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„Herr Schulz“Ausgebrannter Lehrer findet wahre Passion

Lesezeit 3 Minuten

Im Restaurant „Herr Schulz“ dienen Schulhefte als Speisekarte. Das Lokal ist stilvoll eingerichtet und mit Dekorationen versehen.

Brück – Herr Schulz ist ein ausgebrannter Gymnasiallehrer, Jahrgang 1951, geboren in Köln-Brück. Weil er nicht weiter Mathe, Physik und Kunst unterrichten will, flieht er nach Ibiza. Nun ist er zurückgekehrt – nach Brück ins ehemalige Lokal „Waldfrieden“ am Königsforst. Gleich am Eingang liegt auf einem Tisch sein Hut und ein Zigarrenetui. „Ein wirklich komischer Kauz“, sagt die Belegschaft über den Chef. Man kennt den neuen Namensgeber des Lokals nur vom Hörensagen. Ist Herr Schulz etwa nur ein Hirngespinst?

Seit November fragt sich fast jeder Gast im netten, neuen Restaurant im Osten der Stadt mindestens einmal am Abend, wer denn wohl dieser Herr Schulz wirklich ist. Die Biografie, die das Lokal im Internet anbietet, klingt plausibel – die Wahrheit ist das nicht, muss Restaurantchef Jerry Türk eingestehen. Warum er sein neues Lokal nach einem Gymnasiallehrer mit Burn Out benannt hat, bleibt geheim. Herr Schulz ist offensichtlich eine von vielen kleinen Ideen, die in diesem neuen Kleinod des gastronomischen Angebots der Stadt umgesetzt wurden. Ibiza-Chill-Out-Feeling trifft auf Brücker Bodenständigkeit: Tapas und Burger, Cocktails und Bier in einer äußerst netten Atmosphäre mit einer ausgesprochen netten Bedienung.

Das einzige, was noch unangenehm aus dem ansonsten fantasievollen Rahmen fällt, ist der belanglose 80er-Jahre-Pop, der als Hintergrundmusik im Lokal läuft. Restaurantchef Jerry Türk hat sich nach der Schließung des Traditionslokals „Waldfrieden“ an der Olpener Straße einen Traum erfüllt. Obwohl er eigentlich aus einer ganz anderen Branche kommt, hat er sich im vergangenen Jahr auf das Wagnis Gastronomie eingelassen und die Immobilie übernommen. Seine beiden Töchter seien immer in die Stadt gefahren, weil sie in Brück nichts zum Ausgehen gelockt hätte. „Herr Schulz“ scheint tatsächlich eine Lücke zu füllen. Wer keinen Tisch vorbestellt, läuft Gefahr, unverrichteter Dinge wieder gehen zu müssen.

„Im Heu gegarter Winterkabeljau“

Die kalten und warmen Tapas, die hier serviert werden, sind einen Ausflug nach Brück wert: Geschmorte Schweinerippchen mit Feigen, Ziegenkäse und weiße Bohnen oder Hähnchenschenkel geschmort mit maurischen Gewürzen und Joghurt – alles ist lecker, fein abgestimmt, manchmal sehr überraschend. Natürlich gibt es die Tapas-Klassiker wie Albongias, Gambas oder Patatas bravas, jede Woche kommen aber auch besondere „Tapas der Woche“ dazu. Das können ungewöhnliche Speisen wie ein „im Heu gegarter Winterkabeljau“ oder „Rotbarsch mit spanischer Blutwurst auf violettem Kartoffel-Sauerkraut-Pürree“ sein. Alternativ zu Tapas gibt es Schweinefilet, Steak, Nudeln oder Burger als Hauptgericht. Beim Probeessen gab’s großes Lob für die spanischen Kleinigkeiten. Die Noten für die Burger fielen nicht ganz so gut aus.

Für den Frühling wird zur Zeit an der Terrasse gebastelt. „Herr Schulz“ soll genau wie das alte „Waldfrieden“ zum Ziel nach Spaziergängen durch den angrenzenden Königsforst werden. Wenn die Ausflügler kommen, sollen auch die Öffnungszeiten ausgeweitet werden. Samstags und sonntags wird man dann auch schon mittags darüber rätseln dürfen, wer denn nun dieser ominöse „Herr Schulz“ tatsächlich ist. Jerry Türk: „Jeder darf sich seine eigene Geschichte ausdenken.“