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Adidas feiert PR-CoupPinkes DFB-Trikot ist Verkaufsschlager und wird zum Kulturkampf

Lesezeit 4 Minuten
DFB - Pressekonferenz zur Kadernominierung für die Länderspiele gegen Frankreich und die Niederlande Bundestrainer Julian Nagelsmann stell das neue Auswärtstrikot vor. DFB-Pressekonferenz mit Bundestrainer Julian Nagelsmann auf dem DFB-Campus in Frankfurt am Main am 14. März 2024., Frankfurt am Main Hessen Deutschland DFB-Campus *** DFB press conference on the squad nomination for the international matches against France and the Netherlands National coach Julian Nagelsmann presents the new away jersey DFB press conference with national coach Julian Nagelsmann at the DFB Campus in Frankfurt am Main on March 14, 2024 , Frankfurt am Main Hessen Germany DFB Campus

Bundestrainer Julian Nagelsmann stell das neue Auswärtstrikot vor.

Der DFB-Ausrüster hat offenbar den Nerv einer in ihren Ansichten gespaltenen Nation getroffen.

Das neue Auswärtstrikot der deutschen Nationalmannschaft ist dieser Tage in aller Munde und geistert durch die Kommentarspalten der sozialen Netzwerke. Hier trägt Florian Wirtz Wölkchen von rosa Glitzer-Schminke, dort sind andere Nationalspieler im Ballettröckchen neben dem Barbie-Bus zu sehen – selbstverständlich nur als Fotomontagen.

Aber nach der Präsentation der knallpinken EM-Trikots tobt vor allem im Internet der Kulturkampf um die Deutungshoheit. Gewagtes Symbol für gesellschaftliche Vielfalt? Oder doch nur billige Anbiederung an den woken Zeitgeist?

So oder so - adidas hat den Nerv einer in ihren Ansichten gespaltenen Nation getroffen. Nicht nur wegen des besten Verkaufsstarts eines Auswärtstrikots darf sich der Hersteller für einen PR-Coup feiern lassen. Sondern auch wegen einer guten bis genialen Werbekampagne, die die eigenen Erwartungen in Sachen Reichweite übertroffen hat, Kritik antizipiert und sogleich humorvoll entkräftet.

Adidas-Spot: „Ist das ein Frauen-Trikot?“

„Ist das ein Frauen-Trikot?“, wird in einem Clip gefragt. Nationalspielerin Jule Brand antwortet provokant: „Ich weiß nicht. Sieht für mich noch nicht nach acht EM-Titeln aus.“ Die Männer haben nur drei. „Das ist kein Trikot für Legenden“, wird noch Thomas Müller bei einer gespielten Autogrammstunde gefragt. „Dann frag mal eine“, entgegnet der Nationalspieler und weist in Richtung Rudi Völler: „Ich finde schon“. In den User-Kommentaren auf Youtube dominieren jedenfalls die Lob-Bekundungen für die DFB-Clops. Auch oft von jenen, die das Auswärtstrikot als „gewöhnungsbedürftig beschrieben.

Oliver Bierhoff hat als langjähriger Nationalmannschaftsdirektor viele Trikot-Präsentationen erlebt. Generell liege das Design eher beim Ausrüster, sagte er bei Welt-TV: „Da steht auch der kommerzielle Gedanke hinter, die Trikots zu verkaufen. Und da sind sie jetzt an die ganz junge Generation gegangen.“ Die Konzentration auf die Generation TikTok mit Influencern, YouTube und stundenlangen Twitch-Streams bringe auch Probleme mit sich: „Dass das ein 60-Jähriger liebend gern trägt, kann ich mir schwerer vorstellen." Der aber kann aus adidas-Sicht, überspitzt gesagt, beim Grillen auf dem Campingplatz ja immer noch das weiße Heimtrikot über den Bauch spannen.

Jonas Hector und Fabian Köster loben DFB-Spots zu neuen Trikots

Lob für Mut und Modernität scheint sich mit Kritik an Gefallsucht und angeblichem Werte-Verrat die Waage zu halten, beides kommt aus den erwartbaren Richtungen. Die Diskussion entblößt fragile Männlichkeit und uralte Vorurteile - aber adidas hat eines vollbracht: Fast jede(r) hat eine klare Meinung.

Zum Beispiel der ehemalige Kapitän des 1. FC Köln und Nationalspieler Jonas Hector zusammen mit seinem Podcast-Partner, dem Comedian Fabian Köster. „Die DFB-Spots sind top gemacht. Lustig und ironisch“, lobt Köster. „Endlich mal zeitgemäß“, entgegnet Hector und kommentiert mit einem Lachen: „Wie Rudi Völler da eingebaut wird... Weltklasse!“

Marcel Loko äußerte sich wiederum kritischer. „Ich frage mich, ob die Intention zu durchsichtig ist“, sagte der Markenexperte dem Spiegel. „Auf mich wirkt es zu anbiedernd, zu hey-wir-sind-cool-artig.“ Pink bewege sich im Farbspektrum nicht nur fernab der bisherigen DFB-Palette: „Überfordert es nicht die Spieler, wenn zu viel Gesellschaftspolitisches ins Trikot gezwängt wird?“ Mittelfristig drohe ein „kommunikativer Schaden“, wenn „mit zentralen Werten und Symbolen“ so leichtfertig umgegangen werde.

Adidas jedoch legt die Hand nach dem PR-Desaster für den Deutschen Fußball-Bund bei der Weltmeisterschaft in Katar (Stichworte: Regenbogenbinde, Mund-zu-Geste) ganz bewusst auf die heiße Herdplatte. Es werde „humorvoll mit deutschen Klischees und Stereotypen“ gespielt - beispielsweise war am Dienstag im Pressebereich am Frankfurter Campus ein „typisch deutsches“ Wohnzimmer der 1950er-Jahre aufgebaut. Nebenan stand eine Dönerbude: Tradition und Moderne.

Nationalmannschaft: Trikots kosten 100 Euro

Die „unerwartet frischen“ Auswärtstrikots, so der Hersteller, werden unter anderem von Influencern, dem Model Lena Gercke und dem Rapper RIN angepriesen. Wirtz ist begeistert: „Ich finde es sehr cool! Mal etwas anderes und wirklich außergewöhnlich.“

Nicht so cool dürften die Fans den Preis finden. Die Trikots kosten 100 Euro, in Kindergrößen 75. Die von den Spielern getragene „Authentic-Version“ ist für 150 Euro zu haben. Mut zum 50-Euro-Trikot hätte vielleicht auch mal gutgetan. (oke, mit sid)