Erst vor knapp einem Jahr hatte BP seinen Raffineriestandorten in Gelsenkirchen eine Neuaufstellung verordnet. Jetzt möchte der Mineralölkonzern seine Tochter loswerden. Und zwar möglichst schnell.
MineralölindustrieÖlkonzern BP will Raffinerietochter Ruhr Oel verkaufen
Der Mineralölkonzern BP will überraschend seine Raffinerietochter Ruhr Oel mit insgesamt rund 2.235 Beschäftigten verkaufen. Man beabsichtige, den Markt für einen möglichen Verkauf der Ruhr Oel GmbH sowie der dazugehörigen Raffinerieanlagen zu durchleuchten, teilte BP Europa in Bochum mit.
Damit beginne der Konzern umgehend. „Ziel ist es, noch im Jahr 2025 verbindliche Verkaufsvereinbarungen abzuschließen“, hieß es. Erst vor knapp einem Jahr hatte BP eine Neuaufstellung des Standorts angekündigt, der mit einem Kapazitäts- und Stellenabbau verbunden sein sollte.
Die Gewerkschaft IGBCE warf BP vor, seiner sozialen Verantwortung nicht gerecht zu werden. Die Stadt Gelsenkirchen äußerte sich besorgt und drang auf den Erhalt der Arbeitsplätze.
Ruhr Oel auch an großem Tanklager in Rotterdam beteiligt
An zwei Raffineriestandorten in Gelsenkirchen stellt das Unternehmen Kraftstoffe, Heizöle und petrochemische Grundstoffe her. Zu Ruhr Oel gehören auch ein Tanklager in Bottrop, das Spezialchemieunternehmen DHC Solvent Chemie in Mülheim/Ruhr, eine Beteiligung am Tanklager Maatschap Europort Terminal (MET) in Rotterdam sowie weitere Beteiligungen unter anderem an Pipelines.
In Gelsenkirchen und Bottrop sind nach Angaben des Unternehmens derzeit rund 2.000 Menschen beschäftigt, hinzu kommen 160 Auszubildende. In Mülheim zählt DHC Solvent Chemie rund 75 Beschäftigte.
BP Europa-Chef: „Müssen uns fokussieren“
Das Vorhaben stehe im Einklang mit der globalen Strategie von BP, hieß es. „In einem sich rasant entwickelnden Energiemarkt wollen und müssen wir uns fokussieren“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der BP Europa SE, Patrick Wendeler, laut der Mitteilung. „Nach eingehender Prüfung sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die Ruhr Oel GmbH unter einem neuen Eigentümer ihr volles Potenzial entfalten kann.“
Erst vor elf Monaten hatte das Unternehmen eine Neuaufstellung der beiden Standorte in Gelsenkirchen angekündigt. Dabei stellte es eine reduzierte Verarbeitungskapazität von zwölf Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr auf rund acht Millionen Tonnen in Aussicht. Ein damit verbundener Arbeitsplatzabbau sollte sozialverträglich gestaltet werden, hieß es Anfang März 2024.
Raffinerieleiter Arno Appel hatte damals erklärt: „Derzeit ist unser Raffineriestandort in Gelsenkirchen nicht wettbewerbsfähig. Wir sind zu komplex und – nicht nur dadurch – mit strukturell zu hohen Kosten belastet.“ Der Umbau sollte bis zum Ende des Jahrzehnts dauern.
BP: Raffinerie hat Potenzial für Biokraftstoff-Herstellung
BP betonte jetzt, dass die Transformation zu weniger Komplexität und einer angepassten Verarbeitungskapazität beitrage. „Heute kann die Raffinerie nicht nur Rohöle aus aller Welt verarbeiten und hochwertige Kraftstoffe herstellen, sondern hat auch das Potenzial, in Zukunft Biokraftstoffe zu produzieren und in das Kunststoffrecycling einzusteigen.“
Wann die Ruhr Oel in neue Hände kommt, ist offen. Dies hänge von regulatorischen und behördlichen Zustimmungen ab. „Während des Verkaufsprozesses wird der Raffineriebetrieb in gewohnter Weise fortgeführt“, erklärte BP.
Gelsenkirchen hofft auf langfristige Beschäftigungssicherung
Die Stadt Gelsenkirchen nahm die BP-Verkaufspläne laut einer Mitteilung „mit großem Interesse und Sorge zur Kenntnis“. „Unsere große Hoffnung in Gelsenkirchen kann nur sein, dass gerade ein Eigentümerwechsel zu einer dauerhaften und langfristigen Standort- und Beschäftigungssicherung beitragen kann“, erklärte Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD). Es gehe um den langfristigen Erhalt von mehr als 1500 Industriearbeitsplätzen in Gelsenkirchen.
Mit der Ankündigung verlasse das Unternehmen „den Pfad der sozialen Verantwortung“, kritisierte die Gewerkschaft IGBCE (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie). „Für die Beschäftigten, aber auch für die Stadt und die gesamte Region ist das keine gute Nachricht, weil damit große Unsicherheit verbunden ist“, sagte der Leiter des IGBCE-Bezirks Gelsenkirchen, Thomas Steinberg, laut einer Stellungnahme. Er versprach, dass sich die Gewerkschaft für die Beschäftigten und den Erhalt ihrer Arbeitsplätze einsetzen wird. „Wir erwarten, dass es für sie auch in Zukunft bei Tarifbindung, sozialen Standards und Arbeitsbedingungen keine Verschlechterungen geben wird“, so Steinberg weiter. (dpa)