Um so hohe Summen aus der Stadtkasse nehmen zu können, hatte Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) eigens eine neue Dienstvorschrift erlassen.
Schleuser-SkandalSolinger OB will Anwaltskosten von mehr als 200.000 Euro vom Steuerzahler zahlen lassen
Er wird verdächtigt, in die Machenschaften der sogenannten „Luxusschleuserbande“ verwickelt zu sein. Seit Anfang Juli steht Tim Kurzbach, Oberbürgermeister von Solingen, auf der Beschuldigtenliste der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Das gewaltige Honorar für seine Anwälte, das derzeit wohl schon bei gut 210.000 Euro liegt, will der SPD-Politiker nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ aber nicht aus der eigenen Tasche zahlen. Das soll der Steuerzahler übernehmen. Und wie der Zufall es will: Damit so etwas in dem Ausmaß überhaupt möglich ist, hatte Kurzbach, der alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitet, vor einigen Monaten eine städtische Dienstanweisung ändern lassen.
Dies geht aus Vermerken hervor, die ein Whistleblower aus der Stadtverwaltung unserer Zeitung in den vergangenen drei Wochen zukommen ließ. Im Sommer, als er schon zu den Beschuldigten im Schleuserverfahren gehörte, forderte der OB eine Modifizierung des Rechtsschutzes für Beschäftigte des Konzerns „Solingen Stadt“. Die neue Verordnung vom 3. September sieht unter anderem vor, dass „eine Überschreitung der gesetzlichen Gebühr, als notwendig anerkannt werden kann, wenn dies nach der Bedeutung der Angelegenheit sowie nach Art und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gerechtfertigt erscheint.“
OB Kurzbach bestreitet, von den Schleusungen gewusst zu haben
Die „Lex Kurzbach“ habe es erst möglich gemacht, dass die enormen Anwaltshonorare für die Schleuser-Verteidigung des Oberbürgermeisters von der Stadtkasse übernommen werden, sagen Kritiker aus der Solinger Verwaltung. Tatsächlich beantragte Kurzbach bis zum September die Erstattung von etwa 210.000 Euro für seine Anwälte, ist den internen Unterlagen zu entnehmen. Weitere Rechnungen sollten folgen.
Auch die zuständigen Stellen in Solingen störten sich an der exorbitanten Summe. Zumal die anderen „Schleuser-Beschuldigten“ aus der Stadtspitze für ihre Verteidigung weitaus geringere Beträge aufgerufen hatten. Kurzbach ließ sich laut den internen Protokollen zunächst aber nicht beirren. So soll der SPD-Politiker die Leiterin des Rechtsamtes mehrfach aufgefordert haben, die Angelegenheit zu beschleunigen. Auf den Hinweis der Beamtin, dass man bei Summen über 250.000 Euro einen Genehmigungsantrag im Stadtrat wegen außerplanmäßiger Auszahlungen stellen müsse, soll Kurzbach laut Aktenlage sogar vorgeschlagen haben, diese zu teilen. So könne man das Städteparlament umgehen, wenn noch weitere Rechnungen hinzukommen sollten.
Anwaltskanzlei sollte hohe Rechnung begründen
Eine Idee, die in der Solinger Verwaltung auf erheblichen Widerstand stieß, weshalb sich schließlich auch die Stadtdirektorin Dagmar Becker einschaltete. Die Grünen-Politikerin pochte intern auf eine ordnungsgemäße Vorgehensweise, ganz gleich wie der OB dazu stehe. So bat man dessen Anwaltskanzlei, die Honorarforderungen zu begründen. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Daraus ging hervor, dass bis zu vier Anwälte für Kurzbach gearbeitet hatten, heißt es in den städtischen Papieren. Allein sein führender Verteidiger kassierte knapp 400 Euro pro Stunde, der Rest zwischen 300 und 250 Euro.
Nur mit diesem personellen Aufwand hätte die mittlerweile auf knapp 40.000 Seiten angewachsene Ermittlungsakte schnell ausgewertet werden können, habe die Kanzlei argumentiert. Schließlich sei versucht worden, das Verfahren gegen den OB einstellen zu lassen. Damit dieser unbelastet entscheiden könne, bei der Kommunalwahl am 14. September 2025 noch einmal anzutreten.
OB hat Dienstanweisung für Rechtsschutz-Zahlungen verändern lassen
Doch mit ihrer Antragsschrift gingen die Verteidiger baden, die Verfahrenseinstellung wurde abgelehnt. Der mäßige Erfolg der Anwälte indes war es nicht, den die Solinger Stadtdirektorin und Rechtsamtsleiterin in der Stellungnahme thematisierten, die sie ihrem Vorgesetzten Kurzbach am 12. November überreichten. Die beiden Beamtinnen hatten grundsätzliche Zweifel. Sie hätten „erheblichen Bedenken gegen die Notwendigkeit, Angemessenheit und sachliche Rechtfertigung solch hoher Kosten für Ihre Rechtsverfolgung im laufenden Ermittlungsverfahren“, teilten sie dem OB mit. Der bisherige Aufwand sei „weder erforderlich noch angemessen“ gewesen. Zumal noch weitere finanzielle Forderungen anständen.
Wer glaubt, dass die Geschichte damit erst einmal zu Ende war, der irrt jedoch. Trotz des von der Stadtspitze deutlich angemeldetem Widerspruch zur Anwaltsrechnung, scheinen die städtischen Rechnungsprüfer Mitleid mit ihrem obersten Chef gehabt zu haben. In Anbetracht der außergewöhnlichen Lage, in der Kurzbach stecke, billigten ihm die Behördenleiter schon mal eine Abschlagszahlung in Höhe von 60 Prozent der bisher beantragten Kosten zu – insgesamt 126.000 Euro.
Nachdem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ angefragt hatte, wurde die Auszahlung gestoppt
Dies geschah genau an jenem Tag, an dem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den OB um eine Stellungnahme zu den horrenden Anwaltskosten und der unlängst erst geänderten Dienstanweisung gebeten hatte. Dann allerdings erfolgte die Rolle rückwärts: Zwei Tage später bat Kurzbach die Solinger Stadtdirektorin sowie den Kämmerer den Unterlagen zufolge, die Auszahlung sowie den Antrag zu stoppen.
„Um sicherzustellen, dass das gesamte Verfahren maximal objektiv und transparent abläuft, hat der Oberbürgermeister der Stadtverwaltung Solingen vorgeschlagen, dass der Antrag nicht nur intern in der Stadtverwaltung geprüft wird, sondern auch extern durch eine neutrale Institution juristisch geprüft wird“, erläuterte eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage jetzt die aktuelle Situation.