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Politische AbrechnungDas Sahne- und das Ampel-Trauma: Lindner klärt Basis auf

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Der Schaum war nicht das Schlimmste beim Tortenwurf auf Christian Lindner - «traumatisierend» fand der die fehlende Sahne.

Der Schaum war nicht das Schlimmste beim Tortenwurf auf Christian Lindner - „traumatisierend“ fand der die fehlende Sahne.

FDP-Bundesparteichef Lindner hat noch vieles aufzuarbeiten: seinen Rauswurf aus dem Kabinett, die Schaumtorte und die Ampel. In seiner politischen Heimat redet er Tacheles.

Zwei Monate nach dem Bruch der Ampel im Bund hat Ex-Finanzminister Christian Lindner vor seiner Parteibasis in Nordrhein-Westfalen sein Handeln erklärt. „Ich hätte nur akzeptieren müssen, weitere 15 Milliarden Euro aufzunehmen an neuen Schulden und das Grundgesetz ein weiteres Mal zu verletzen“, sagte er beim Neujahrsempfang der NRW-FDP in Düsseldorf.

„Ich könnte hier als Bundesminister der Finanzen stehen. Ich hätte mein Amt und meine Pension retten können“, sagte der FDP-Bundesparteichef. „Aber ich hätte meine Selbstachtung verloren und unserem Land geschadet.“ 

Lindner: Nur beim Rauswurf brannte Scholz 

Bei seiner Entlassung als Minister habe er Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „zum ersten Mal leidenschaftlich erlebt“, ätzte Lindner. Die mehr als 1.000 Gäste quittierten seine Erklärung mit Applaus.

Die Schuldenbremse sei zu Recht im Grundgesetz verankert, bekräftigte Lindner. „Die Schuldenbremse ist Ihre Versicherung gegenüber Politikerinnen und Politikern, die im Wahlkampf Geschenke verteilen wollen, um populär zu werden, die Sie aber am Ende selber zahlen müssen“, warnte Lindner.

Wähler-Geschenke verteilen wie Prinz Karneval 

Es sei wohl kein Zufall, dass der Bundestagswahlkampf und Scholz' Vorschläge für eine modifizierte Schuldenbremse in die aktuelle Karnevalssession fielen, unkte der Freidemokrat. „Uns ist das im Rheinland vertraut: Mit kleinen Geschenken populär werden - das macht der Prinz Karneval genauso. Die Kamelle kauft er aber nicht auf Pump.“

«Ampel light» oder Ampel leid - FDP-Bundesparteichef Christian Lindner hat da eine klare Meinung.

„Ampel light“ oder Ampel leid - FDP-Bundesparteichef Christian Lindner hat da eine klare Meinung.

Eine erneute Zusammenarbeit mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kommt für den FDP-Chef im nächsten Kabinett nicht infrage. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz habe gesagt, er sei offen für den Grünen als Wirtschaftsminister in seinem Kabinett, kritisierte Lindner. 

Habeck soll lieber Kinderbücher schreiben

„Ich kann für mich sagen: Ich bin nicht offen dafür, dass Robert Habeck sein Zerstörungswerk fortsetzen kann.“ Er werde ja bald Vater, sagte der 46-jährige Ehemann der früheren TV-Journalistin Franca Lehfeldt. Insofern hätte er nichts dagegen, wenn Habeck stattdessen in seinem ursprünglichen Beruf als Kinderbuchautor weiterarbeiten würde.

Ampel light oder Ampel leid

Seit 20 Jahren werde Deutschland regiert von Konstellationen, wo zwei Parteien sich gegenseitig begrenzten, bilanzierte Lindner. „Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün, das wäre im Grunde genau das auch wieder“, meinte der FDP-Politiker mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar. „Das wäre Ampel light. Und ich bin Ampel leid. »

Konditorenkel Lindner vermisst noch die Sahne

In seiner launigen, frei gehaltenen Rede ging Lindner auch noch einmal auf den Schaumtortenwurf gegen ihn vor einer Woche ein. Eines habe ihn befremdet, witzelte er. 

Schließlich sei er Enkel und Urenkel von Konditorenmeistern. „Und wenn ich eine Torte bekomme, dann ist die ausgerechnet aus Rasierschaum statt aus Sahne.“ Das sei traumatisierend gewesen. „Ein weiterer Beleg, dass die Linke kein Verständnis für Genuss und Lebensfreude hat.“

In der vorigen Woche hatte eine Kommunalpolitikerin der Linken dem ehemaligen Bundesfinanzminister bei einer Wahlkampfveranstaltung in Greifswald eine Torte aus Rasierschaum ins Gesicht geworfen.

Opas Plunder-Teilchen und die Bundesjugendspiele

„Die ersten Jahre meiner Kindheit habe ich in der Bäckerei meines Großvaters zugebracht“, plauderte der gebürtige Wuppertaler vor seiner Heimatbasis in NRW. „Und ich will nur so viel sagen: Die Plunder-Teilchen haben nicht dazu geführt, dass ich bei den Bundesjugendspielen ein Abo auf die Siegerurkunde hatte.“

Die FDP-Opposition in Nordrhein-Westfalen will die Schuldenbremse auch in der Landesverfassung verankert sehen.

Die FDP-Opposition in Nordrhein-Westfalen will die Schuldenbremse auch in der Landesverfassung verankert sehen.

Ebenso wie Lindner setzte auch Landesparteichef Henning Höne sich mit der Schuldenbremse auseinander. Er forderte, sie - wie in den meisten anderen Bundesländern - auch in der Landesverfassung zu verankern. Andernfalls sei es nicht möglich, Verstöße gegen die Neuverschuldungsregeln in NRW vor dem Landesverfassungsgericht zu beklagen, erklärte er. In der vergangenen Woche war eine entsprechende Klage von SPD und FDP deswegen in Münster gescheitert. 

Die Reden der beiden Spitzenpolitiker mussten wegen zweier Schwächeanfälle im Publikum zweimal für kurzfristige medizinische Behandlungen unterbrochen werden. (dpa)