Lionel Souque spricht über sinkende Lebensmittelpreise, einen großen Anstieg von veganen Kunden und seine Aussichten auf den Klassenerhalt beim 1. FC Köln.
Von Inflation, veganen Produkten und FCRewe-Chef Lionel Souque: „Milch und Nudeln werden wieder billiger“
Herr Souque, die Inflation ist eines der brennendsten Themen bei den Verbrauchern. Wie spüren Sie diese in Ihren Märkten?
Souque: Vor über einem Jahr ist die Inflation hier in Deutschland stark gestiegen. Insgesamt, aber auch insbesondere im Lebensmittelhandel. Im letzten Jahr, kurz vor Ostern, haben wir die Spitze gesehen, mit zweistelligen Inflationsraten bei Lebensmitteln. Zum Glück ist die Inflation seitdem wieder rückläufig. Es ist aktuell so, dass wir sowohl im Dezember als auch im Januar bei der Rewe wieder bei unter drei Prozent gelandet sind. Im aktuellen Trend sind wir sogar bei Rewe nur noch bei rund einem Prozent Inflation.
Das heißt, es gibt Preise, die tatsächlich runter gehen – aber man kann nicht sagen, dass das für alles gilt. Es gibt auch Kategorien, die preislich weiter hoch gehen.
In welchen Bereichen sind die Preise denn gesunken?
Beispielsweise sinken die Preise im gesamten Nudelbereich – nicht nur bei Spaghetti. Bei Butter, wo wir allerdings traditionell starke Schwankungen sehen, stehen wir aktuell nur noch bei 1,69 Euro. Auch Trinkmilch ist billiger geworden, konkret von 1,15 Euro auf 0,99 Euro je Liter gegenüber dem Vorjahr. Dafür gibt es andere Warengruppen, in denen wir wieder oder weiterhin steigende Preise sehen.
Was wird weiterhin teurer?
Kakao, Kaffee und Zucker gehen im Preis aktuell hoch. Mit Blick auf das bald bevorstehende Ostergeschäft mit vielen Schokoladenprodukten ist das für den Kunden sicherlich nicht erfreulich. Wir arbeiten deshalb so gut es geht gegen die Teuerungen an.“
Kunden wechselten zu Eigenmarken
Gab es Änderungen beim Einkaufsverhalten der Verbraucher?
Man konnte erkennen, dass die Verbraucher weniger Markenartikel gekauft haben zugunsten unserer Eigenmarken. Markenartikel wurden hingegen verstärkt als Sonderangebot gekauft.
Inwiefern weichen die Kunden auf Handelsmarken aus?
Wir haben da zwei Tendenzen gesehen. Zum einen wechselten Kunden, die bisher Marken bevorzugt haben, zu den Produkten unserer Eigenmarke „Rewe Beste Wahl“. Zum anderen wechselten Kunden von „Rewe Beste Wahl“ zu Produkten von „Ja“, also hin zu unserer Preiseinstiegsmarke.
Wie entwickeln sich vor dem Hintergrund Ihre Eigenmarken?
Wir haben die Anzahl „Ja“-Artikel auf 1300 erhöht, und keiner dieser Artikel ist teurer als bei Discountern wie Aldi und Lidl. Mit der Entwicklung der Eigenmarken sind wir sehr zufrieden, sie haben hohe Akzeptanz bei unseren Kundinnen und Kunden.
Lionel Souque wurde am 19. August 1971 in Paris geboren. Er trat 1996 in die Rewe Group ein und begann im internationalen Discounter Penny, wo er führende Positionen im Einkauf und Vertrieb besetzte. 2001 übernahm er dann führende Positionen für die Billa Supermärkte im Ausland. 2007 wurde er in den Vorstand der Rewe International in Wien berufen. Seit 2009 ist er Chef von Rewe Deutschland und Mitglied des Rewe Group Vorstandes. Seit dem 1. Juli 2017 ist er Chef der Rewe Group.Lionel Souque ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt mit seiner Familie in Köln.
Haben also die Herstellermarken generell an Bedeutung verloren?
Zwischenzeitlich ja, besonders als bestimmte Markenartikler sehr kräftig an der Preisschraube gedreht haben. Inzwischen normalisiert sich das wieder etwas. Denn die Anbieter provozieren ja so den Wechsel zur Eigenmarke und machen unterm Strich weniger Geschäft, weil sie selbst kaufkräftige Kunden verprellen.
Wie hat sich das Geschäft mit Bio-Produkten in den vergangenen Jahren entwickelt?
Von der Richtung her war es eine ähnliche Entwicklung wie bei den Markenartikeln: eine insgesamt eher rückläufige Nachfrage, denn Bio wurde deutlich teurer. Wenn ich allerdings in mein Heimatland Frankreich schaue, da sind die Mengen drastisch runtergegangen. Der ganze Bio-Markt in Frankreich ist regelrecht eingebrochen. In Deutschland ist das nicht der Fall, hier gab es eher eine Verschiebung der Nachfrage weg von traditionellen Bio-Fachmärkten, wo Preise tendenziell höher sind, in Richtung der Supermärkte.
Und teilweise wechselten manche Kunden von den Supermärkten auch wiederum zu den Discountern. Denn man muss sagen, dass die Discounter inklusive unserer eigenen Penny-Märkte in den letzten Jahren auch ihr Sortiment im Biobereich stark entwickelt haben. Das gilt freilich genauso für die Rewe. Wir haben bei der Rewe jetzt allein unter unserer Eigenmarke „Rewe Bio“ knapp 1000 Artikel, das ist schon sehr viel. In Summe sind die Bio-Sortimente in Supermärkten inzwischen extrem groß. Wenn ich meinen Stamm-Markt in Köln-Rodenkirchen betrachte, dieser hat allein über 2000 Bio-Artikel im Sortiment.
Aktuell sehen wir allerdings auch im Biosegment, dass sich die Nachfrage wieder stabilisiert und bei uns Bio seit dem Sommer wieder kontinuierlich wächst. Wir können feststellen, dass in 20 Prozent der Einkaufswagen mindestens ein Bio-Artikel liegt– das ist schon beachtlich. Es ist also nicht so, dass es viele Kunden gibt, die ausschließlich Bio-Artikel im Einkaufswagen haben – häufig liegt der Fokus auf Warengruppen wie Obst, Gemüse und Milchprodukten.
Kaufen die Menschen Bio aus ökologischen Gründen oder weil sie die Lebensmittel für gesünder halten?
Manche Kunden eher aus gesundheitlichen Gründen, manche aus Gewissensgründen der Umwelt und maßgeblich der Klimaentwicklung gegenüber. Eine dritte wachsende Gruppe sind die, die besonders aus Tierwohlgründen auf Bio setzen. Und selbstverständlich gibt es auch die, bei denen alle drei Gründe für den Kauf ausschlaggebend sind.
Ein weiterer Trend, den man besonders im urbanen, jüngeren Umfeld betrachtet, ist der hin zu vegetarischem oder veganem Essen. Wie reagieren Sie darauf?
Es gibt dazu konkrete Daten: Laut einer aktuellen Befragung gibt es 1,5 Millionen Deutsche, die sich als Veganer bezeichnen – fast doppelt so viele wie 2015. Das Wachstum hier ist in den letzten Jahren enorm gewesen. Die Gruppe ist natürlich dennoch noch nicht so groß wie die der Vegetarier. Vegane Lebensmittel sind uns jedoch sehr wichtig. Wir sind auf dem deutschen Markt Vorreiter, was Anzahl der Artikel und den Umsatz angeht – unser durchschnittlicher Kunde ist mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Veganer oder Vegetarier als im restlichen deutschen Lebensmitteleinzelhandel.
Spüren Sie, dass der Fleischabsatz dadurch sinkt?
Ja, das merken wir teilweise auch! Befragungen in Europa zeigen auch, dass 50 Prozent der Fleischkonsumenten inzwischen teilweise weniger Fleisch konsumieren als noch vor einem Jahr. Insgesamt essen allerdings immer noch neun von zehn Menschen Fleisch in unterschiedlicher Menge.
Man merkt also, dass die Leute etwas weniger und bewusster Fleisch kaufen, aus den gleichen Gründen wie eben genannt bei den Bio-Produkten, also Gesundheit, Klimaschutz und Tierwohl. Insgesamt ist aber der Markt insbesondere beim hochwertigen Fleisch stabil.
In vielen Ihrer Geschäfte sieht man verstärkt Kassen zum selbst kassieren. Wie sieht die Rewe-Kasse der Zukunft aus?
Im Februar eröffnete in Düsseldorf bereits der fünfte Rewe-Supermarkt mit dem „Pick-&-Go“-Konzept. Dabei betreten Kunden den Laden nach kurzer Anmeldung per App – alles weitere wird im Hintergrund geregelt. „Pick & Go“, auf Deutsch „Nehmen und Gehen“, bedeutet genau das: Kunden betreten den Supermarkt, packen Produkte aus den Regalen in ihre Einkaufstasche und verlassen anschließend den Markt – ganz ohne Kasse. Die Waren packen die Kunden in ihre eigenen Tüten, Einkaufskörbe oder Rucksäcke. Beim Verlassen des Marktes wird die Rechnung per App auf das Handy geschickt, die Bezahlung erfolgt dann wahlweise über PayPal, Apple Pay, Google Pay oder Kreditkarte. Kontrolliert wird der Einkauf per Kamera, insgesamt sind knapp 800 verbaut in jedem Pick-&-Go-Supermarkt.
Ist das nur ein Prototyp oder ist das ein wirtschaftliches Modell?
Momentan sind die Technik und die Entwicklungskosten noch sehr hoch. Wir nutzen diese ersten Märkte vor allem, um zu lernen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den Selbstscan-Kassen? Mein Eindruck ist immer, die laden zum Gelegenheitsdiebstahl ein…
In Holland und Belgien sind diese Kassen schon längst Standard. In Deutschland ist die Akzeptanz noch nicht ganz so hoch, aber steigend. In Märkten mit dieser Option nutzt etwa jeder fünfte Kunde diese SB-Version. In England, Belgien oder den Niederlanden liegt die Quote bei 50 Prozent. Um uns gegen Diebstahl abzusichern, haben wir inzwischen auch einige Vorkehrungen getroffen – zum Beispiel so genannte Exit Gates installiert, die sich nur nach einem Scan des Kassenbons öffnen.
Gibt es in zehn Jahren überhaupt noch Kassen? In Banken sind diese heute bereits die Ausnahme…
Ich glaube schon, dass es in zehn Jahren noch Kassen geben wird, aber der Anteil der Kunden, die eine klassische Kasse nutzen, wird immer weiter heruntergehen. Wie schnell das vonstattengehen wird, ist aber keine leichte Prognose.
Wie viel Personal kann man einsparen durch automatisierte Kassen? Oder ist das gar nicht das Ziel?
Wir brauchen weiterhin eine Betreuung an den Selbstscanning-Kassen. Am Ende werden weniger Mitarbeiter kassieren, dafür brauchen wir das Personal aber für andere Aufgaben in den Läden. Etwa zur Pflege des Sortiments oder zur Beratung der Kunden. Es ist auch so, dass wir allein durch unsere wachsenden Umsätze erhöhten Personalbedarf auf der Fläche haben – und es wird ja bekanntlich immer schwieriger Mitarbeiter zu finden. Insofern bringen diese Formen der Kassen eine gewisse Personalentlastung für den Einsatz an anderer Stelle.
Welche Rolle spielt die Bargeldabhebung an den Rewe-Kassen in Zeiten, in denen es immer weniger Bankfilialen und Gelautomaten gibt?
Seit 21 Jahren gibt es die Option des Bargeldabhebens bereits bei uns in den Rewe-Märkten – wir waren Vorreiter dieses Angebotes in Deutschland. Damals hat es noch so gut wie niemand genutzt. Ich sah darin damals aber schon eine sehr gute Dienstleistung für den Kunden. Deshalb habe ich, als ich vor 15 Jahren zuständig für die Rewe wurde, entschieden, dass wir eine TV-Werbung mit Thomas Müller exklusiv zu diesem Thema machen. Ab dem Zeitpunkt sind Bargeldabhebungen an der Kasse stetig gewachsen. In den letzten Jahren sind die meisten unserer Wettbewerber uns gefolgt, weil es wirklich ein großer Kundennutzen ist. Bei uns kann man inzwischen sogar in allen Rewe-Märkten bereits ab einem Einkaufswert von 0,01 Euro kostenlos Bargeld abheben!
Lieferangebote sind für keinen in Deutschland kostendeckend
Machen Sie das als Kundenservice oder um ihre teure Bargeldhaltung zu verringern?
Es ist in erster Linie ein Service für den Kunden, denn wir müssen ja auch Gebühren an die Banken zahlen, die wir dem Kunden aber nicht belasten wollen. Uns kostet das insgesamt natürlich Geld und es verzögert gegebenenfalls auch den Kassiervorgang.
In der Corona-Pandemie gab es erstmals seit dem Krieg leere Regale, Sonnenblumenöl und Toilettenpapier wurden Mangelware. Was haben Sie daraus gelernt?
Wir wollen immer mehr deutsche, regionale und lokale Produkte in unseren Märkten haben – in allen Warengruppen. Das heißt, der seither zu beobachtende Trend zu kürzeren, resilienteren Lieferketten passt sowieso in unsere Strategie regionaler Versorgung. Größere Lager haben wir jedenfalls nicht und wollen wir auch nicht haben.
Wie laufen aktuell Ihre Lieferangebote?
In allen Großstädten laufen die Lieferservices immer besser. Immer stärker entwickelt sich auch Click & Collect bei uns, also unser Abholservice. Man bestellt seinen Einkauf im Internet und holt diesen, wann immer man will, im Laden ab. Das ist für viele Berufstätige viel praktischer als zu einer bestimmten Zeit zu Hause sein zu müssen, wenn der Lieferdienst kommt. Man ist viel flexibler.
Sind die gebührenpflichtigen Lieferungen des Lieferservice für Sie denn kostendeckend?
Nein, für keinen Einzelhändler in Deutschland. Viele machen das deshalb nicht. Zehn Kilometer weit liefern und dann in den vierten Stock tragen – die Kosten stehen überwiegend noch nicht im Verhältnis zu dem getätigten Einkauf. Wir sehen den Service aber nicht isoliert, sondern als Teil eines Omni-Channel-Angebotes von Rewe, das Kunden mal nutzen, während sie ein anderes Mal im Markt einkaufen und ein weiteres Mal eine Bestellung selbst abholen. Was ihnen gerade am besten passt.
Zum Schluss: Wie schätzen Sie aktuell die Lage beim 1. FC Köln ein, dessen Aufsichtsratsvorsitzender Sie ja sind?
Sportlich ist die derzeitige Situation natürlich extrem angespannt. Es sind noch elf Spiele bis zum Saisonende. Es gibt zwei Punkte Vorsprung auf einen direkten Abstiegsplatz, aber auch acht Punkte Rückstand zum rettenden 15. Platz. Der FC braucht also dringend mehrere Siege für den Klassenerhalt, und der ist definitiv das Ziel.
Positiv ist aber zu sehen, dass das Team besser und stabiler in die Rückrunde gestartet ist. Jetzt geht es am Sonntag gegen den bislang noch ungeschlagenen Tabellenführer Bayer Leverkusen. Das ist natürlich eine enorm schwere Aufgabe, aber irgendwann muss jede Serie mal reißen: Mit großer Leidenschaft und mit Kampf auf dem Platz sowie mit der großartigen Unterstützung, die gerade bei diesem Spiel sicherlich wieder von den Rängen kommen wird, ist vieles möglich – hoffentlich auch gegen die starke Werkself aus der Nachbarstadt.