Selbstversuch in der EifelNie ohne Esel-Führerschein und Notfall-Möhre
Bongard – Esel gelten als stur, störrisch und sogar dumm. Dabei sind sie sehr intelligente und gesellige Tiere mit guten sozialen Fähigkeiten, die ihre Umwelt ganz genau wahrnehmen. Sie wirken beruhigend und können Menschen verbinden, das macht sie zunehmend beliebt. Eine Stiftung hat den Esel außerdem zum Haustier des Jahres 2022 gewählt. Petra Landsberg hat auf ihrem Hof in Bongard in der Eifel zehn Esel und bietet Wanderungen mit den Tieren an. Wie ist es so, alleine mit einem Esel durch den Wald zu gehen? Ein Selbstversuch.
Als wir nach etwa einer Stunde Autofahrt aus Köln auf dem Hof ankommen, herrscht Unruhe. Jupp, Hans-Dieter, Ali, Käthe, Trude und die anderen Esel sind gerade beim Frühstück.
Von der großen Weide drängeln sie in den Stall und stehen nebeneinander am langen Futtertrog. Landsberg steht daneben und beobachtet ihre zehn Esel. Dass die Herde so groß wird, war nicht geplant. Zuerst kamen vor zehn Jahren Käthe und Jupp zu ihr. Landsberg arbeitete damals als festangestellte Fotografin und rettete die beiden Tiere aus schlechter Haltung. „Eigentlich wollte ich mit ihnen über die Alpen wandern. Habe ich natürlich nicht gemacht“, erzählt die 53-Jährige und lacht dabei laut, wie so oft an diesem Morgen.
Wandern und im Schäferwagen übernachten
Nach Käthe und Jupp kamen Trude, der große und der kleine Theo, Ali, Sepp, Hans-Dieter, Harry, Edda, Moritz und Fritz dazu. Fritz ist nach über 30 Jahren mittlerweile gestorben. Mit ihren Tieren bietet Landsberg Wanderungen im Wald an, der direkt an ihren Hof angrenzt. Man kann bei ihr auch in wunderbar ausgestatteten Schäferwagen auf der Wiese übernachten. Manche Besucher kommen dafür sogar aus dem Ausland, so wie Astrid und Nico Konter aus Diekirch in Luxemburg. „Wir wollten schon immer Eselurlaub machen und schlafen hier in einem der umgebauten Wagen. Sehr gemütlich“, sagen sie.
Als die Esel fertig gefrühstückt haben, kommt Landsberg mit Hans-Dieter auf den Hof. Ein ungewöhnlicher Name für ein so flauschiges Tier! „Hans-Dieter kommt aus Holland und hieß eigentlich nur Hans. Aber als mein Vater Dieter starb, habe ich ihm seinen Namen noch angehängt, weil ich das Gefühl hatte, ich hätte mit ihm noch etwas zu besprechen“, erzählt Landsberg. Hans-Dieter soll mein Wanderkumpan werden. Mit seinen 13 Jahren ist er noch ein Jungspund, Esel können bis zu 50 Jahre alt werden. Er ist gut zu Fuß und mag das Wandern. So wie der 19-jährige Jupp, der bei den Gästen sehr beliebt ist, wie auf der Gästetafel neben dem Stall nachzulesen ist. „Nicht alle Esel laufen so gerne. Hans-Dieter läuft gut alleine, andere Esel haben lieber noch einen Kumpanen bei sich. Maximal sollte man am Tag 15 Kilometer mit ihnen gehen“, erklärt Landsberg.
Eselwandern bei Petra Landsberg in der Eifel
Für zwei Erwachsene kostet die Tour (fünf oder zehn Kilometer) mit einem Esel 70 Euro. Eine Wanderung mit zwei Eseln liegt bei 130 Euro. Kommen weitere Teilnehmer hinzu, werden pro Person zehn Euro Möhren-Spende fällig. Gewandert werden sollte am besten zu zweit. Auf dem Hof kann man auch in umgebauten Schäferwagen übernachten. Zwei Nächte mit einer geführten und einer selbstständigen Wanderung kosten 300 Euro. Momentan sind die Touren und Übernachtungen allerdings ausgebucht.
Petra LandsbergAm Barsberg 1453539 Bongard02692/9326773www.eselwandern-eifel.de
Sie bietet zwei Routen durch den Wald an, entweder fünf oder zehn Kilometer. Wer sich zunächst nur fünf zutraut, dann aber Gefallen am Wandern findet, kann sich unterwegs noch umentscheiden und die längere Strecke wählen. Das Besondere an Landsbergs Angebot: Man geht mit dem Esel alleine oder zu zweit, ohne Gruppe und Führer. Die Wanderung ist eine Sache zwischen Mensch und Tier und das macht sie ganz besonders wertvoll. Die Kombination aus stillem Wandern in der Natur und flauschigem Tier beruhigt und erdet ungemein.
Vielleicht sind Esel und Eselwanderungen auch deshalb derzeit so beliebt, schließlich sind die Zeiten mehr als stressig. Landsberg jedenfalls ist für Wochen ausgebucht, die „Stiftung Bündnis Mensch & Tier“ hat den Esel zum Haustier des Jahres 2022 ernannt. In der Begründung heißt es, dass Esel den Menschen seit Jahrhunderten als Arbeitshelfer und Lasttier in der Landwirtschaft dienten, aber wegen ihrer verbindenden Fähigkeiten auch für die soziale Arbeit eingesetzt würden. Auch Landsberg hatte schon öfter vom Jugendamt vermittelte Kinder und Jugendliche zu Besuch und weiß, wie ausgleichend, beruhigend und zugleich auflockernd ihre Tiere wirken: „Am Anfang waren die Jugendlichen kaum erreichbar und total unruhig. Nach der Wanderung mit den Eseln waren sie wie ausgewechselt.“
Zuerst muss man den Eselführerschein machen
Bevor es für mich losgeht, muss ich den Eselführerschein machen. Das bedeutet vor allem, den flauschigen Esel zu striegeln und zu putzen. Nicht, weil er so dreckig wäre, sondern um mich ein wenig beliebt bei ihm zu machen, wie Landsberg erklärt, denn Esel betreiben untereinander ebenfalls intensive Fellpflege.
Während ich Hans-Dieter bürste und staune, wie wunderbar weich und warm das Tier ist, erzählt mir Landsberg noch mehr über Esel. Zum Beispiel, dass sie sehr gesellig und gutmütig sind, untereinander Freundschaften schließen und ihr Futter teilen. Dass sie anders als das Vorurteil besagt, überhaupt nicht stur und dumm sind, sondern manchmal einfach stehenbleiben und zögern, um eine Situation besser einschätzen zu können und mögliche Gefahren abzuwägen. Weil Esel sehr gut sehen, hören und riechen können, nehmen sie mögliche Feinde schon von weitem wahr und eignen sich auch deshalb gut dazu, Schafe oder Ziegen zu beschützen. Ich erfahre beim Striegeln auch, dass Esel nie nach hinten austreten, weil bei ihnen die Leitstute immer hinten geht, um die Herde anzutreiben und Tempo und Richtung vorzugeben. „Nur wenn sie zu lange mit Pferden zusammenstehen, schauen sie sich das ab“, erklärt Landsberg. Nach dem Putzen muss ich einige Fragen beantworten, was gut möglich ist, wenn man richtig zugehört hat. Dann habe ich den Eselführerschein in der Tasche und es kann endlich losgehen. Wir haben uns für die fünf Kilometer lange Tour entschieden.
Das Wichtigste: Notfall-Möhren mitnehmen, falls der Esel stehen bleibt
Landsberg zeigt mir, wie ich den Führstrick von Hans-Dieter halten soll und dass ich am besten nicht zu nah neben seinen Vorderbeinen laufen soll, damit er mir nicht auf den Fuß tritt. Sie erklärt mir, dass Esel immer auf die grüne Wiese oder zu den Büschen am Wegesrand streben, um zu futtern, und dass ich deshalb am besten mit ihm auf der Mitte des Weges bleiben soll. Sie gibt mir eine laminierte Karte, auf der die Route eingezeichnet ist, außerdem erhalte ich via Handy Fotos mit den wichtigsten Streckenpunkten, damit ich mich nicht verlaufe. Sollte das doch passieren, kann ich sie anrufen.
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Und dann gibt sie mir noch das Allerwichtigste für die Wanderung mit: vier Notfall-Möhren, falls Hans-Dieter nicht mehr weiter gehen will. „Und das wird passieren. Unterwegs kommt es nicht selten zu Machtkämpfen, und die gewinnt der Esel auf jeden Fall! Man muss also akzeptieren, dass man auch mal steht“, sagt Landsberg. Grundsätzlich sei es am besten, dem Esel direkt zu zeigen, wer der Chef ist. Also nicht stehen bleiben und zögern, wenn möglich nicht so viel am Wegesrand fressen lassen, nicht permanent auf ihn einreden, sondern mit klarem Schritt voran gehen. „Es macht Sinn, so zu tun als hätte man Ahnung von dem, was man macht“, fasst Landsberg die Herangehensweise zusammen. Und wenn das gar nicht klappt, hat man ja noch die Notfall-Möhren, mit denen man natürlich haushalten muss und sie deshalb nur in kleinen Stückchen von der flachen Hand verfüttern sollte. „Wenn man ihm nach hundert Metern ein Stück Möhre gibt, erwartet er natürlich, dass das so weiter geht und wird sich ohne Möhre nicht bewegen“, erklärt Landsberg. Ihr absoluter Profi-Trick: „Wenn wirklich gar nichts mehr geht, einfach selbst in die Möhre beißen, dann kommt der Esel auf jeden Fall.“
Ich nehme Hans-Dieters Strick und gehe los. Ich freue mich, dass er mitkommt. Landsberg begleitet uns das erste Stück hinein in den Wald und erklärt, wo ich abbiegen muss. Dann dreht sie um und geht zum Hof zurück. Hans-Dieter, der bis dahin prima neben mir gegangen ist, bleibt von diesem Moment an stehen. Es gefällt ihm nicht, dass sein „Frauchen“ nicht mehr da ist und die Gruppe sich teilt. Ich rede ihm gut zu und mache einen Schritt nach vorne, aber der Esel bewegt sich keinen Millimeter und schaut Landsberg hinterher. Soll ich jetzt schon die Möhre einsetzen? Nein, entscheide ich und ziehe stattdessen am Strick. Nichts. Ich ziehe fester und entschuldige mich gleichzeitig bei Hans-Dieter, weil ich ihm nicht wehtun will. Erst vorsichtig, dann immer fester reiße ich am Seil. Hans-Dieters Kopf bewegt sich zur Seite, seine Beine stehen dagegen felsenfest auf dem Boden. Irgendwann hänge ich mich mit meinem ganzen Gewicht in das Seil und zerre an dem Tier, bis es sich endlich weiter bewegt. „Puh, geschafft!“, denke ich. Und: „Hoffentlich geht das nicht so weiter.“
Am besten nicht mehr stehen bleiben
Jetzt wo Hans-Dieter einmal im Tritt ist, beschließe ich, sicherheitshalber nicht mehr stehen zu bleiben. Eine gute Idee, wie sich herausstellt. Nur muss ich leider ab und zu anhalten, um auf der Karte und den Fotos nach dem richtigen Weg zu schauen. Sobald ich still stehe, nutzt er seine Chance, um am Wegesrand etwas zu fressen zu suchen. Mal knabbert er an einem Ast, mal rupft er Gras aus dem Boden. Immer wieder versucht er, den Weg zu verlassen, aber ich halte den Strick kurz genug, so dass ihm das nicht gelingt.
Nach ungefähr zwei Kilometern haben wir unseren Rhythmus gefunden und laufen ohne Probleme ganz einträchtig nebeneinander her. Hans-Dieter passt sich meinem Tempo an, der Strick baumelt locker zwischen uns. Nur bergauf bin ich oft schneller als der Esel und muss ihn ziehen, wobei mir an diesem kalten Tag richtig warm wird. Nach etwa der Hälfte der Strecke erreichen wir die sogenannte Quelle, an der man wunderbar Pause machen kann. Für die Esel gibt es eine Stange zum Anbinden, die Menschen können sich auf Holzmöbeln ausruhen. Weil es mir dafür leider zu kalt ist und ich Hans-Dieter nicht zum Stehenbleiben anregen will, gehen wir nach einem Mini-Stopp direkt weiter.
Die Möhren gibt es zur Belohnung, weil er so brav ist
Je länger wir durch den Wald laufen, desto besser verstehen wir uns. Ich muss nicht an ihm ziehen, wir gehen einfach nebeneinander her. Ab und zu lege ich meine Hand auf sein Fell, weil das so schön weich und warm ist. Weil er so brav ist, bekommt er von mir immer wieder kleine Stückchen der Notfall-Möhren als Belohnung. Zum Locken brauche ich sie tatsächlich überhaupt nicht.
Ansonsten passiert nichts. Es ist still und schön und meditativ. Wir gehen ganz entspannt und ich habe genug Zeit, die schöne Landschaft zu genießen. Zu sehr abdriften sollte man allerdings nicht, da man regelmäßig auf die Karte und die Fotos schauen muss, um nicht falsch abzubiegen. Als wir an einer Bank vorbeikommen, setze ich mich kurz hin, um einen Schluck zu trinken und zu essen. Hans-Dieter binde ich locker an der Bank fest, er steht ganz nah vor mir und zupft ein wenig Gras aus dem Boden.
Als er mein Käsebrot bemerkt, macht er einen Schritt auf mich zu und schnuppert an meiner Hand. Ich spüre seine weichen Nüstern und seinen warmen Atem. Er ist ganz vorsichtig und versucht, an meinem Brot zu knabbern. Weil ich nicht weiß, ob er das essen darf, gebe ich ihm schweren Herzens nichts ab und wir gehen schließlich langsam weiter.
Wandern, Coaching, Streicheln: Hier können Sie Esel treffen
Wandern und Urlaub mit Eseln
Tierwerkstatt AltenbergKatja NasebandHauptstr. 751519 Odenthal0177/5794889www.tierwerkstatt-altenberg.de
Eseltrekking im Bergischen LandAuch bei Udo König kann man geführte Wanderungen mit Eseln buchen. Momentan muss er allerdings pausieren, da die Eselinnen nicht ganz fit sind. Ein Blick auf seine Seite lohnt trotzdem.Eseltrekking im Bergischen LandUdo KönigGartenstrasse 37a51519 Odenthal0176/84680644www.bergischer-esel.de
Citiescape: Naturcamp, Eselwandern, OutdoortrainingBei Marleen Item in Reuth gibt es ebenfalls begleitete Eselwanderungen und andere Eselprojekte. Besucher können hier zum Beispiel in Indianertipis schlafen.CitiescapeAuf der Haustert 754597 Reuth06552/991498www.citiescape.de
Esel streicheln
Esel treffen im Eselpark Zons e.V., einem privat geführten Gnadenhof. Bitte unbedingt vorher anmelden, am besten über die Homepage.Peter und Darinka NorffAldenhovenstraße 10041541 Dormagen0171/6562818www.eselpark-zons.de
Esel streicheln kann man auch in „Rolf‘s Streichelzoo“ in Zündorf. Hier gibt es auch Kängurus, Hasen, Ziegen und viele weitere Tiere. Achtung: An Sonn- und Feiertagen ist der Streichelzoo geschlossen.
Rolf's Streichelzoo Köln e. V.Tulpenweg 25-2751143 Köln02203/84992www.streichelzoo-koeln.de
Therapie mit Tier
Der „Begegnungshof Herzwurzelhof“ in Hückeswagen bietet sogenannte TierNatur gestützte Interventionen für soziale und therapeutische Einrichtungen und Seniorenheime an. Hier gibt es nicht nur Esel, sondern auch Schafe, Ziegen, Hühner und Schweine.Begegnungshof HerzwurzelhofMaisdörpe 942499 Hückeswagen02192/8596810www.herzwurzelhof.com
Michaela Bermel bietet auf ihrem Bermelshof ebenfalls Wanderungen und Eselpatenschaften sowie tiergestützte Therapie an:Michaela Bermel/BermelshofKapellenstr. 1256651 Brenk02655/962666www.bermelshof.de
Coaching und Konfliktmanagement
Coaching, begleitete Eselspaziergänge und tierbegleitete Interventionen können Sie bei Andrea Brück in Liebenscheid buchen:EselverliebtWilhelmstr. 1856479 Liebenscheid0157/53066318www.natur-und-tiergestuetzt.de
Konfliktmanagement, Coaching und Beratung mit Eseln bietet Gabi Halfar mit ihrem Unternehmen „Transmitter“ in Datteln an:Hachhausener Str. 745711 Datteln02361/892875www.transmitter.ruhr
Nach etwa 30 Minuten kommen wir wieder an der Straße an, die zum Hof von Petra Landsberg führt und ich bin ganz traurig, dass die Wanderung gleich schon vorbei ist. Beim nächsten Mal würde ich auf jeden Fall die zehn Kilometer wählen. Bevor wir Hans-Dieters Zuhause erreichen, kommen wir an der Wiese vorbei, auf dem seine Freunde stehen, die gerade nicht unterwegs sind. Hans-Dieter hält an und die anderen Tiere kommen sofort zu uns gelaufen, um ihn zu begrüßen und zu beschnuppern.
Erst als von hinten das Postauto die enge Straße hinauf kommt, ziehe ich ihn vorsichtig zur Seite, um das Auto vorbeifahren zu lassen. Ohne Probleme gehen wir die letzten Meter zum Hof. Zwei Notfall-Möhren habe ich noch übrig, die teilen wir uns. Zurück auf dem Hof, nimmt Petra Landsberg Hans-Dieter entgegen und bringt ihn zu seinen Freunden auf die Weide. Und ich bin traurig, dass unser gemeinsamer Ausflug schon vorbei ist.