Geheimtipp NiederlandeDrenthe zwischen Wasser und Wald, Heide und Moor
Stolz zeigt Jan Mansier auf rund 500 Schafe, die seelenruhig zwischen glitzernden Moorseen und blühender Erika über die wundervolle weite Heidelandschaft wandern. Der ehrenamtliche Führer des Besucherzentrums Dwingelderveld in der nordholländischen Provinz Drenthe, kennt seine Heimat und deren Traditionen wie kaum ein anderer und teilt das Besuchern mit einer ansteckenden Ruhe und Hingabe mit. Seit Jahren führt er Touristen, meist aus dem eigenen Land aber auch immer mehr Deutsche und Engländer, durch den Nationalpark.
Heidegebiet Dwingelderveld
Die Zeit scheint stehen geblieben im Dwingelderveld, dem mit 37,66 km² größten Feuchtheidegebiet Westeuropas. „Vor rund 1000 Jahren haben Mönche hier rund um den Ort Ruinen das Land entwickelt und Kühe und Schafe gehalten“, erklärt Mansier.
Allerdings sei bis in das späte 19. Jahrhundert auch das Geschäft mit dem Torf immer exzessiver betrieben worden, so dass die Heide in den 1860er Jahren kurz vor ihrem bitteren Ende gestanden habe. „Die Rettung kam in den 1930er Jahren“, erklärt er. „Da haben Naturschützer das Land aufgekauft und für den Erhalt der Heide gekämpft.“ Ein großer Erfolg.
Traditionsschaf: Drenthe Heideschaf
„Das hier ist unser Drenthe Heideschaf, eine wunderbare, ganz alte Rasse mit so schönen Hörnern“, schwärmt Mansier. „Die waren fast ausgestorben, aber sie gehören einfach in diese Gegend, und werden jetzt wieder gezüchtet“. Seine Augen leuchten vor Glück. Die Rettung der ältesten westeuropäischen Rasse, die es seit rund 6000 Jahren gibt, gilt als einmalig. Heute grasen in der Heide noch zwei Herden à 500 Tieren. Dabei geht es allerdings eher um den Erhalt der alten Heideschafe und dem traditionsreichen Brauch. „Um die komplette 1200 Hektar große Heidelandschaft im Dwingelderveld niedrig zu halten, bräuchte es rund 10 000 Schafe“, sagt Jan. „Die Hirten, die man dafür bräuchte, bezahlt heute keiner mehr.“
Dafür investiert man großzügig in den Erhalt der Kulturlandschaft und in den Tourismus. Typisch für Holland: Vor allem mit Kindern kann man rund um das natürlich nachhaltig aus Holz gebaute und begrünte Besucherzentrum viel erleben: Sinnespfade, Schmetterling- und Vogelbeobachtungsplätze, Pflanzenlehrgärten, ein Bienenhaus, geführte Exkursionen, Nachtwanderungen – das Angebot ist groß und ansprechend.
Zum Schluss geht es noch einmal auf einen erst kürzlich fertiggestellten Aussichtsturm am Rande der Heide. Der Blick über die weite Landschaft scheint unendlich: Die Moorseen funkeln in der Sonne, Lungen-Enzian, Glocken- und Besenheide blühen üppig, Schafe blöken in der Ferne. Eine Ruhe, die man festhalten will.
Plaggenhütten im D'Olde Kamp
Mit dem Fahrrad geht es durch uralte Eichenwälder und Wildblumenwiesen zurück zu Elly und Bert van Zanten, die sich mit ihrem „d'Olde Kamp“ am Rande des Nationalparks einen Traum verwirklicht haben. Sechs traditionelle Plaggenhütten hat das Paar auf dem wunderschönen bauernhofähnlichen Campingplatz-Gelände, ganz nach alter Tradition mit Torf aus der Heide, nachgebaut. „Bis in die 1920er Jahre haben die Bauern in ärmsten Verhältnissen mit ihren Tieren in solchen Plaggenhütten aus Torf gelebt“, erzählt Elly.
Sie hat die A-förmigen Häuser, die typisch für die Moorgebiete sind, mit viel Liebe eingerichtet. Einfach und funktional, dabei aber charmant und individuell, fehlt es den urigen Häusern an nichts. Die Dächer sind begrünt – Nachhaltigkeit und Tradition zu vereinen, sowie die ökologische Balance zwischen Mensch und Natur sicherzustellen, ist den beiden wichtig. Mit seinem glänzend roten Oldtimer-Traktor fährt Bert an uns vorbei, winkt und erinnert irgendwie an Löwenzahns Peter Lustig.
Damit sich auch alles ganz naturgetreu anfühlt wie früher, sind an zwei der Plaggenhütten Ziegenställe angebaut. So geht man abends mit den Tieren schlafen und steht morgens mit ihnen wieder auf, macht sich einen Tee und blickt vom Küchenfenster direkt in den Stall.
Wer noch mehr Bock auf Ziege hat, kann außerdem mit den Tieren an der Leine spazieren gehen. Auch zwei Esel gibt es, unfassbar witzige Schweine (eine alte behaarte englische Rasse) und Hühner, die am Wegesrand aufpicken, was immer sie finden.
Bäuerliches Holland
Und wenn man abends noch einmal in den sternenklaren Himmel schaut, nichts – aber auch wirklich gar nichts – als ein Käuzchen im Wald rufen hört, das frische Heu der Ziegen riecht, bevor man sich in die kuscheligen Alkoven im Haus zurückzieht, dann fühlt man sich rundum wohl wie auf einer Zeitreise durch das bäuerliche Holland.
„Unsere Gäste suchen Ruhe, keine Animation“, sagt Elly, die eine Freundlichkeit und Ruhe ausstrahlt, dass man sie direkt ins Herz schließt. „Jedes Jahr nehmen wir uns ein neues Projekt vor“, erklärt sie und zeigt uns ihren ganzen Stolz: das gerade fertiggestellte Baumhaus mit dem sie den ersten Preis in einer holländischen TV-Sendung gewonnen haben. Kein Wunder, hier blickt man vom Bett aus nach oben durch ein großes Dachfenster in die Sterne und zur Seite, in den Laubwald.
Drenthe ist noch ein Geheimtipp
Wer ein Holland zum Träumen und Entdecken sucht, findet das in Drenthe. Noch ist die nordholländische Provinz ein Geheimtipp: Kilometerlange Baumalleen säumen alte Kopfsteinpflasterstraßen, die wunderschöne alte Bauernhäuser miteinander verbinden, umgeben von liebevoll angelegten Blumengärten. Überall grasen Pferde auf üppigen Weiden. Uralte Eichenwälder und ihre wilden tierischen Bewohner teilen sich das Land mit der weiten Heidelandschaft und seinen Schafen.
Ob mit dem Fahrrad, hoch zu Ross oder zu Fuß unterwegs, die Natur strahlt durch seinen ursprünglichen Charme eine Art Magie aus. Kein Wunder, denn hier treffen gleich drei Nationalparks aufeinander: Dwingelderveld, Drents-Friese Wold und Weeriben-Wieden. Letzter ist durchzogen von Grachten und Wasserwegen. Mit dem Bötchen geht es durch Schilflandschaften - immer ein sanftes Rascheln im Ohr. Ein Licht wie in der Toskana, eine Ruhe wie in der Provence, das geht auch ohne Süden.
Tipps und Adressen in Drenthe:
Nationalpark Dwingelderveld
Das Besucherzentrum in Ruinen ist der ideale Ausgangspunkt für Wanderungen, Exkursionen, Kutschfahrten oder Radtouren in die Heide und in den Wald. Hier geht man auf die Suche nach den „Big Five von Drenthe“: Kreuzotter, Dachs, Reh, Kranich und Heideschaf. Ein Besuch im imposanten „Schaapskooi“ (Schafstall) am Besucherzentrum ist ein Muss.
Besucherzentrum Dwingelderveld, Benderse 22, Ruinen, Öffnungszeiten 1. April bis 1. November von 10 bis 17 Uhr. www.natuurmonumenten.nl/bezoekerscentrum-dwingerlderveld
Übernachten am Nationalpark:
Bei Bert und Elly van Zanten im d'Olde Kamp in dem kleinen Ort Ansen kann man in traditionellen Plaggenhütten übernachten. Außerdem gibt es 40 Stellplätze auf dem Campingplatz und seit dem Frühjahr 2019 kann man auch ein Baumhaus mit Platz für bis zu 5 Personen mieten. Hunde und Pferde dürfen mitgebracht werden.
D'Olde Kamp, Bert & Elly van Zanten, Dwingelerweg 26, 7964 Ansen, 0522-47 16 91www.plaggenhut.nl
Essenstipps:
Huiskamer in Ansen: Sehr nettes rustikales Restaurant in altem Gebäude mit schönem Biergarten. Gute bürgerliche niederländische Küche. Es gibt auch Brunch und High Tea.
Huiskamer van Ansen, Kerkdijk 2, 7964 Ansen, 0522-47 12 80, www.dehuiskamer.com
Luning's Restaurant in Ruinen: Eine gelungene Mischung aus Tapas-Bar und Pannekoeken-Haus in einem wunderschön eingerichtetem alten Gebäude mit überdachter Terrasse.
Luning's Restaurant, Brink, 7963 AA Ruinen, 0522 47 12 38
Nationalpark Weerribben-Wieden
Das größte zusammenhängende Niedermoorgebiet Nordwesteuropas erstreckt sich über 10 000 Hektar, durch Sumpfwälder, kleine und große Seen und viele Kanäle. Am besten lässt sich der Nationalpark per Boot erschließen. Mit dem Kanu oder einem Elektroboot geht es mitten durch die grüne Schilflandschaft. Bester Startpunkt ist der malerische kleine Touristenort Giethoorn, der wegen seiner Wasserstraßen auch „Venedig des Nordens“ genannt wird.
Besucherzentrum „De Wieden“: Beulakerpad 1, Sint Jansklooster, www.natuurmonumenteen.nl/bcdewieden
Besucherzentrum „Buitencentrum De Weerribben“, Hoogeweg 27, Ossenzijl, www.buitencentra.nl/weerribben
Bootsverleih in Giethoorn: www.smitspaviljoen.nl
Nationalpark Drents-Friese Wold
Auf dem „Familienpad“ kann man einen schönen barrierefreien Rundgang – auch mit Kinderwagen oder Rollstuhl –, durch das von uralten Kiefernwäldern, Wanderdünen, Heide und grünen Bachtälern geprägte Naturschutzgebiet machen. Start ist am Besucherzentrum. Reiter und Pferdefreunde finden hier 175 Reit- und Fahrstrecken mit entsprechenden Unterkünften. Auch Mountainbiker finden hier viele Wege.
Besucherzentrum Buitencentrum Drents-Friese Wold, Terwisscha 6A, Appelscha, www.staatsbosbeheer.nl/drentsfriesewold
**Diese Reportage wurde unterstützt durch das „Niederländische Büro für Tourismus & Convention (NBTC)".
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