Digitale LiturgieBeten mit dem Handy oder Tablet

Heike Lux nutzt die Gebets-App auf ihrem Tablet.
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Beten mit dem Smartphone oder Tablet-PC? Die Idee erinnert an die Anekdote vom Jesuiten, den ein Mitbruder mit Gebetbuch in der einen Hand und Zigarre in der anderen antrifft. „Was fällt dir denn ein? Beim Beten rauchen – unmöglich!“ Wieso? Das sei vom Ordensoberen genehmigt, lautet die Antwort. „Ich habe ihn eigens gefragt, ob ich beim Rauchen denn auch beten darf.“
Das Bonmot lässt erkennen, was der katholische Pressebund mit seiner „Stundenbuch-App“ beabsichtigt: Ein zentrales Element der christlichen Spiritualität soll auf mobilen Endgeräten überall verfügbar sein und so das (Gebets-) Leben leichter machen – auf dem Weg zur Arbeit zum Beispiel oder auf Reisen. Die kostenlose App bietet tagesaktuell und in der einzigen offiziell approbierten Form alle Texte des kirchlichen Stundenbuchs, das bisher nur in drei dicken, meist ledergebundenen und entsprechend teuren Dünndruckausgaben zur Verfügung stand. „Moderner Appeal für klassischen Inhalt“, sagt der Vorsitzende des Pressebunds, Stefan Lesting.
Morgen-, Abend- und Nachtgebet haben im Christentum große Tradition. In den Klöstern gibt die „Tagzeiten-Liturgie“ dem Leben der Mönche und Nonnen Rhythmus und Rahmen. Priester und Diakone versprechen bei ihrer Weihe das regelmäßige Breviergebet, und auch Laien pflegen diese seit 1500 Jahren fest gefügte Praxis, in deren Mitte die Psalmen aus dem Alten Testament sowie neutestamentliche Hymnen und Gesänge stehen.
Die 47 Jahre alte Heike Lux, Verwaltungsangestellte beim Caritas-Fachverband „In Via“ Köln, schätzt das Stundengebet, weil es ein unsichtbares Band zwischen ihr und Christen überall auf der Welt spannt. Dass die Gebete vorgegeben und ihre Abfolge festgelegt sind, empfinde sie nicht als Gängelei, sondern „als eine Entlastung, die dann auch Räume öffnet für das frei formulierte Gebet. Außerdem hätten besonders die uralten Texte des jüdischen Volkes für sie ungleich größere Kraft als die eigene spontane Gebetsprosa.
iOS und Android-Version
Die Stundenbuch-App gibt es derzeit iOS-basiert für Apple-Geräte und in einer Android-Version. Die Anpassung an das Windows-Phone soll im ersten Halbjahr 2015 vorliegen. Das Interesse an dem neuen Angebot übertraf sämtliche Erwartungen: „Wir hatten fürs erste Jahr ein- bis zweitausend Abrufe prognostiziert“, sagt Lesting. „Die waren zwei Tage nach dem Start am Ersten Advent 2013 beisammen. Das spricht für einen Bedarf nach dem Motto „lang gesucht, endlich gefunden“. Aus Rückmeldungen wisse er von Nutzern auf allen Kontinenten, von Missionaren in Afrika oder Ozeanien, von Auslandsstudenten, Ordensleuten in Klöstern fern der Heimat oder Auswanderern. Ohne Werbung im engeren Sinn, allein über Facebook, Blogs und durch Mundpropaganda hat es die App binnen Jahresfrist auf mehr als 32000 Installationen gebracht. Aktiv genutzt wird sie nach Lestings Angaben im Durchschnitt fünfmal pro Woche.
Profi-Beter begrüßt die App
Felix Dörpinghaus liegt weit über diesem Wert. Der emeritierte Pfarrer aus Mechernich in der Eifel hat sein Brevierpensum fast komplett auf digital umgestellt. Selbst für den Profi-Beter ist die App die weitaus komfortablere Variante. „Ich muss nicht suchen oder blättern, und leichter in der Hand als das Stundenbuch liegt mein iPhone sowieso“, sagt der Geistliche, der nach eigenem Bekunden „schon immer Interesse an neuen Techniken“ hatte. Außerdem schätzt er mit seinen fast 77 Jahren die Möglichkeit, das Schriftbild der Gebetstexte beliebig zu vergrößern.
Seit wenigen Tagen enthält die Stundenbuch-App zusätzlich zu den drei wichtigsten Gebetszeiten - den „Laudes“ am Morgen, der nachmittäglichen „Vesper“ und der „Komplet“ vor dem Schlafengehen – nun auch die „kleinen Horen“. Ihre Namen „Terz“, „Sext“ und „Non“ haben sie von der antiken Zählung der Stunden im Tageslauf.
Vollends zufrieden wäre Dörpinghaus, wenn jetzt noch die Texte für die „Lesehore“ und die regionalen Feste, etwa der Bistumsheiligen, hinzukämen. Stefan Lesting und der Pressebund arbeiten bereits daran.
Das Smartphone-typische Wischen und Tippen auf dem Display stelle für seine innere Sammlung und Einkehr kein Hindernis dar, sagt Dörpinghaus. „Ich lasse beim Beten alles hinter mir, da stört mich die Technik nicht.“ Für Außenstehende sei der Anblick eines Betenden mit Handy gewöhnungsbedürftig, sagt die Kölnerin Heike Lux. Sie habe deshalb noch ein ungutes Gefühl, wenn sie ihre Brevier-App öffnet, besonders in Kirchen. „Das könnte so aussehen, als wäre ich respektlos oder wollte provozieren.“ Keine Sorge, beruhigt Pfarrer Dörpinghaus. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis das Handy als Gebetbuch unserer Zeit etabliert ist. „Der Trend geht da hin, ganz klar.“