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Kölner SagenDie Kölner Heinzelmännchen

Lesezeit 5 Minuten
Heinzelmann aus Mintrops König Heinzelmann Wiki

König Heinzelmannmit Anna in der Küche. Aus Mintrop’s „König Heinzelmann“." Die Gartenlaube, 1875.

Die bekannteste Kölner Sage wurde 1836 von August Kopisch in eine dichterische Fassung gebracht und seitdem immer wieder neu erzählt. Heute erinnert der ganz in der Nähe des Kölner Doms gelegene Heinzelmännchenbrunnen mit seinen wunderschönen Steinfiguren an die fleißigen kleinen Helfer.

Vor langer, langer Zeit, als die Menschen noch an Wunder und Geister glaubten, lebten in Köln hilfreiche Zwerge, die man Heinzelmännchen nannte. Nur wenige haben sie jemals gesehen, denn, wie es heißt, waren die großen roten Kappen, die sie trugen, Tarnkappen. Kaum war es finstere Nacht, kamen sie aus ihren Verstecken unter den Häusern geströmt und sahen nach, wo Arbeit liegen geblieben war. Dem Bäcker halfen sie mit der Hochzeitstorte, dem Metzger schlachteten sie das Schwein, dem Schreiner sägten sie die Bretter, sie füllten den Wein in Fässer, stopften für die geplagten Hausfrauen die Strümpfe und wuschen für erschöpfte Mütter die Windeln. Kein Wunder also, dass sie sich großer Beliebtheit erfreuten und ihnen viele Leute gerne eine Tasse Milch oder einen Teller mit Essen hinstellten. So hielt es auch die neugierige Frau des Schneiders. Doch hätte sie nur allzu gerne einmal ein Heinzelmännchen gesehen. Abends, wenn sie den freundlichen Hausgeistern etwas hinstellte, sagte sie oft zu ihrem Mann: „Ach, wenn ich doch nur ein einziges Mal eines der Männchen sehen könnte! Was würde ich nicht darum geben …“ Doch ihr Mann brummte nur in seinen Bart, dass Frauen aber auch immer so neugierig wären, und sie solle die kleinen Helfer nur ja in Ruhe lassen.

Eines Tages bekam der Schneider einen großen Auftrag. Der Bürgermeister brauchte ganz dringend einen neuen Festtagsanzug, denn den alten hatten die Motten zerfressen. Hocherfreut nahm der Mann den Auftrag an und versprach, bis zum nächsten Tag alles fertig zu haben. Kaum war der Bürgermeister gegangen, begann die Frau zu schimpfen: „Bist du völlig von Sinnen? Wie willst du das denn bis morgen schaffen? Das ist doch Arbeit für mindestens einen Monat!“ Der Schneider aber schmunzelte und rieb sich die Hände: „Ach, mach dir da mal keine Sorgen. Wozu haben wir denn unsere Heinzelmännchen? Die sollen ruhig einmal ordentlich zupacken für all die gute Milch, die sie über die Jahre von uns bekommen haben!“ Die Frau murrte zwar noch etwas, gab sich aber endlich zufrieden. Vielleicht hatte ihr Mann ja Recht. Schließlich taten die Zwerge ihre Arbeit freiwillig. Als ihr Mann schlafen ging, ließ sie sich nichts anmerken. Nach einer Weile sagte sie: „Du, ich glaube, ich habe in deiner Werkstatt die Kerze brennen lassen. Ich geh schnell noch mal nachsehen.“ Der Mann knurrte nur kurz in sein Kissen und drehte sich auf die andere Seite.

Rasch stand sie auf, zog sich den Morgenrock über und nahm die Laterne vom Haken. Vor der Schlafzimmertür zündete sie die Lampe an, verdeckte sie aber so weit, dass nur ein dünner Lichtstrahl auf den Boden fiel. Dann griff sie in die Tasche und nahm das Beutelchen Erbsen heraus, das sie vorher dort versteckt hatte. Lautlos huschte sie zu der steilen Treppe, die nicht nur zum Schlafzimmer, sondern auch zur Werkstatt ihres Mannes führte, und streute den Inhalt dort aus. Anschließend versteckte sie sich in einer dunklen Nische. Tatsächlich ging ihr Plan auf. Gegen Mitternacht hörte sie leises Trippeln von vielen Füßen, das die Kellerstufen heraufkam, durch das untere Stockwerk hastete und die Treppe erreichte. Doch kaum waren die ersten Männlein ein paar Stufen hinaufgelaufen, rutschten sie auf den runden Erbsen aus. Sie fielen unter lautem Gepolter und Wehegeschrei hinunter, wobei sie andere mitrissen und ihre Mützen verloren. Rasch kam die Schneidersfrau aus ihrem Versteck und ließ das Licht ihrer Laterne über die kleinen Unglücksraben gleiten. Welch ein Bild bot sich ihr da: über- und untereinander lagen sie, fast schienen sie ineinander verknotet, hier und dort ragte ein Ärmchen in die Luft, oder ein Fuß, von dem der Schuh gefallen war. Ein Zappeln und Zetern war das, dass die Frau unwillkürlich laut auflachen musste.

Hastig schlug sie die Hand vor den Mund, doch es war bereits zu spät. Aus dem wirren Knäuel der Leiber löste sich ein Zwerg, der einen besonders langen, silbergrauen Bart hatte. Drohend erhob er den Zeigefinger und rief mit einer tiefen Stimme, die man dem kleinen Körper gar nicht zutraute: „Das werdet Ihr bitter bereuen, Frau! Eure elende Neugier kommt Euch teuer zu stehen!“ Die Schneidersfrau erbleichte. Zögernd trat sie einen Schritt vor und streckte bittend die Hand aus: „Aber … ich wollte doch nur …es war doch nicht böse gemeint!“ Grimmig sahen die Kleinen sie an, während sie sich aufrappelten. Dann setzten sie, eines nach dem anderen, ihre Kappen wieder auf und verschwanden. Bedrückt schlich sie zurück ins Schlafzimmer, wo ihr Mann tief und fest schlief. Die ganze Nacht warf sie sich hin und her und überlegte, wie die Heinzelmännchen sie wohl bestrafen wollten. Endlich graute der Morgen, und sie stand auf und ging in die Küche.

Bald darauf hörte sie ihren Mann in der Werkstatt toben: der Festtagsanzug des Bürgermeisters lag noch immer zugeschnitten auf dem Tisch, gerade wie am Abend zuvor. Doch nicht nur in diesem Haus war das Geschrei groß. Die Straßen hinauf und hinunter riefen es sich die Leute zu: keinen einzigen Handschlag hatten die Heinzelmännchen in jener Nacht getan. Und so war es auch in der nächsten. Und der übernächsten. Und so ist es noch heute und wird auch nie mehr anders werden. Die schöne Zeit ist für immer vorbei, die Heinzelmännchen sind auf Nimmer-Wiedersehen verschwunden, und jeder Kölner muss, wie andere Leute auch, seine Arbeit schön selber machen. Und so mancher stöhnt dabei: „Ach, dass es noch wie damals wär’!“

Quelle

Buchtitel: Kölner Sagen und Geschichten, 4. Auflage

Autorin: Yvonne Plum

Verlag: J.P. Bachem Verlag Köln