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Finanzspritze für KommunenNRW setzt Altschulden-Regelung jetzt gesetzlich um

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Die nordrhein-westfälischen Städte dringen auf eine belastbare Lösung ihrer Altschuldenlasten. (Symbolbild)

Die nordrhein-westfälischen Städte dringen auf eine belastbare Lösung ihrer Altschuldenlasten. (Symbolbild)

Lange hat das Land gewartet und gehofft, dass sich der Bund an einer großen Milliardenspritze für hoch verschuldete Kommunen beteiligt. Jetzt drückt NRW den Startknopf. Das überzeugt aber nicht alle.

Nordrhein-Westfalen macht jetzt, unabhängig vom Bund, ernst mit einer landesfinanzierten Hilfe für hoch verschuldete Kommunen. Von diesem Haushaltsjahr an steht eine Viertelmilliarde Euro jährlich zur Verfügung. 

Die konkreten Voraussetzungen und die Verteilung regelt ein Gesetzentwurf zur anteiligen Entschuldung der bedürftigen Städte und Gemeinden, den NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) in Düsseldorf vorstellte. Der Entwurf wird nun zunächst den kommunalen Verbänden zur Beratung zugeleitet. Noch vor der Sommerpause solle die Novelle im Landtag verabschiedet werden, kündigte Scharrenbach an. 

Bundesbeteiligung bleibt ungewiss

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte bereits im vergangenen Jahr den Plan vorgestellt, hoch verschuldete NRW-Kommunen innerhalb von 30 Jahren um insgesamt 15 Milliarden Euro zu entlasten - falls der Bund die Hälfte übernimmt. „Aus dem Bekenntnis der Landesregierung wird nun Umsetzung“, sagte Scharrenbach. 

Der Bund bleibe aufgefordert, seine grundsätzliche Zusage zu einer Beteiligung einzuhalten, unterstrich Scharrenbach. Sie sehe allerdings keine Chance, dass sich noch der alte Bundestag auf eine Altschuldenhilfe einigt. 

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) appellierte an die Landesregierung, in Berlin Druck zu machen. „Von der neuen Bundesregierung erwarten wir, dass sie den Ball aufnimmt und erkennt, dass die Entschuldung der Kommunen oberste Priorität haben muss“, mahnte DGB-Landeschefin Anja Weber. 

Kommunen können überbordende Kassenkredite nicht mehr tilgen

Bei der anvisierten Teilentschuldung geht es um die sogenannten Liquiditätskredite, die Kommunen aufnehmen, um kurzfristig ihre Zahlungsfähigkeit sicherzustellen und finanzielle Engpässe zu überbrücken. Der Gesamtstand solcher Kassenkredite in allen Kommunen belief sich nach Angaben der Landesregierung zum 31. Dezember 2023 auf rund 20,9 Milliarden Euro.

Das Land bietet dem Gesetzentwurf zufolge an, bis zu 50 Prozent des von der jeweiligen Kommune gemeldeten und geprüften Gesamtvolumens, das als übermäßig zu betrachten ist, zu übernehmen. Als „übermäßig“ soll demnach gelten, wenn eine Pro-Kopf-Verschuldung von mehr als 100 Euro je Einwohner vorliegt.

Bei einigen höchst verschuldeten Kommunen in NRW hätten sich so hohe Liquiditätskredite aufgetürmt, dass eine vollständige Tilgung aus eigener Tasche nicht realistisch erscheine, erläuterte Scharrenbach. Das sei eine „Vergeblichkeitsfalle“. 

NRW plant Schuldendeckel 

In solchen Fällen soll eine „Spitzenentschuldung“ besondere Entlastung verschaffen: „Nach Teilnahme an dem Entschuldungsprogramm hat keine Kommune einen höheren Bestand an berücksichtigungsfähigen übermäßigen Verbindlichkeiten als 1.500 Euro je Einwohnerin und Einwohner.“

«Anpacken, Stärken, Entlasten» ist für Nordrhein-Westfalens Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) die Übersetzung für das geplante Altschuldenentlastungsgesetz (ASEG). (Archivbild)

„Anpacken, Stärken, Entlasten“ ist für Nordrhein-Westfalens Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) die Übersetzung für das geplante Altschuldenentlastungsgesetz (ASEG). (Archivbild)

Mit ihrem Aktionsplan wolle die Landesregierung in Zeiten allgemeiner Verunsicherung „ein klares Gegensignal von Sicherheit, Stabilität und Verlässlichkeit setzen“, sagte Scharrenbach. Zwischen Ende 2016 und Ende 2023 sei es den NRW-Kommunen wegen der damals noch positiven Wirtschaftsentwicklung und finanziellen Hilfen der Landesregierung bereits gelungen, ihre Liquiditätskredite um rund sieben Milliarden Euro oder 25 Prozent zurückzuführen. Bundesweit habe das Kommunaldefizit in den ersten drei Quartalen 2024 ein Minus von 26 Milliarden Euro ausgewiesen. 

Nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ begrüßte die NRW-Initiative im Grundsatz. „Die Übernahme kommunaler Kredite in die Landesschuld wird den Städten und Gemeinden Luft zum Atmen verschaffen“, heißt es in einer Mitteilung. „Aber ohne Beteiligung des Bundes ist die Regelung des Landes eine Altschulden-Hilfe und keine Altschulden-Lösung.“

Dem 2008 für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen gegründeten Bündnis gehören laut eigenen Angaben 71 Kommunen aus acht Bundesländern an. 

Ähnlich äußerte sich die SPD-Opposition. Eine Schuldenübernahme könne die Schieflage der Kommunalhaushalte nicht heilen, stellte der SPD-Abgeordnete Justus Moor fest. „Die Prognose der Kommunen kommt zu einem dramatischen Ergebnis: Bis 2028 werden 240 der 396 Kommunen ihre finanziellen Reserven vollständig aufgebraucht haben und damit überschuldet sein.“ Daher müssten sie einen größeren Anteil an den Steuereinnahmen des Landes erhalten. „Nur so kann verhindert werden, dass Städte und Gemeinden nach einer Schuldenübernahme durch das Land unmittelbar neue Schulden aufbauen müssen.“

FDP: Hilfe an Sparauflagen knüpfen

Die FDP hält eine grundsätzliche Reform der Kommunalfinanzen für unerlässlich. Hilfen müssten an Auflagen geknüpft sein – etwa an eine verbindliche Begrenzung von Kassenkrediten und eine effizientere Verwaltungsstruktur, schlug der Landtagsabgeordnete Dirk Wedel vor. „Eine Politik des Schuldenmachens und Wegsehens darf nicht zur neuen Normalität werden.“

Wuppertals Oberbürgermeister Uwe Schneidewind (Grüne) verlangte von Land und Bund darüber hinaus eine Entlastung von Sozialkosten, einen Investitionsfonds für die Kommunen und mehr frei verfügbare Mittel statt Bürokratie. (dpa)