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GeldpolitikSechste EZB-Zinssenkung seit Sommer - war es das?

Lesezeit 4 Minuten
EZB-Entscheidung: Leitzinsen im Euroraum sinken weiter (Archivbild)

EZB-Entscheidung: Leitzinsen im Euroraum sinken weiter (Archivbild)

Gut für Kreditnehmer, schlecht für Sparer: Die Leitzinsen sinken erneut. Wie die EZB fortfährt, ist ungewiss - auch wegen Trump und des Schuldenpakets aus Berlin. Gerade deutsche Notenbanker bremsen.

Nach der sechsten Zinssenkung seit Sommer 2024 schwindet der Spielraum der Europäischen Zentralbank (EZB). Ein Ende der Serie schon im April wird wahrscheinlicher. „Wir haben überall Risiken, überall Unsicherheit“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Frankfurt.

Mit Donald Trump drohen Europa nicht nur Handelskonflikte, auch hat der US-Präsident die Weltordnung auf den Kopf gestellt, was eine massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben nach sich zieht. Ökonomen fürchten ein Anziehen der Inflation im Euroraum.

Zunächst verringerte die EZB die Leitzinsen im Euroraum weiter: Den für Banken und Sparer wichtigen Einlagensatz senkt die Notenbank um 0,25 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Niedrigere Zinsen helfen der zunehmend schwachen Konjunktur im Euroraum, weil Kredite tendenziell günstiger werden. 

Neues Schuldenpaket aus Berlin als Inflationstreiber?

Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), fordert von der EZB Zurückhaltung bei weiteren Zinsschritten: „Der Inflationsausblick hat sich spätestens mit dem finanzpolitischen Paukenschlag von CDU/CSU und SPD gedreht.“ Die Staatsausgaben dürften insbesondere in Deutschland, aber auch im Euroraum auf Jahre hinaus stark steigen.

Union und SPD wollen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben lockern. Außerdem soll ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur mit 500 Milliarden Euro geschaffen werden. Die Aussicht auf enorme neue Schulden lassen die Zinsen an den Kapitalmärkten bereits steigen, während die EZB die Kreditkosten für Firmen eigentlichen drücken will.

Ifo-Präsident Clemens Fuest hält den Spielraum für weitere Zinssenkungen für ausgeschöpft: „Steigende Löhne und wachsende staatliche Neuverschuldung könnten dazu führen, dass die Inflation nicht weiter sinkt, sondern eher wieder steigt.“ Und Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB, verweist auf drohende Zollkonflikte mit den USA: „Das Risiko, dass die US-Zollpolitik auch im Euroraum die Inflation wieder steigen lässt, nimmt zu – etwa durch Gegenzölle der Europäischen Union.“

Sinkende Zinsen für Sparer

Für Sparer ist die erneute Leitzinssenkung keine gute Nachricht: Bekommen Geschäftsbanken weniger Zinsen für Gelder, die sie bei der EZB parken, senken sie meist die Tages- und Festgeldzinsen für ihre Kundschaft. Auf die Bauzinsen dürfte die erneute Leitzinssenkung hingegen keinen Einfluss haben, der Zinsschritt ist Experten zufolge schon eingepreist.

Die Tagesgeldzinsen in Deutschland sind seit Frühjahr vergangenen Jahres kontinuierlich gesunken. Im Februar brachten bundesweit verfügbare Angebote im Schnitt 1,48 Prozent nach 1,56 Prozent im Januar, wie eine Auswertung des Vergleichsportals Verivox zeigt. 

Die EZB verringert nicht nur den Einlagenzins, sondern auch den Zins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, weiter: Statt 2,9 Prozent werden dafür nach der jüngsten Entscheidung des EZB-Rates 2,65 Prozent Zinsen fällig.

Noch weniger Wachstum in Europa erwartet

Manche Volkswirte halten es trotz wachsender Unsicherheit für möglich, dass die EZB den Einlagenzins bis Sommer noch etwas heruntersetzen wird, um die Konjunktur anzukurbeln. Nach jüngster EZB-Prognose dürfte die Wirtschaft im Euroraum 2025 nur noch um 0,9 Prozent wachsen. Im Dezember hatte die Notenbank ihre Vorhersage bereits auf 1,1 Prozent verringert. 

Für weitere Zinssenkungen spricht auch, dass die Notenbank ihr Ziel stabiler Preise in greifbarer Nähe sieht. Bei mittelfristig 2,0 Prozent Inflation sieht die EZB ihr Hauptziel stabiler Preise und somit einer stabilen Währung im Euroraum erreicht. Allerdings erwartet die Notenbank, dass die Inflation langsamer schwindet als zuletzt vorhergesagt. Statt 2,1 Prozent erwarte die EZB nun für dieses Jahr eine Rate von 2,3 Prozent. 

Inflationswelle gebrochen - zuletzt aber wieder Aufwärtstrend bei der Teuerung (Symbolbild)

Inflationswelle gebrochen - zuletzt aber wieder Aufwärtstrend bei der Teuerung (Symbolbild)

Im Februar lagen die Verbraucherpreise im Euroraum nach Eurostat-Schätzung um 2,4 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Zuvor war die Rate vier Monate in Folge bis auf 2,5 Prozent im Januar gestiegen. 

Inflationswelle gebrochen

Unbestritten ist aber, dass die Inflationswelle im Zuge des Ukraine-Krieges gebrochen ist. Inzwischen hat sich die Inflation im Euroraum weit von ihrem Rekordhoch bei 10,7 Prozent im Herbst 2022 entfernt: Im Jahresschnitt 2024 lag sie bei 2,4 Prozent.

Bundesbank-Präsident Nagel: «Mit Blick auf weitere Zinssenkungen nichts überstürzen» (Archivbild)

Bundesbank-Präsident Nagel: „Mit Blick auf weitere Zinssenkungen nichts überstürzen“ (Archivbild)

Deutscher Widerstand gegen weitere Zinssenkungen

Weil Zollkonflikte mit den USA die Teuerung anheizen könnten, warnen manche Notenbanker vor zu weitgehenden Zinssenkungen. Kürzlich hatte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel eine Diskussion über ein Ende der Serie von Zinssenkungen angeregt: „Wir nähern uns dem Punkt, an dem wir möglicherweise bei den Zinssenkungen pausieren oder stoppen müssen“, sagte Schnabel der „Financial Times“. Auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel mahnte kürzlich, „mit Blick auf weitere Zinssenkungen nichts zu überstürzen“. (dpa)