Fischerei in SiegburgAm Mühlengraben wird auch im Winter geangelt
Siegburg – In diesen Tagen ist das Wasser im Mühlengraben so kalt, dass der Köder an der Angel von Hans Guld gefriert. Aber nicht nur deshalb wollen die Forellen und Aale derzeit nicht so recht beißen, weiß der erfahrene Angler: „Fische sind wechselwarme Tiere. Bei den derzeitigen Wassertemperaturen fahren sie ihren Stoffwechsel herunter und bewegen sich kaum.“ Und dennoch versuchen Angler auch im Winter am Mühlengraben ihr Glück.
Aus gutem Grund, weiß Hubert Linden, langjähriger Vorsitzender des Fischschutzvereins Siegburg: „Der Mühlengraben ist als Fischlebensraum nicht zu unterschätzen. Hier sind die hydraulischen Verhältnisse gerade für Jungfische oftmals viel günstiger als direkt in der Sieg.“Und so wissen erfahrene Petrijünger, dass an der Stadtmühle Hechte auf Beute aus sind und nahe dem Leinpfad zwischen Stadtmühle und Amtsgericht besonders prächtige Vertreter der Fischart Nase zu finden sind, die derzeit allerdings unter Schutz steht.
Strafgefangene mussten den Mühlengraben reinigen
Das Fischereirecht für den Mühlengraben gehörte jahrzehntelang ausgerechnet den Phrix-Werken, die mit aggressiven Abwässern regelmäßig größere Fischsterben verursachten. Nach der Schließung des Unternehmens in den 1970er Jahren ging das Fischereirecht an den Ludwigshafener Chemiekonzern BASF über, der es schließlich dem Fischschutzverein Siegburg verkaufte.
Damit änderten sich auch einige Gewohnheiten. Über Generationen etwa war der Mühlengraben jeweils zum Fest „Peter und Paul“ nahezu vollständig abgelassen worden, damit er von Strafgefangenen gereinigt werden konnte. Für die Siegburger war dies ein willkommener Anlass, mit Körben und Eimern die Fische direkt aus dem dann sehr flachen Graben abzufischen. Eine Tradition, die der Fischzuchtverein natürlich unterbunden hat. Heute übernehmen die Vereinsmitglieder beim alljährlichen Stadtputztag die Säuberung des Kanals, unterstützt vom Wasserverband, der die hohe Qualität des Gewässers gewährleistet.
Das Revier ist anspruchsvoll
Vom diesem Standard profitieren die Fische, erläutert Hubert Linden: „Denn hier fließt das Wasser noch schnell genug, damit kein Faulschlamm liegen bleibt. Gleichzeitig gewährleistet der relativ hohe Sauerstoffgehalt eine attraktive Artenvielfalt“. So fühlen sich mitten in Siegburg Barben, Forellen, Äschen und Hechte wohl, dazu kommen Rotaugen und der Wels. Zudem bietet der Mühlengraben guten Schutz vor aggressiven Fischräubern wie dem Kormoran: „Er scheut die Menschen im Stadtzentrum.“ Zu den gut zehn Fischarten kommen zahllose Kleinstlebewesen, die sich in dem weitgehend intakten Bio-System angesiedelt haben.
Ein Artenreichtum, von dem auch die Angler profitieren wollen. Doch das Revier ist ganzjährig anspruchsvoll, sagt Hubert Linden: „Hier ist das Wasser sehr nährstoffarm und deshalb so klar. Das bedeutet, die Fische können die Angler sehen und das erweckt ihr Misstrauen.“ Besser stehen die Chancen, wenn das Wasser trübe ist, zum Beispiel nach Hochwassern. Aale werden mit Würmern oder einem Stück Fisch geködert, Weißfische geben sich schon mit Maden, einem Maiskorn oder etwas Brot zufrieden. Doch ob ein Angelversuch erfolgreich ist, lässt sich vorab nicht abschätzen, meint Hans Guld: „Aber genau das macht ja auch den Reiz aus.“
Hintergrund zum Mühlengraben
Der Mühlengraben ist ein 4,7 km langer Kanal, der vom Absperrbauwerk der Sieg durch das Stadtzentrum fließt, ehe er etwas östlich der Agger-Einmündung wieder in die Sieg zurückkehrt.
Sein Alter ist unbekannt, erstmals urkundlich erwähnt wurde er im 12. Jahrhundert. Damals betrieb die Abtei Michaelsberg fünf Mühlen am Graben. Ab dem 15. Jahrhundert diente das etwa vier Meter breite Gewässer zum Transport der „Wolsdorfer Brocken“, aus denen bis ins 19. Jahrhundert nahezu alle massiven Gebäude im Stadtzentrum gebaut wurden.
Zeitweise gab es am Mühlengraben auch eine Badeanstalt. Seit 1990 steht der Kanal unter Denkmalschutz.