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75. GeburtstagBei der Oberbergischen Verkehrsgesellschaft steht ein großes Jubiläum ins Haus

Lesezeit 5 Minuten
Zu sehen ist eine historische Aufnahme mit zwei Omnibussen.

Mit diesen Bussen startete die Ovag im Herbst 1949 den Fahrbetrieb. Das Bild wurde am 1. Februar 1950 aufgenommen.

Die Ovag kennt in Oberberg jedes Kind. Aber wie entwickelte sich das Unternehmen seit 1949? Unsere Chronik listet die Meilensteine auf.

Es tut sich etwas, damals im Spätsommer des Jahres 1949. In Bonn konstituiert sich der Bundestag und wählt Konrad Adenauer zum allerersten Kanzler der noch ganz jungen Republik. In etwa zeitgleich lässt sich ein gewisser Josef Herberger breitschlagen, es als Trainer der besten Fußballer des Landes wenigstens noch einmal zu versuchen.

Der Kreis, Gummersbach, Bergneustadt und alle zwölf Gemeinden machten mit

Aber auch im Bergischen Land gibt es Bewegung – und das im wahrsten Sinne: Am 2. September 1949 gründen der Oberbergische Kreis und die seinerzeit zugehörigen Kommunen die Oberbergische Verkehrsgesellschaft Aktiengesellschaft. Damit kurvt das Verkehrsunternehmen, für das die Menschen in der Region schnell den Kurznamen Ovag konstruieren, nun fast auf den Tag genau seit 75 Jahren über die oberbergischen Hügel.

Obwohl der Kreis bei der Gründungsversammlung seine beiden Städte Gummersbach und Bergneustadt und auch alle zwölf oberbergischen Gemeinden von Denklingen über Gimborn und Ründeroth bis Waldbröl (die heutige Marktstadt besitzt das Stadtrecht damals noch genauso wenig wie Wiehl) von den Vorzügen einer eigenen Verkehrsgesellschaft überzeugen kann, ist man anfangs noch meilenweit von einem flächendeckenden Streckennetz entfernt. Im September 1949 zockeln ganze vier Busse vom Gummersbacher Zentrum über den Bernberg und Dümmlinghausen bis nach Derschlag und wieder zurück. Dafür sind die helllackierten „Kraftomnibusse“ nagelneu und machen optisch was her. Und die Pläne der Ovag-Führung sind eh deutlich ambitionierter.

Gummersbacher Kleinbahn wurde übernommen

In den 1950er-Jahren übernimmt die Gesellschaft Infrastruktur und Betrieb mehrerer Kleinbahnen – darunter die Leppetalbahn zwischen Engelskirchen und Marienheide, die Verbindung von Bielstein über Nümbrecht nach Waldbröl, und die 1915 installierte Gummersbacher Kleinbahn, die als Straßenbahn Menschen von Gummersbach über Niederseßmar bis zur Genkelmündung kutschierte.

Apropos Niederseßmar: Zum Bestand der Gummersbacher Kleinbahn gehört damals auch das noch im Ersten Weltkrieg errichtete Regiegebäude an der Kölner Straße, das die Ovag-Verwaltung noch heute, im Jubiläumsjahr, beherbergt. Strom statt Schiene Auf der Normalspur sieht die Ovag-Führung allerdings keine Zukunft, zügig werden die Kleinbahnen stillgelegt – dafür rollt nun der Oberleitungsbus verstärkt über den Gummersbacher Asphalt. Fünf neue Vehikel werden dafür geordert, die Route zwischen Dieringhausen und Niederseßmar ertüchtigt und später bis nach Derschlag und dann weiter in Richtung Bergneustadt ausgebaut.

Ein historisches Bild einer geschmückten Straßenbahn.

1953 war Schluss für die Gummersbacher Kleinbahn. Das Bild entstand bei der letzten Fahrt am 15. Mai 1953.

Vor allem die Kinder reagieren auf die Busse mit ihren mächtigen Stromabnehmern auf dem Dach mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Neugier, weiß Erhard Meyer (82), der in Derschlag aufwuchs. „Allein der Aufbau der gewaltigen Strommasten war ein Spektakel. Alles geschah von Hand, es rückten ganze Arbeiterkolonnen mit großen Leitern an.“ Gut erinnert sich Meyer auch noch an den Abbau der Kleinbahngleise.

„Dabei kam eine Lore zum Einsatz. Und wenn die Männer Feierabend hatten, haben wir Kinder die Lore auf eine Anhöhe geschoben und sind damit hinab bis nach Derschlag gebraust.“ Die zwölf Meter langen O-Busse kommen bei den Fahrgästen gut an – haben aber den entscheidenden Nachteil, dass sie zum Vorwärtskommen eine Oberleitung brauchen. Für die Fläche ist das keine Option, in den Sechzigerjahren verschwinden die Stromantriebler wieder aus Oberberg.

Historisches Foto von zwei Männern mit einem Bushaltestellenschild in den Händen.

Zusammen mit der Post wird zum 1. Januar 1970 die Verkehrsgemeinschaft Oberberg (VGO) gegründet. Hier ist der Austausch der Haltestellenschilder am 16. Dezember 1969 zu sehen.

Mit dem Dieselmotor im Heck nimmt die Ovag-Flotte richtig Fahrt auf, das Verbindungsnetz wird stetig größer, die Ovag bei den Oberbergern immer bekannter. Doch nicht nur die Verkehrsgesellschaft fährt die Haltestellen an, auch die von der Bundespost betriebenen Postbusse verkehren inzwischen regelmäßig. Um ihre Tarife zu vereinheitlichen gründen Ovag und Post zum 1. Januar 1970 die Verkehrsgemeinschaft Oberberg (VGO), zwei Jahre später tritt auch die Bahn der Kooperation bei.

Längst braust die Ovag allerdings nicht nur durch Oberberg: Das Unternehmen baut einen Reisedienst auf, Vereine und Klassen können die Busse für Ausflüge nach ganz Europa chartern. Im Kreisgebiet macht sich die Ovag zudem als flinker Spediteur einen Namen: Firmen kaufen Fahrkarten etwa für Maschinenteile, die per Omnibus von einem zum anderen Werk gefahren werden. Immer mehr Fahrzeuge brauchen Platz, die Ovag baut deshalb die große Abstellhalle in Niederseßmar.

Allein der Aufbau der gewaltigen Strommasten war ein Spektakel. Alles geschah von Hand, es rückten ganze Arbeiterkolonnen mit großen Leitern an.
Erhard Meyer wuchs in Derschlag auf und erinnert sich an den Aufbau der Oberleitung für den O-Bus

Die kommunale Neugliederung wird für die Ovag zur Herkulesaufgabe. Nach einer Übergangszeit bedient die Gesellschaft ab 1977 auch Engelskirchen, Lindlar, Wipperfürth, Hückeswagen und Radevormwald. Das Liniennetz wächst von 160 auf 373 Kilometer, aus 14 Linien werden 24. Nachdem eine Fusion mit der Kraftverkehr Wupper-Sieg-AG (dem Vorläufer der heutigen „Wupsi“) mit Sitz in Wipperfürth scheitert, übernimmt die Ovag den dortigen Betriebshof an der Gaulstraße, baut dann aber in Hämmern neu.

In den Neunzigerjahren werden Post und Bahn privatisiert – was das Aus für die Post- und Bahnbusse bedeutet. Dafür wird der Regionalverkehr Köln (RVK) gegründet, an dem die Ovag beteiligt ist. Für die eigene Struktur ist das Jahr 2014 für die Ovag bedeutsam: Der Kreistag beschließt die Umwandlung des Unternehmens von der Aktiengesellschaft in eine GmbH.

Zu sehen ist ein Bus, vor dem sich eine Menschengruppe versammelt hat.

Per Sonderfahrt und dem Reisedienst der Ovag konnten die Oberberger in den Siebzigerjahren durch Europa kurven.

Hintergrund ist die Sorge, dass nach einer für die AG obligatorischen europaweiten Ausschreibung ausländische Firmen den Busdienst in Oberberg an sich ziehen. Am Namen will die Politik gleichwohl nichts ändern – die Ovag bleibt auch ohne Aktien die Ovag.

Ende 2021 geht das On-Demand-Angebots Monti in Wiehl an den Start und wird nach und nach auch in Nümbrecht und Marienheide ausgebaut. 2023 bewirbt sich der Kreis erfolgreich um zehn Millionen Euro Fördergeld des Bundes, mit denen nachhaltige Mobilität in Oberberg auf Vordermann gebracht werden soll. Ein Schwerpunkt ist die Neuaufstellung der Linie 336 zwischen Gummersbach und Remscheid.

Im Mai 2024 verrät Ovag-Chefin Corinna Güllner, dass das Unternehmen 15 Wasserstoffbusse bestellt hat. Wenn es gut läuft, könnten die ersten Exemplare noch am Ende des Jubiläumsjahres auf Oberbergs Straßen zu sehen sein – und damit die nächste Antriebsgeneration in der Geschichte der Ovag bedeuten.


Zahlen zur Ovag: Im Jubiläumsjahr bringt die Ovag rund 200 Busse auf 54 Buslinien auf die Straße. 900 Haltestellen werden inzwischen im Oberbergischen angefahren, das Streckennetz misst fast 1100 Kilometer. 16 Millionen Fahrgäste entscheiden sich pro Jahr für den Bus. Die längste Linie im Kreis ist die 336, die Gummersbach über Wipperfürth mit Remscheid verbindet.