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Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft„Wir brauchen wieder mehr echte Bauern!"

Lesezeit 6 Minuten
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Landwirtschaft mit einfachen Mitteln

  1. Philip Unterweger träumt von einer Welt, in der Nachhaltigkeit und Klimaschutz einen höheren Stellenwert haben.
  2. Deshalb hat er einen Leitfaden für die Zukunft einer nachhaltigen Bauernkultur geschrieben.
  3. Seine These: Die Landwirtschaft von morgen ist die von gestern.

Herr Unterweger, Sie haben das Buch „Echte Bauern retten die Welt!“ herausgebracht. Dabei handelt es sich um ein Vater-Sohn Projekt. Wie ist es dazu gekommen?Mein Vater hat Chemie studiert und in der pharmazeutischen Industrie gearbeitet. Er lebte in seiner Kindheit auf einem Bauernhof und bemerkte bei der Arbeit irgendwann den Strukturwandel auf dem Land. Er begann dann die letzten Spuren seiner Kindheit auf Höfen in seinem Dorf und irgendwann in ganz Europa zu fotografieren. 1983 veröffentlichte er sein erstes Buch. Wir fuhren dann auch in meiner Kindheit durch ganz Europa und ich begann selber zu fotografieren und eigene Fragen zu stellen. Später studierte ich Germanistik und Biologie und spezialisierte mich in der biologischen Vielfalt. Etwa vor dem Jahr 2004 sagte man immer, mein Vater habe die Vergangenheit fotografiert. Zu dieser Zeit verstärkte sich die gesellschaftliche Debatte um den Klimawandel, das Wohl der Tiere und Bio-Lebensmittel. Da haben wir bemerkt, dass wir vielleicht nicht nur die Vergangenheit fotografiert haben, sondern wir auch Fotos gemacht haben, aus denen man ganz viel für die Zukunft lernen kann.

Zur Person

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Philipp Unterweger

Philipp Unterweger interessierte sich schon während seiner Schulzeit für Ökologie und Landwirtschaft. Seinen Zivildienst absolvierte er auf einem Biolandbauernhof. Schließlich studierte er Biologie, Germanistik und Kunstgeschichte an der Uni Tübingen und promovierte zum Dr. rer. nat. in Biologie.

Ihr Buch heißt „Echte Bauern retten die Welt!“. Was sind „echte Bauern“?Echte Bauern sind Menschen, die andere Menschen satt und glücklich machen. Sie produzieren nicht nur Kalorien, sondern auch Kultur und Freude. Man ist bereits ein Bauer, wenn man auf seinem Balkon einen Tomatenstock hat und die Tomaten gemeinschaftlich mit seinen Freunden und seiner Familie isst. Die meisten Tomaten, die wir essen stammen aus Spanien aus riesigen Gewächshäusern und dort besteht eine große Wasserknappheit. Eine einzelne Tomate reicht also schon aus, um aktiv Einfluss auf die Situation dort und den Klimawandel zu nehmen. Natürlich gibt es aber auch größere echte Bauern, das heißt Bauern, die auf einem Hof leben.

„Wir müssen die Nahrungsproduktion wieder in die Stadt bringen"

Wie sieht die Zukunft aus, wenn es nur noch „echte Bauern“ gäbe?Das wäre natürlich das Paradies. Wir hätten viele Probleme nicht, weil es Menschen geben würde, die sich nachhaltig und wertsteigernd mit dem Boden und Nahrungsmitteln beschäftigen. Sie hätten wieder einen Bezug zu Lebensmitteln und würden nicht nur konsumieren. Außerdem gäbe es Bauernhöfe, die die wertvollen Tierbestände durch nachhaltige Landwirtschaft erhalten. Man bringt die Nahrung wieder in die Stadt und ins Dorf und wird somit wieder Teil der Lebensmittelproduktion. In der Stadt würden Lebensmittel auf den Dächern angebaut und Tiere gehalten werden. Außerdem müssten neue kleinbäuerliche Höfe gegründet werden. Gleichzeitig erfüllen die Bauern auch kulturelle Dienstleistungen, das heißt sie zeigen, wie man mit Lebensmitteln umgehen muss. Wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt, leben wir in einer Welt voller „echter“ Bauern.

Im Moment müssen immer mehr kleinbäuerliche Betriebe schließen, da sie der Konkurrenz nicht mehr standhalten können. Warum sollten denn unter diesen Umständen neue kleinbäuerliche Betriebe gegründet werden?

Durch die Digitalisierung werden in Zukunft ganz viele Arbeitsplätze wegfallen. Außerdem besteht ein immer größer werdender Wunsch nach dem bedingungslosen Grundeinkommen und wir haben durch Teilzeitarbeit die Freiheit, uns unsere Zeit selber einzuteilen. Irgendwann werden die Menschen dann frustriert sein, da sie nichts Sinnvolles mehr tun. Hier müssen die Leute wieder lernen sich mit der Ernährung und Produktion zu beschäftigen, denn das Glück was sie spüren, wenn sie ihre eigenen Lebensmittel angebaut haben oder wenn sie von den eigenen Kühen auf der Weide begrüßt werden, kann man durch keine Maschinen ersetzen.

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Gemeinsam arebiten, gemeinsam essen

Sollten denn alle Bauern genauso arbeiten wie früher, sprich ohne Maschinen wie Traktoren etc.? Wie stehen Sie zur Forschung in nachhaltigere Entwicklungen?In diesem Punkt werden wir häufig missverstanden, denn wir wollen auf keinen Fall ein Zurück in die Steinzeit. Es gibt beispielsweise die „Pferdestark“, eine Messe für Landwirte die mit Zugtieren arbeiten. Dort gibt es hochmoderne Maschinen, welche völlig gesundheitsgerecht und tierschonend sind. Dabei wird Heu anstelle von Diesel als Treibstoff verwendet. Die Idee ist nicht, dass wir wieder mit Rückenschmerzen über den Kartoffelacker kriechen, sondern wir mit klima- und bodenschonenden Maschinen arbeiten. Die Maschinen sollen nicht immer größer, schwerer und schneller werden, sondern nachhaltig sein und in diesem Bereich gibt es ganz tolle Entwicklungen.

„Beim Thema Verzicht wird zuviel Angst geschürt"

Ist die Entwicklung zu solch einer Landwirtschaft in einer sehr konsumorientierten Gesellschaft nicht utopisch? Denn es würde ja bedeuten, dass die meisten Menschen in ihrem Kaufverhalten auf vieles verzichten müssten.Beim Thema Verzicht muss man aufpassen, denn dort wird immer sehr viel Angst geschürt. Wir sind so verschwenderisch wie noch nie, da die Nahrungsmittel so billig sind. Gleichzeitig gibt es viele Flächen, die gar nicht mehr für die Gewinnung von Nahrungsmitteln verwendet werden. Durch eine effizientere Nahrungsnutzung kann man ganz viel Verschwendung reduzieren. Natürlich sind die Menschen konsumorientiert und gewohnt viel zu kaufen, hier sind aber die Schulen und die Politik gefragt, die Menschen dort weiterzubilden. Letztlich sind wir aber auch gezwungen, die Konsumwirtschaft und das blinde Wachstum infrage zu stellen, da die Erde endlich ist, unser Konsum aber scheinbar unendlich. Solange die Industrie den Konsum durch Werbung fördert, wo eigentlich kein Bedarf ist, bleibt unsere Gesellschaft unethisch.Auch in der Preispolitik muss eine Veränderung stattfinden, denn bisher war es immer so, dass der Steuerzahler die Kosten getragen hat, wenn beispielsweise ein konventioneller Bauer mit seinen Traktoren Fahrradwege kaputt gefahren hat. Würde der Bauer die Kosten übernehmen, würde der Verbraucher merken wie billig Bio-Nahrungsmittel im Vergleich zu anderen Lebensmitteln eigentlich sind.

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Wolf-Dietmar Unterweger hat Bauern im Allgäu mit seiner Kamera begleitet.

Wie sind die Reaktionen auf Ihr Buch?Tatsächlich bekommen wir Briefe von Leuten aller Altersklassen. Unser jüngster Fan ist gerade einmal 10 Jahre alt und der älteste Leser, von dem wir wissen, ist über 90 Jahre alt. Was mich enorm wundert, aber auch freut, ist, dass wir eine sehr positive Resonanz von Jungbauern haben, die gerade dabei sind, neue Höfe zu gründen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch große Landwirte, die Angst haben, dass sie ihre Kredite und Schulden, die sie wegen ihrer Maschinen aufgenommen haben, nicht mehr abbezahlen können. Aus dieser Richtung hört man natürlich eher zurückhaltende Stimmen. Wir verwenden auch bewusst nie den Ausdruck „Landwirt“, denn es geht uns nicht darum, die großen Betriebe schlecht zu machen, sondern zu zeigen, dass echte Bauern der Weg zur Lösung sind.

Kann man sagen, dass die Lösungen für alle heute und in Zukunft wichtigen Themen wie Klimawandel, soziale Gleichheit etc. in der Landwirtschaft liegen?Man kann sicherlich nicht sagen, dass alle Probleme und Lösungen in der Landwirtschaft liegen, aber die Ernährung ist sicherlich mit das Wichtigste. Unsere lebenserhaltenden Mittel kommen fast alle aus der Landwirtschaft. Unser sauberes Wasser, die saubere Luft und die Nahrungsmittel die von den Feldern kommen. Ich glaube, dass Landwirtschaft neben dem Verkehr ein Schlüsselelement ist, welches ganz viele Probleme in unserer Gesellschaft lösen kann.