MisshandlungenStaatsanwaltschaft ermittelt in Behindertenwerkstätten in Rhein-Erft
- In Behindertenwerkstätten in Bergheim und Brühl sollen Menschen misshandelt worden sein.
- Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt.
Bergheim/Brühl – Gibt es in den Behinderten-Werkstätten in Brühl und Bergheim große Missstände? Diese Frage stellt sich, nachdem jetzt bekanntgeworden ist, dass die Staatsanwaltschaft Köln wegen Missbrauchs und Misshandlungen von Behinderten ermittelt.
In den beiden Werkstätten der REHA-Betriebe Erftland gemeinnützige GmbH für Rehabilitation werden rund 900 geistig oder körperlich schwerbehinderte Menschen tagsüber beschäftigt und betreut. Die Werkstätten werden unter anderem vom Landschaftsverband Rheinland finanziert und arbeiten auch mit dem Arbeitsamt und dem Kreis zusammen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun in zwei unterschiedlichen Fällen. So wird einem Gruppenleiter in Brühl vorgeworfen, dort eine geistig behinderte Frau auf der Toilette sexuell missbraucht zu haben. Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer: „Die Ermittlungen laufen noch, zunächst gilt aber die Unschuldsvermutung.“
Um zwei Misshandlungsfälle geht es in Bergheim: Dort wird zwei ehemaligen Mitarbeiterinnen vorgeworfen, in einer Gruppe mit Schwerst-Mehrfachbehinderten diese unzulässig fixiert zu haben. So hätten sie die Stühle, auf denen die Behinderten saßen, an Tischen festgebunden. Auch sei diesen gegen ihren Willen Nahrung und Getränke verabreicht worden. Zudem sollen Behinderte in dunkle Räume eingesperrt worden sein, so die Vorwürfe. Bremer: „Es steht der Vorwurf des Missbrauchs von Schutzbefohlenen im Raum. Auch hier laufen noch die Ermittlungen.“
Mitarbeiterinnen haben Betrieb verlassen
Die beiden Mitarbeiterinnen haben den Betrieb mittlerweile verlassen. Von den Beschuldigten selbst ist keine Stellungnahme zu bekommen. Doch berichten ehemalige Mitarbeiter der Reha-Betriebe, dass die Vorwürfe zumindest „unfair“ seien. Denn Auslöser der Misere seien die schlechten Arbeitsbedingungen in der Einrichtung gewesen: So hätten einzelne Betreuerinnen mitunter bis zu acht Schwerstbehinderte in zu engen Räumen beaufsichtigen müssen. Manche Behinderten hätten dabei so mit dem Stuhl gewackelt, dass sie sich zu verletzen drohten. Man habe sich deshalb nicht anders zu helfen gewusst, als die Stühle festzubinden. Auch sei niemand in dunklen Räumen eingesperrt worden. Die Türen seien vielmehr unverschlossen geblieben. Es habe sich um verdunkelte Räume gehandelt, in denen die betreuten Personen zur Ruhe kommen sollten.
Kritik an den Bedingungen in den beiden Werkstätten übt auch Ralf Schnackerz, der seit anderthalb Jahren dort in einem Eltern- und Betreuerrat sitzt. Er vertritt dabei seinen geistig behinderten Bruder, der seit rund 30 Jahren die Werkstatt besucht. Schnackerz spricht von einem „kompletten Organisationsversagen“ in den Werkstätten. So seien Aussagen von Mitarbeitern „zumindest teilweise nachvollziehbar“ , wonach sie von der Werkstattleitung bei der Betreuung der Schwerstbehinderten „alleingelassen“ worden seien. Die Personaldecke sei zu „dünn“ gewesen. So habe es für das Personal auch zu wenig Unterstützung – etwa durch Weiterbildung oder Gewaltprävention – gegeben. Bezeichnend sei, dass die Gruppenstärke der zu betreuenden Personen nach Bekanntwerden der Vorkommnisse „deutlich reduziert“ worden sei, sagt Schnackerz.
Auch seien die Raumbedingungen oft miserabel gewesen. So habe es im Sommer „Zimmertemperaturen jenseits der 30 Grad gegeben“ , zu dem seien die Toilettenanlagen oft nicht ausreichend gereinigt worden. Alle Missstände seien von den Eltern und Betreuern immer wieder angesprochen worden, berichtet Ralf Schnackerz. Die Geschäftsführung habe diese aber abgeblockt. Dabei habe er auch den Eindruck, dass es an der Aufsicht mangele, berichtet das Mitglied aus dem Eltern- und Betreuerrat.
Mehrere Gespräche mit der Leitung geführt
Der Landschaftsverband als einer der Kostenträger betont „nicht Aufsichtsbehörde über die Werkstätten“ zu sein. Man habe aber schon mehrere Gespräche mit der Leitung geführt, um Verbesserungen zu erreichen. Ab 2020 werde man durch eine Gesetzesänderung hier auch weitergehende Befugnisse haben. Inwieweit der Kreis für die Aufsicht zuständig ist, wird dort noch geprüft.
Ingo Ziehm, Geschäftsführer der REHA-Betriebe, war persönlich nicht zu sprechen: In einer schriftlich verbreiteten Presseerklärung betonte er, über die Missbrauchs- und Misshandlungsvorwürfe „zutiefst betroffen, fassungslos und wütend“ zu sein.
„In unserer Einrichtung tolerieren wir ein solch inakzeptables Verhalten nicht.“ Auch wenn es sich zunächst einmal nur um Vorwürfe handelt und die Behörden noch kein abschließendes Ergebnis ihrer Ermittlungen haben, habe er schon Maßnahmen ergriffen, um ähnliche Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern: So sei das Personal in den einzelnen Bereichen deutlich aufgestockt worden und rotiere regelmäßig, damit eventueller Missbrauch frühzeitig entdeckt werde. Darüber hinaus würden verschiedene Gesprächskreise und Beratungsangebote unterbreitet.