitung der Gesamtschule Windeck äußert sich nicht
Zeichnungsberechtigt waren neben der Sekretärin der Gesamtschule die Schulleiterin Melanie Grabowy und deren Stellvertreter Frank Sauerzweig. Einen bereits verabredeten Gesprächstermin der Schulleitung mit der Redaktion sagte Grabowy nach Rücksprache mit der Kölner Bezirksregierung ab. Zur Sache werde sich die Schulleitung nicht äußern, hieß es.
Das Konto der Schule habe Ende 2019 ein Guthaben von 147.979,77 Euro aufgewiesen, berichtet die gpa. Eine vertrauliche Aufstellung der Kämmerei, die der Redaktion vorliegt, weist allein aus dem Büchergeld der Eltern einen Überschuss von rund 100.000 Euro auf, aus dem Erasmus-Förderprogramm des Landes blieben bis 2021 rund 10.000 Euro übrig. Einnahmen aus Klassenfahrten von rund 52.000 Euro stehen Ausgaben von etwa 10.000 Euro gegenüber. Offenbar standen aber zum Prüfzeitpunkt noch Klassenfahrten bevor.
Für Repräsentationskosten und freiwillige Anschaffungen gab die Schule 48.000 Euro aus, für Unternehmungen außerhalb des Schulbetriebes wie Weihnachtsfeiern fast 6000 Euro. Beispielhaft wird in Prüfunterlagen ein Büfett für 42 Personen samt Sektempfang für 85 Euro aufgeführt. Essen wurde für 19,50 Euro bestellt, eingesammelt wurden 15 Euro pro Person. Die Unterdeckung wurde vom Schulkonto bestritten. Von einem Kreiszuschuss für ein Naturschutzprojekt wurden Ende 2017 Marken-Wanderhose und -jacke für Lehrer gekauft. 2018 gab es das Projekt nicht mehr.
Gesamtschule Windeck: Mehr Geld für Bücher eingenommen als ausgegeben
Bei den Lernmitteln hatte die Schule laut gpa von Anfang an statt des gesetzlich vorgegebenen Elternanteils von 26 Euro (ab 2020 waren das 34 Euro) 60 Euro kassiert. Nach den ersten Untersuchungen des Kontos reduzierte die Schulleitung den Betrag zunächst auf 50, dann auf 34 Euro. Über die Jahre sind offenbar 228.000 Euro für Bücher eingenommen, aber nur 125.000 Euro ausgegeben worden. Bei Klassenfahrten wurden Defizite ebenso mit dem Konto verrechnet, wie Überschüsse.
Die Eltern, so Grabowy und Sauerzweig in einer Stellungnahme gegenüber der Gemeinde, hätten gewusst, dass Überschüsse für die Schule verwendet würden – unter anderem wurden sechs Jahre nach einer Fahrt iPads gekauft. Ob dazu bei einer konkreten Fahrt den Eltern klar war, dass von eingezahlten 110 Euro die Hälfte übrig war, bleibt offen. Die gpa mahnt schriftliche Beschlüsse der Eltern zu dem Thema an und fordert andernfalls die Rückzahlung. Festgestellt wurde von Prüfern der Gemeinde, dass Mittel zur Deutschförderung bei Flüchtlingen umgebucht und als WLAN-Eigenanteil der Schule an die Gemeinde überwiesen wurden. Vielfach wurde mit „Handvorschüssen“ gearbeitet, was laut gpa nicht der Gesetzeslage entspricht.
Die gpa bezweifelt, dass ein Amazon-Prime-Account für die Schule notwendig ist. „Eine Nutzung ... durch Lehrerinnen und Lehrer ... für private Bestellungen ist nicht vereinbar mit der strikten Trennung von dienstlichen und privaten Belangen“, heißt es im Prüfbericht.
Die Aufarbeitung läuft
Laut einer Aufstellung, die der Redaktion vorliegt, soll der Account bis Anfang 2021 von einem Mitglied des Kollegiums regelmäßig privat genutzt worden sein, wobei die Kosten erstattet wurden. „Die private Nutzung von Amazon Prime wird natürlich nicht wahrgenommen“, schrieben Grabowy und Sauerzweig dagegen an die Gemeinde. „Wir möchten zu Bedenken geben, dass wir als Pädagog*innen und Fachwissenschaftler*innen über keinerlei Verwaltungsausbildungen verfügen“, hieß es in ihrer ersten Stellungnahme im Juli 2021. Grabowy (Grüne) ist stellvertretende Bürgermeisterin der Bundesstadt Bonn, Sauerzweig SPD-Fraktionschef und Mitglied im Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrates in Siegburg.
Von einer „rechtlichen Beratung“ und Gesprächen mit Gemeinde und Schule berichtet die Kölner Bezirksregierung auf Anfrage. Das Konto an sich sei Sache von Schule und Schulträger. „Die notwendigen und bereinigenden Maßnahmen“ seien vereinbart worden. „Die Bereinigung der vergangenen Kontoführung sowie die Inventarisierung werden in Zusammenarbeit zwischen der Schule und dem Schulträger aufgearbeitet, dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.“ Das bestätigen auch Beigeordneter Becher und Kämmerin Sonntag. Das Verfahren laufe noch. Die Ratsgremien würden regelmäßig unterrichtet – nichtöffentlich.
Das ist die Gemeindeprüfungsanstalt
Die gpa (Gemeindeprüfungsanstalt) NRW mit Sitz in Herne gibt es seit 2002. Sie prüft die Gemeinden und deren Eigenbetriebe, kann aber auch mit Sonderprüfungen und dem Erstellen von Gutachten beauftragt werden. Die gpa untersteht der Rechtsaufsicht des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen. (sp)
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